Entwurfspapier liegt Volksstimme vor Sachsen-Anhalts Koalition plant Untersuchungsausschuss zu Anschlag
CDU, SPD und FDP im Magdeburger Landtag wollen die Umstände der Amokfahrt auf dem Weihnachtsmarkt mit einem Sonderausschuss umfassend untersuchen. Die Landesregierung soll sämtliche Kommunikationsdaten sichern.
Magdeburg - Gut drei Wochen nach der Todesfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt mit sechs Toten und fast 300 Verletzten wollen die Koalitionäre im Magdeburger Landtag in der nächsten Woche einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen, wie die Volksstimme am Dienstag aus Koalitionskreisen erfuhr. Das Gremium soll Umstände und Hintergründe des Attentats am 20. Dezember durch den 50-jährigen Taleb A. umfassend aufarbeiten. Das Entwurfspapier liegt der Volksstimme vor. Der Ausschuss soll klären:
Haben Sicherheits- und Einsatzkonzept Anschlag begünstigt?
1. „Ob und inwiefern bestehende Sicherheits- und Einsatzkonzepte (...) die Durchführung des Anschlags begünstigt“ beziehungsweise ermöglicht haben.
Welche Informationen hatten Behörden wann zu Taleb A?
2. Welche Informationen den Behörden zu welchem Zeitpunkt zu Taleb A. vorlagen. Und warum eventuell vorliegende Informationen nicht dazu führten, dass die Behörden davon ausgingen, dass der Täter eine Straftat von „erheblicher Bedeutung“ begehen könnte oder würde. Außerdem soll geklärt werden, ob Taleb A. Unterstützung oder Beistand für seine Tat erhielt.
Könnten bessere Strukturen bei Sicherheitsbehörden Anschläge künftig verhindern?
3. Ob Änderungen bei Befugnissen und Strukturen der Sicherheitsbehörden geeignet sein könnten, um Anschläge wie diesen künftig zu verhindern.
Warum wurde Taleb A. als Arzt im Landesdienst eingestellt bzw. nicht gekündigt?
4. Ob den Behörden Informationen vorlagen, die Einfluss auf die ärztliche Zulassung von Taleb A. in Deutschland hätten haben können. Und unter welchen Umständen Taleb A. als Facharzt im Maßregelvollzug des Landes angestellt werden konnte beziehungsweise, warum dessen Äußerungen im Netz oder auch Gefährderansprachen an ihn nicht dazu führten, dass die Beschäftigung beendet wurde.
Landesregierung soll Kommunikation und Akten aller beteiligten Institutionen sichern
Die Landesregierung soll außerdem veranlassen, dass auf Landesebene ein Moratorium für die Löschung aller Daten, Akten und Dokumente im Zusammenhang mit Taleb A. greift. Außerdem soll die digitale Kommunikation aller beteiligter Behörden, darunter Veranstalter, Stadt und Polizei, gesichert werden.
Bestehende Sicherheitslücken für den Weihnachtsmarkt wären natürlich schnell zu schließen. Das ist ein fließender Prozess.
Rüdiger Erben, SPD-Innenpolitiker
Ministerpräsident Reiner Haseloff will in der kommenden Woche im Landtag eine Regierungserklärung zum Thema abgeben, wie die Staatskanzlei der Volksstimme bestätigte. CDU-Fraktionschef Guido Heuer sagte zum Papier: „Die Opfer haben einen Anspruch auf lückenlose Aufklärung.“ Dem wolle man nachkommen. „Es darf nicht einmal im Ansatz ein Zweifel daran aufkommen, dass das auch passiert“, betonte Heuer. Man wisse, dass sowohl Veranstalter als auch Stadt und Sicherheitsbehörden dabei beleuchtet werden müssen.
Konsequenzen aus dem Anschlag seien nicht erst nach einem Abschlussbericht zu ziehen, ergänzte SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben: „Bestehende Sicherheitslücken für den Weihnachtsmarkt wären natürlich schnell zu schließen.“ Dasselbe gelte für eine mögliche Änderung des Polizeigesetzes, um die Weitergabe von Daten zu potenziellen Gefährdern wie Taleb A. künftig zu erleichtern.
FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack sagte: „Ziel muss es sein, aus dem Anschlag von Magdeburg zu lernen. Ein Untersuchungsausschuss darf deshalb nicht allein der rückblickenden Schuldzuweisung dienen, sondern muss aktiv Lösungen für die Zukunft entwickeln."
Koalition: Aufklärung im „dringenden öffentlichen Interesse“
Die Koalition schreibt zum Abschluss in ihrem Papier: „Es liegt im dringenden öffentlichen Interesse und ist deshalb selbstverständlich, dass die Sachverhalte, Hintergründe, gegebenenfalls auch Missstände, die unmittelbar und mittelbar zu der schrecklichen Tat führten, sachlich aufgeklärt und transparent öffentlich gemacht werden.“