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Leseranwältin Artikel erfordern keine Freigabe

Grundsätzlich haben Gesprächspartner von Journalisten kein Recht darauf, dass Ihnen Artikel vor Erscheinen zur Freigabe vorgelegt werden.

Von Heike Groll 29.10.2023, 16:04
Leseranwältin Heike Groll
Leseranwältin Heike Groll Foto: Volksstimme

Diese Situation hat jeder Journalist bei der Recherche schon erlebt: Der Informant gibt bereitwillig Auskunft auf neugierige, beharrliche, einfache und schwierige Fragen – und verlangt am Ende des Gesprächs: „Den Artikel will ich aber vorher lesen, bevor Sie ihn veröffentlichen.“ Wie geht man damit um?

Grundsätzlich haben Gesprächspartner, geschweige denn irgendwelche Behörden, Institutionen oder Parteien, kein Recht darauf, dass ihnen Redaktionen geplante Beiträge vor Erscheinen zur Freigabe vorlegen. Allein die Redaktion entscheidet, was sie in welcher Form und mit welcher Formulierung veröffentlicht. Anders wäre die vom Grundgesetz garantierte freie und unabhängige Berichterstattung nicht möglich.

Interviews als Ausnahme

Doch dürfen Journalistinnen und Journalisten von sich aus ihre Texte zum sogenannten Gegenlesen an Informanten herausgeben? Gesetzlich verboten ist das nicht. Seriöse Redaktionen sind aber gut beraten, diese Option sparsam und mit Bedacht zu ziehen. Das geschieht vor allem in zwei Fällen: zum einen bei Wortlaut-Interviews bzw. wörtlichen Zitaten. Zwar gibt es auch hier juristisch kein Recht auf die so genannte Autorisierung. Anders als etwa in den USA ist es hierzulande jedoch üblich, dass Medien sie den Interviewpartnern anbieten.

Zum anderen, um bei sehr komplexen Fachthemen, in denen man als Journalist selbst kein Experte ist, die sachliche Richtigkeit einer Darstellung zu prüfen. Beispiel: Als Nicht-Mediziner hat man sich von einer anerkannten Herz-Spezialistin eine neue Operationsmethode erklären lassen und „übersetzt“ ihre Ausführungen allgemeinverständlich für ein Laien-Publikum. Dann kann es sinnvoll sein, den Artikel vorab noch einmal gemeinsam durchzugehen und sicherzustellen, dass die OP-Methode sachlich korrekt beschrieben ist.