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Leseranwältin In der Medienlandschaft mehrere Wege beschreiten

08.04.2024, 07:00
Leseranwältin Heike Groll
Leseranwältin Heike Groll VS

Für viele Leser gehört der Griff zur gedruckten Zeitung fest zu ihrem Alltag. Doch das Exemplar auf Papier hat längst Geschwister bekommen. Immer mehr Menschen nutzen das E-Paper oder lesen die Volksstimme auf dem Handy. Digitalisierung der Zeitungslektüre? Da, fürchtet mancher Leser, werde aus Kostengründen kulturelles Erbe aufs Spiel gesetzt.

Der Weg ins Digitale hat unbestritten auch ökonomische Gründe, die allerdings weiter reichen, als die Ausgaben für Papier, Druck und Zustellung zu sparen. Medien können sich auf Dauer nur finanzieren, wenn genügend Menschen bereit sind, dafür zu zahlen: weil Themen aufgegriffen werden, die sie interessieren; weil die Beiträge in einer für sie angenehmen Form angeboten werden.

Die Mediennutzung hat sich über die Jahrzehnte gewandelt. Die Jüngeren sind überwiegend im Internet und in sozialen Medien unterwegs, auch sie müssen wir mit unseren Inhalten erreichen – ohne die ebenfalls große Zahl derer zu verprellen, die die gedruckte Zeitung nicht missen mögen.

Mehrere Wege zu beschreiten, ist also lebensnotwendig. Erstens für den wirtschaftlichen Fortbestand der Zeitung. Zweitens für eine funktionierende Demokratie. Studien für die USA belegen, dass es in Regionen ohne unabhängige Lokalzeitung mehr Wirtschaftskriminalität, mehr Korruption, höhere Haushaltsdefizite gibt. Drittens für die Zusammengehörigkeit in einer Gesellschaft.

Heute findet jeder für seine individuellen Interessen ein Forum im realen oder virtuellen Leben. Das ist ein großer Gewinn. Doch es birgt die Gefahr, dass man sich ausschließlich unter Gleichgesinnten bewegt und das Verständnis für Andersdenkende schwindet. Die Zeitung macht Informationen und Einblicke in andere Lebenswelten für alle zugänglich – und bietet im besten Fall gemeinsamen Gesprächsstoff für Jung und Alt, Studierende und Handwerker, Städter und Landbewohner.

Das ist das eigentliche kulturelle Erbe, das es zu bewahren gilt. Es begann vor 400 Jahren mit der ersten Zeitung auf Papier; es ist und bleibt der Kern in ihren heutigen digitalen Geschwistern.