Schuljahresbeginn Lehrermangel in Sachsen-Anhalt bleibt dramatisch
Sachsen-Anhalts Schulen starten dank einer Pflichtstunde Mehrarbeit für Lehrer pro Woche rechnerisch mit einer besseren Personalversorgung ins neue Schuljahr. Deutlich höhere Schülerzahlen mindern den Effekt allerdings bereits.
Magdeburg - Der Lehrermangel an Sachsen-Anhalts Schulen bleibt auch im neuen Schuljahr teils dramatisch. Über alle Schulformen hinweg liegt die zentrale Kenngröße – die Unterrichtsversorgung – bei 95,5 Prozent, an den am schlechtesten versorgten Sekundarschulen sogar nur bei 88,5 Prozent (Gymnasien 100,4 %).
4000 Schüler mehr als im Vorjahr in Sachsen-Anhalt / Fast 600 Lehrer fehlen im System
Insgesamt fehlen laut Bildungsministerium mindestens 570 Lehrer im System (bei 14100 Lehrern insgesamt). Rechnerisch ist der vorläufige Wert zwar leicht besser als beim Schuljahresstart 2022 (92 Prozent). Grund dürfte aber vor allem die Einführung einer im Frühjahr beschlossenen, zusätzlichen Unterrichtsstunde pro Woche für alle Lehrer sein.
Ziel der Koalition aus CDU, SPD und FDP ist eine Unterrichtsversorgung von 103 Prozent. Bei 100 Prozent geht man davon aus, dass Unterricht auch bei Erkrankung einzelner Lehrer ohne Ausfall erteilt werden kann.
Bildungsministerin rechnet erst in den 2030er Jahren mit wirklicher Entspannung
Dass das 100-Prozent-Ziel bald in Reichweite kommt, daran glaubt selbst Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) nicht. Im Gegenteil: „Ich glaube nicht, dass die Talsohle durchschritten ist“, sagte Feußner gestern auf die Frage eines Journalisten bei einer Pressekonferenz in Magdeburg. Grund: Bis Ende der 2020er Jahre dürften die Schülerzahlen weiter steigen. Gleichzeitig bleibe der Einstellungsbedarf wegen hoher Abgangszahlen älterer Lehrer von 800 bis 1000 pro Jahr hoch.
So ist es auch in diesem Jahr. Mit 213000 Schülern starten fast 4000 Schüler mehr ins neue Schuljahr als im vergangenen Sommer. Eine Grund ist der Zuzug von Flüchtlingen. Allein aus Ukraine lernen rund 5400 Kinder und Jugendliche an den Schulen.
Sekundarschulen stehen am schlechtesten da / Comenius-Schule in Salzwedel muss Stundentafel kürzen
Der Anstieg der Schülerzahl mindert dann auch bereits den Positiv-Effekt durch die zusätzliche Pflichtstunde. Immerhin hat das Land in diesem Jahr bereits 883 neue Lehrer einstellen können. Im Vorjahr waren es 1200. Sie gehe davon aus, dass die Bilanz von Einstellungen und Abgängen derzeit nicht negativ ausfalle, sagte Feußner.
Dennoch: Was die Zahlen im Einzelfall bedeuten können, zeigt die Comenius-Ganztagsschule Salzwedel. Laut Leiterin Doris Beneke liegt die Unterrichtsversorgung an der Schule mit 350 Schülern bei nur 67 Prozent. Dabei werde noch eine Kollegin einberechnet, die gar nicht anwesend sei. Die Folge: Kürzungen in der Stundentafel. „Wir bemühen uns, alle Fächer zu bedienen, mit Ausnahme von evangelischer Religion“, sagte Beneke. Aber selbst im Fach Deutsch habe man die Stundenzahl bereits reduzieren müssen. Die zweite Fremdsprache werde klassenübergreifend unterrichtet.
Feußner räumt Probleme ein: Man könne auch in diesem Schuljahr nicht sagen, ob man alle Pflichtstunden erfüllen könne, sagte sie. Die Ministerin versprach aber gegenzusteuern: Helfen sollen neben der Extra-Stunde für Lehrer auch Abordnungen von den besser versorgten Gymnasien an Sekundarschulen.