750 Viertklässler absolvieren Klausuren Kritik an Eignungstests zur Schullaufbahnberatung
750 Viertklässler in Sachsen-Anhalt haben erstmals an neu eingeführten Tests zur erweiterten Schullaufbahnberatung teilgenommen. Die Tests bestätigten dabei weitgehend die vorherige Einschätzung durch die Schule. Von Lehrern kommt viel Kritik.
Magdeburg - 748 Grundschüler in Sachsen-Anhalt haben im Herbst erstmals an vom Bildungsministerium neu eingeführten Schullaufbahn-Eignungstests teilgenommen. Das entsprach einem Anteil von vier Prozent an den insgesamt 18.642 Viertklässlern im Land.
Eignungstest, wenn Elternwunsch von Empfehlung der Schule abweicht
Das Ministerium von Eva Feußner (CDU) sieht die Teilnahme seit Schuljahresbeginn für Viertklässler vor, bei denen der Elternwunsch für die Schullaufbahn von der Empfehlung der Grundschule abweicht - etwa für den Fall, dass Eltern ihr Kind aufs Gymnasium statt auf die Sekundarschule schicken wollen.
Testergebnis entspricht zu fast 85 Prozent Einschätzung der Grundschule
Bestandteil sind dabei je ein 45-minütiger schriftlicher Test in Deutsch und Mathe sowie zwei mündliche Tests. Bilanz der Verfahren: Bei 508 von 748 Viertklässlern (84,8 Prozent) bestätigten die Tests die Empfehlung der Grundschule für eine berufsorientierte Bildung - etwa an einer Sekundarschule. Bei 70 Schülern ergaben sie abweichend von der Einschätzung der Schule die Empfehlung für ein Gymnasium.
Elternwille bleibt unabhängig vom Testergebnis ausschlaggebend
Wie vor Einführung der Tests bleibt am Ende der Elternwille ausschlaggebend dafür, welche weiterführende Schule ein Kind tatsächlich besucht. Eva Feußner sagte: „Bei dem neuen Verfahren geht es in erster Linie darum, Eltern bestmöglich ergänzend zu beraten.“ Die Ergebnisse zeigten, dass die Grundschullehrer bei der Einschätzung ihrer Schüler bereits sehr gute Arbeit leisten, ergänzte die Ministerin. Ziel sei es nicht, die Zahl der Kinder, die auf das Gymnasium gehen, zu verringern, sondern zu verhindern, dass Kinder wegen unzureichender Leistungen das Gymnasium verlassen müssen.
Bei dem neuen Verfahren geht es in erster Linie darum, Eltern bestmöglich ergänzend zu beraten.
Eva Feußner (CDU), Bildungsministerin von Sachsen-Anhalt
Bei Lehrerverbänden stoßen die neuen Tests indes auf Ablehnung: „Wir halten das Verfahren für pädagogisch nicht sinnvoll“, sagte Eva Gerth, Landeschefin der Lehrergewerkschaft GEW. „Die hohe Bestätigungsquote zeigt zudem, dass es an den Grundschulen eine funktionierende Beratungskultur gibt, man sich auf die Einschätzung der Lehrer also verlassen kann. Deshalb kann man sich das ganze Verfahren auch schenken“, sagte Gerth.
Die hohe Bestätigungsquote zeigt, dass es an den Grundschulen eine funktionierende Beratungskultur gibt. Deshalb kann man sich das ganze Verfahren auch schenken.
Eva Gerth, Landeschefin der Lehrergewerkschaft GEW
Mit Blick auf viele sonstige Bemühungen, Lehrer zu entlasten, stelle sich die Frage, ob der Nutzen den hohen Mehraufwand rechtfertigt, erklärte auch Thekla Mayerhofer, Chefin des Grundschulverbands. Von einem „Riesenaufwand für eine Momentaufnahme“, sprach Ingo Dossmann, GEW-Mitglied und Grundschulleiter in Genthin. Die frühe Konfrontation von Kindern mit der Frage der Schullaufbahn schon durch Elternversammlungen in der dritten Klasse baue einen immensen Druck auf die Kinder auf.
Schulen übernehmen Elternwunsch, um aufwändige Eignungstests zu umgehen
Wie die Volksstimme erfuhr, sind einige Schulen bereits dazu übergegangen, bei Abweichung des Elternwunschs von der Laufbahnempfehlung der Schule, den Elternwillen zu übernehmen. Da ohnehin der Elternwille zähle, spare man sich so eine Menge Aufwand, sagte eine Lehrerin der Volksstimme.