Investitionsstau Sachsen-Anhalt Magdeburger Ring: Etliche Brücken müssen abgerissen und neu gebaut werden - doch wie bezahlen?
In den nächsten Jahren kommen auf Sachsen-Anhalts Kommunen gigantische Ausgaben zu. Viele wissen noch nicht, wie sie das schultern sollen.
Magdeburg - Der Investitionsstau bei Gemeindestraßen liegt in Sachsen-Anhalt bei vier Milliarden Euro, ergab ein Gutachten des Deutschen Instituts für Urbanistik. Hinzu kommt eine weitere Milliarde Euro bei Kreisstraßen. Auch bei Landes- und Bundesstraßen sind in Sachsen-Anhalt Hunderte Millionen Euro an Investitionen nötig.
So muss Magdeburg auf dem viel befahrenen Ring zwölf marode Brücken abreißen und völlig neu errichten. Weitere Brücken benötigen dringend ein neues Leitplanken-Rückhaltesystem. Aktuelle Kostenschätzung: 103 Millionen Euro. Dauert es länger, kostet es in fünf Jahren schon 132 Millionen Euro, schreibt Oberbürgermeisterin Simone Borris.
In Coswig (Kreis Wittenberg) ist bereits eine Brücke voll gesperrt, die Brücke in Hassel (L 16 / Stendal) halbseitig. Grund: Spannungsrisse. Neubauten sollen „circa 2025“ erfolgen, teilt das Verkehrsministerium mit. Für Landesstraßen hat das Ressort im Jahr 90 Millionen Euro im Etat. Doch wegen des Preisgalopps „würden aktuell mehr als 100 Millionen Euro jährlich gebraucht“, sagt Ministerin Lydia Hüskens (FDP). „Für 2024 haben wir deshalb einen Inflationsaufschlag angemeldet.“
Erheblichen Baubedarf gibt es auch auf Gemeinde-Ebene.
Wer von der Bundesstraße 180 nach Hakeborn abbiegt, wird durchgerüttelt. Grobes Kopfsteinpflaster strapaziert Bandscheiben und Achsen, am Rand der Holperpiste kleben ein paar Asphaltreste. „Die Straße ist immer noch in jedem Navi drin – aber nicht zu empfehlen“, sagt Verbandsgemeinde-Bürgermeister Michael Stöhr. Die Rüttelstrecke firmiert immerhin als Kreisstraße. Der zuständige, aber klamme Salzlandkreis bot nun an, mit kleinerem Budget diese als Fahrradstraße herzurichten. Die Autofahrer sollen die nächste, drei Kilometer entfernte Straße als Zubringer ins Dorf nutzen. „So weit sind wir schon“, sagt Stöhr. Die Gemeinde will durchsetzen, dass die Fahrradstraße – wenigstens im Notfall – auch für Autos frei bleibt.
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Das ist kein Einzelfall. In Egeln, dem Sitz von Stöhrs Verbandsgemeinde, sind zwei marode Brücken seit Jahren nur einseitig befahrbar. Die stünden zwar oben auf der Prioritätenliste, schreibt die Kreis-Pressestelle – aber die Mittel seien begrenzt. 2,6 Millionen Euro erhalte der Kreis fürs Straßennetz 2023 vom Land überwiesen. Der Bedarf liege aber bei 40 Millionen.
Sachsen-Anhalt: Budget für Straßenbau - das Doppelte wäre nötig
Die Landkreise erhalten aus der Landeskasse fürs Straßennetz im Jahr 30 Millionen Euro. „Nötig wäre etwa das Doppelte“, sagt Heinz Lothar Theel, Geschäftsführer des Landkreistages. Denn der jährliche Verschleiß – also die Abschreibung – liegt schon bei 50 Millionen Euro. 2022 war das Land spendabler und überwies die Wunschsumme von 60 Millionen. „Da hat es auch mal richtig geruckt“, sagt Theel. 108 Straßen- und Brückenbauten wurden mit der Summe angeschoben. Doch nun müssen die Kreistage ihre Bauprogramme schon wieder begrenzen.
In den Gemeinden sieht es nicht besser aus. 2020 wurden zur Freude der Anlieger die oft teuren Straßenausbaubeiträge abgeschafft, seitdem können Gemeinderäte Straßensanierungen beschließen, ohne Streit mit den Bürgern im Nacken zu haben. Doch einfacher wurde es dennoch nicht – im Gegenteil. Zum Ausgleich für die weggefallenen Beiträge erhalten die Gemeinden aus der Landeskasse pauschal 15 Millionen Euro pro Jahr. Das Problem: Die Baukosten sind laut Baupreisindex seit 2020 um fast 40 Prozent nach oben geschossen. „Die 15 Millionen Euro reichen daher hinten und vorne nicht“, sagt Andreas Dittmann, Bürgermeister von Zerbst und Präsident des Städte und Gemeindebundes.
Bürgermeister Stöhr sieht das gerade an einem aktuellen Fall: In Westeregeln werden 650 Meter Straße samt Gehweg komplett erneuert. Kosten: 655.000 Euro. Gut die Hälfte wird gefördert, 295.500 Euro muss die Gemeinde aus eigener Tasche bezahlen. „Davon hätten wir früher die Hälfte als Ausbaubeitrag bekommen – jetzt erhalten wir vom Land zum Ausgleich gerade mal 28.980 Euro.“
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Das Finanzministerium verweist auf die gestiegenen Investitionspauschalen an die Gemeinden. Die legten von 145 Millionen Euro (2019) auf 200 Millionen Euro zu. „Doch davon müssen wir alle Investitionen schultern: Kindergärten, Turnhallen, Feuerwehren“, sagt Bürgermeister Dittmann. So lasse sich der Rückstand bei Straßen kaum aufholen.