Lehrermangel Schulen fehlen pro Woche fast 10.000 Stunden
Die Zahl erteilter Stunden in Sachsen-Anhalt ist deutlich gesunken. Die Linke spricht von einem "historischen Tiefststand".
Magdeburg l Es ist erst wenige Tage her, dass Marco Tullner (CDU) öffentlichkeitswirksam den 1000. Lehrer seit seinem Antritt als Bildungsminister im April 2016 im Dienst begrüßte. Das Land habe seit Beginn der Wahlperiode so viele Lehrer eingestellt wie nie, sagte Tullner davor und danach mehrfach. Jetzt zeigt sich: Die Einstellungen des Ministeriums genügen nicht, um den Lehrermangel in Sachsen-Anhalt zu entschärfen – im Gegenteil. Im Vergleich zum vorigen Schuljahr ist die Zahl der tatsächlich erteilten Unterrichtsstunden sogar gesunken. Das geht für die Linke aus einer Antwort des Bildungsministeriums auf eine Kleine Anfrage hervor.
So hat sich die Zahl der besetzten Lehrer-Vollzeitstellen seit September 2016 zwar leicht von 14.351 auf 14.382 erhöht - ein Plus von 31 Stellen. Gleichzeitig nahm die Schülerzahl aber um 1800 zu, und: Die Zahl der Lehrer, die wegen Langzeiterkrankungen ausfiel, erhöhte sich (von 361 auf 404) ebenso wie die Zahl der Pädagogen in Elternzeit (von 167 auf 261). Im Ergebnis sei der tatsächlich pro Woche erteilte Unterricht von rund 302.000 Stunden im vergangenen September um mehr als 6000 auf 295.500 Unterrichtsstunden im September 2017 gesunken, so Linken-Fraktionschef Thomas Lippmann. Hinzu kämen rund 3000 Unterichtsstunden, die für die zusätzlichen Schüler erforderlich wären. „Im Vergleich zum Schuljahr 2016/17 fehlen somit Woche für Woche fast 10.000 Unterrichtsstunden“, sagt Lippmann. Das entspreche einem Abbau von drei Prozent des gesamten Unterrichts in nur einem Jahr und sei „ein historischer Tiefststand bei der Unterrichtserteilung im Land“.
Das Bildungsministerium sieht das anders: „Von einem historischen Tiefststand bei der Unterrichtserteilung kann nicht die Rede sein“, sagte Sprecher Stefan Thurmann gestern. So habe die Unterrichtsversorgung – sie gibt den Grad der Ausstattung der Schulen mit Lehrpersonal an – zu Anfang dieses Schuljahres landesweit bei 101 Prozent gelegen. 2016 lag der Wert noch bei 100,3 Prozent. Allerdings seien die Befunde auch für das Bildungsministerium „nicht im Ansatz zufriedenstellend“. Ziel bleibe eine Unterrichtsversorgung von 103 Prozent, wie von der Kenia-Koalition vereinbart.
Eine Volksinitiative, der auch die Linke als Mitinitiator angehört, fordert derzeit die sofortige Einstellung von 1000 zusätzlichen Lehrern und 400 pädagogischen Mitarbeitern, um die Personalnot an den Schulen zu entschärfen. Nach Anhörung empfahl der Petitionsausschuss, schon ab 2019 Stellen zu besetzen, deren Ausschreibung ursprünglich erst für 2020/21 vorgesehen war. Für Lehrer, die etwa durch Elternzeit ausfallen, soll es außerdem kurzfristig Ersatz geben. Der Landtag will im Januar über die Vorschläge abstimmen. Die Linke fordert die Einstellung von mindestens 1200 neuen Lehrern zum neuen Schuljahr.