Corona-Verordnung Schulen in Sachsen-Anhalt wieder komplett auf? Der Druck auf die Landesregierung wächst.
Vor Beratungen von Sachsen-Anhalts Landesregierung über die neue Corona-Verordnung wächst der Druck von Ärzteverbänden und Opposition, die Schulen wieder vollständig zu öffnen.
Magdeburg - Wenn das Kabinett am heutigen Donnerstag über die neue Corona-Verordnung für Sachsen-Anhalt berät, wird sie neben der Festlegung von Bedingungen für Restaurant- und Café-Öffnungen auch Antworten auf die Frage finden müssen: Wie weiter in den Schulen?
Noch gilt bei sinkenden Inzidenzen in 9 von 14 Kreisen die „Notbremse“ des Bundes – mit Wechselunterricht. In fünf Kreisen liegt der Wert lange genug unter der Inzidenz von 100. Hier gilt die Landesverordnung mit Wechselunterricht in weiterführenden Schulen sowie Präsenzunterricht in Grundschulen – ohne Anwesenheitspflicht. Hier könnte das Land lockern.
Die Erwartungshaltung ist hoch: Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) im Bund hatte die Corona-Politik von Bund und Ländern erst Dienstag scharf kritisiert: „Es gibt psychiatrische Erkrankungen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben“, sagte Sprecher Jakob Maske. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien seien voll. „Dort findet Triage statt.“ Als Grund macht der Verband pauschale Schul- und Kitaschließungen aus.
Die Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) forderte: „Es ist absolut notwendig, für Kinder wieder ein normales soziales Leben zu ermöglichen.“ Zahlen der Barmer deuten darauf hin, dass es in Sachsen-Anhalt in der Tat eine Zunahme psychischer Belastungen bei Kindern gibt. 8 von 10 Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten gaben laut Kasse in einer Umfrage der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer (OPK) an, dass Anfragen Hilfesuchender im zweiten Lockdown deutlich zunahmen.
Auch das Klinikum Magdeburg meldete auf Anfrage mehr ambulante Patienten. Belastbare Zahlen gebe es aber noch nicht.
Linke-Fraktionschef Thomas Lippmann sagte: Wenn es im Land angesichts niedriger Inzidenzwerte, fortschreitender Impfungen und flächendeckender Testmöglichkeiten für verantwortbar gehalten wird, bei Inzidenzen über 50 Restaurants und Cafés auch innen zu öffnen, gibt es keinen Grund, weiterführenden Schulen weiter Wechselunterricht zu verordnen. „Hier werden die falschen Prioritäten gesetzt“, sagte er.
Kinder-Psychiater im Land sind mit der Kritik der Kinderärzte im Bund nicht glücklich: „Corona ist nur das ’Brennglas’ für Probleme, die zuvor schon vorhanden waren“, sagte Tilo Kranepohl, Chefarzt der Salus-Fachklinik in Bernburg.
Hans-Henning Flechtner, Vize-Präsident der Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Klinikdirektor am Uniklinikum Magdeburg, sagte: Das Bild der Triage aus der Notfallmedizin sei falsch. „So etwas gibt es in der Psychiatrie nicht.“ Auch seien Belastungen für Kinder nicht gleich Erkrankungen. Und: Die Auslastung psychiatrischer Einrichtungen sei regional sehr verschieden. Richtig sei, dass Schulöffnungen wieder stärker in den Blick genommen werden müssten.