Leseranwaltin Ist der Journalist persönlich mit dem Thema verflochten?

Journalisten nehmen ihre Aufgabe „unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen“ wahr, so heißt es im Pressekodex. Der Anspruch ist hoch und muss es sein; ob ein Artikel, Foto oder Video in den Augen des Publikums glaubwürdig ist, das steht und fällt mit dem Maß, in dem der Anspruch erfüllt ist. Es muss nicht einmal ein tatsächlicher Interessenskonflikt bestehen, schon der Eindruck wäre schädlich. Dem entsprechend forderten die Berufsregeln bisher schon, Funktionen in Politik, Behörden und Wirtschaft strikt von journalistischen Tätigkeiten zu trennen. Dieses Gebot in Ziffer 6 ist nun erweitert worden.
Redaktionen müssen jetzt ausdrücklich auch prüfen, ob Journalisten oder ihnen nahe Angehörige persönlich mit einem Thema verflochten sind. Das ist der Fall, wenn ein Lokalredakteur über die Kommunalpolitik des Ortes berichtet, in dessen Gemeinderat er sitzt. Oder wenn eine Reporterin über eine Veranstaltung schreibt, die sie mitorganisiert hat. Oder wenn ein Journalist ein Umweltprojekt vorstellt, über das seine Ehefrau als Leiterin der Naturschutzbehörde mitentscheidet.
Klare Regeln – im Alltag umsetzbar? Gerade Lokaljournalismus lebt davon, dass Reporter enge Kontakte in die Region pflegen bzw. selbst dort wohnen. Wie alle Bürger dürfen sie sich in Verein, Feuerwehr oder Partei ehrenamtlich engagieren. Manches erfährt man nur durch solche persönlichen Bande. Dies stur und ohne Blick auf die Umstände zu unterbinden oder gar aufs Berichten zu verzichten, wäre lebensfremd und sogar Journalismus gefährdend. Redaktionen müssen in jedem Einzelfall abwägen, ob die Glaubwürdigkeit bedroht ist. Wenn ein Redakteur vom Schulfest seiner Kinder Fotos macht, wohl kaum. Wenn er den Unterrichtsausfall an dieser Schule beleuchten will, durchaus. Der Pressekodex eröffnet dann zwei Lösungen: Nicht selbst berichten oder den Interessenskonflikt zumindest offenlegen. Das hilft den Lesern und dem Journalismus.