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Apotheken könnten Präparate nur nach Wartezeiten ausgeben Liefernot: Medikamente auf Vorbestellung

Patienten müssen auf ihre Medikamente mitunter lange warten, weil die
Apotheken diese nicht geliefert bekommen. Rabattverträge für die
Arzneimittelversorgung in Deutschland und die globalisierte Herstellung
sind zwei der Hauptursachen.

Von Steffen Honig 06.02.2014, 02:19

Magdeburg l Wenn Undine Lippelt von "Defekten" spricht, ist wieder mal ein Medikament nicht lieferbar. Die Mitarbeiterin der Magdeburger "Sonnen-Apotheke" ist für die Bestellungen der Arzneimittel zuständig. Ein zunehmend schwieriger Job.

Denn Lieferengpässe sind keine Ausnahme mehr, sondern bei manchen Heilmitteln schon fast die Regel: Das betrifft Antibiotika, Schilddrüsen-Präparate, bestimmte Krebsmedikamente oder Impfstoffe. Lippelt: "Dann lösen wir einen Dispositionsauftrag beim Großhandel aus, damit der Patient versorgt werden kann."

Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr

Medikamente auf Vorbestellung heißt das also. Die Wartezeiten können bis zu einem halben Jahr lang sein. Im Moment ist gerade das Antibiotikum Cefixm nicht zu bekommen.

Ronald Hähniche von der Wolmistedter "Adler-Apotheke" bestätigt die Erfahrungen der Magdeburger Kollegin. Er nennt ebenfalls Schilddrüsenhormone als knappes Gut und erklärt: "Wir versuchen natürlich, die Medikamente über den Großhandel zu besorgen. Manchmal müssen wir auch direkt über die Herstellerfirma gehen."

Die Gründe für den Mangel seien unterschiedlich, sagt der Wolmirstedter Apotheker. Eine Ursache liege in den Rabattverträgen zwischen Krankenkassen und den Herstellern. Die durch ihr günstiges Preisangebot zum Zuge gekommenen Produzenten kämen mitunter mit der Lieferung nicht nach.

Hoher Kostendruck bei Medikamenten

Für Mathias Arnold, Chef des Landesapothekerverbandes, sind die Lieferengpässe bei Medikamenten ein "Drama für Patienten und Apotheken". Besonders kompliziert werde es, wenn keine andere Firma einspringen könne oder die Arznei für den Patienten nicht austauschbar sei.

Matthias Arnold: "Die Rabattverträge sind gewiss ein wichtiger Schritt zur Kostensenkung, dadurch werden Milliarden gespart. Aber es muss gefragt werden, ob sie auch in jedem Fall sinnvoll sind. Was ist mit Präparaten, die nur drei Firmen herstellen?"

Das Rabattsystem ist freilich nicht allein für die Misere verantwortlich. Weltweit gebe es einen sehr hohen Kostendruck. Die dadurch entstandene Zentralisierung sei "anfällig für Ausfälle", erklärt der Apotheker-Chef. "80 Prozent der Wirkstoffe in unseren Medikamenten kommen nicht aus Deutschland, sondern aus Indien und China." Bei den hohen Qualitätsanforderungen könne es vorkommen, dass Kontrolleure aus Deutschland und der EU die Produktion schon mal stoppten. "Eine Ersatzproduktion ist dann schwierig. Den Letzten beißen die Hunde."

Engpässe bei allen Arzneimittelgruppen

Haben es die einzelnen Apotheken schwer genug, die Versorgung zu sichern, bündeln sich bei Großverbrauchern wie Krankenhäusern die Probleme. Stefanie Zibolka, Leiterin der Zentralapotheke des Universitätsklinikums Magdeburg ,erklärt: "In den vergangenen zwei bis drei Jahren ist die Zahl der Lieferengpässe bei Arzneimitteln deutlich gestiegen. Die Engpässe treten meist plötzlich und ohne Vorabinformation der Arzneimittelhersteller auf." Das Problem betreffe alle Arzneimittelgruppen, inklusive Medikamente, die überwiegend zur Behandlung lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen bestimmt sind und für die keine Alternativpräparate verfügbar sind. Dazu zählten Arzneimittel aus der Gruppe der Onkologika und Antibiotika.

Zibolka nennt vielfältige Gründe für die Liefer-Engpässe: Kostendruck, eingeschränkte Kapazität, Qualitätsprobleme und Gewinnmaximierung. "Ein Hauptproblem ist allerdings die zunehmende Marktkonzentration. Für bestimmte Arzneimittel existiert nur ein Produktionsstandort, bei Qualitätsproblemen zeichnen sich unverzüglich Folgen ab", so die Leiterin der Zentralapotheke des Magdeburger Uni-Klinikums.

Regelversorgung fällt zunehmend schwerer

Negative Auswirkungen auf die Patienten gebe es bislang jedoch nicht, erklärt Stefanie Zibolka. Wenn bestimmte Arzneimittel nicht oder nicht ausreichend verfügbar seien, würden "nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung alternative Therapiemöglichkeiten ausgewählt".

Allerdings falle die Regelversorgung zunehmend schwerer, so Zibolka. Daher sei eine Intervention der Politik zwingend notwendig: "Das Problem der Lieferengpässe kann nicht bilateral zwischen den Krankenhäusern und den Pharmaherstellern geregelt werden." Ein wenig tätig war die Politik schon: Eine Internet-Übersicht (siehe Kasten) zeigt, was an Medikamenten schwer oder gar nicht lieferbar ist. Eine Orientierungshilfe - mehr nicht.