1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Luther aufs Maul geschaut

EIL

Reformationsjubiläum Luther aufs Maul geschaut

Prominente aus Kultur und Kirche, Politik und Gesellschaft interpretieren Worte des großen Reformators.

29.10.2016, 23:01

Wittenberg l Martin Luther war Priester, Ehemann, Denker, Kämpfer, Zweifler – und ein expressiver Redner. In der neuen Volksstimme-Serie erzählen Prominente aus Kultur und Kirche, Politik und Gesellschaft, was ihnen die vielen von Luther überlieferten Sprüche heute noch sagen – und was nicht. Die Idee zu der Serie kam von den Kollegen von Deutschlandradio Kultur. Wie zeitgemäß sind Luthers Aussagen 500 Jahre nach der Reformation, die er in Mitteldeutschland angestoßen hat? Die besten Kommentare sind ab Montag jeden Tag auf DLR Kultur über UKW, DAB+ oder im Livestream zu hören.

Wie groß auch die Macht ist, so wird sie doch nicht herrschen, sondern die Weißheit.

Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag: Luther zeigt sich damit als unverbesserlicher Idealist. Ich würde mir wünschen, dass die Weisheit immer regiert. Aber genau deshalb haben wir Demokratie. Weil, wenn nicht tatsächlich demokratisch gewährleistet ist, dass die Menschen auch ihre Interessen einbringen, und das ist dann eben auch das, was man politisch unter Weisheit verstehen sollte, dann regieren mächtige Wirtschaftslobbys, dann werden Entscheidungen über die Köpfe der Menschen hinweg gefällt. Und dann ist es leider um den großen Anspruch, dass Politik Weisheit verkörpert, oft sehr schlecht bestellt.

Es ist die größte Torheit, mit vielen Worten nichts sagen.

Margot Käßmann, Theologin und Botschafterin der evangelischen Kirche: Offen gestanden finde ich, dass Martin Luther damit sehr, sehr recht hat. Wir erleben das doch oft, dass Menschen reden und reden und reden. Und am Ende fragst du dich, was hat er eigentlich überhaupt gesagt? Es ist eine Torheit, weil es einerseits die eigene Zeit verschwendet, aber auch die Zeit von Menschen, die dem zuhören müssen.

Warum furzet und rülpset ihr nicht? Hat es euch nicht geschmecket?

Bürger Lars Dietrich, Musiker und Moderator: Also, die fand ich immer cool, die Verse. Und vielleicht hat mich das auch zum Hip-Hop gebracht, zum Rap. So würde ich fast schon sagen, dass Martin Luther auch ein Vorreiter des Reimes gewesen ist, des fetten Reimes mit Sinn.

Unser Herrgott hat des Öfteren seine schönsten und größten Gaben dem gemeinsten Tier gegeben. Nur die Menschen suchen sie dort nicht.

Charlotte Link, Schriftstellerin: Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass in Tieren viel mehr zu finden ist als wir bereit sind, in ihnen zu sehen. An großen Eigenschaften, wie Liebe, Treue, Loyalität. In dem Moment, in dem wir Tieren positive Eigenschaften zugestehen, werden sie ja ein Mitgeschöpf. Und dann haben wir ein großes Problem. In der Art wie wir mit Tieren umgehen.

Im Trübsal soll man männlich sein.

Horst Evers, Kabarettist und Buchautor: In meinem Bekanntenkreis zumindest ist es so, dass die Männer deutlich die Wehleidigeren sind. Luther mag viele Stärken gehabt haben, das Frauenbild war jetzt nicht unbedingt seine ganz große Stärke.  Heute müsste man eigentlich sagen: Im Trübsal soll man weiblich sein. Also damit vernünftig umgehen, damit nach vorne schauen.

Ich bin reich, wenn ich nicht viel habe, weil ich das Meine genieße.

Till Brönner, Jazztrompeter: Das ist ein Satz, der strotzt vor Weisheit. Wenn man das, was man hat, ganz gut findet, dann ist man auf der Linie von Quincy Jones gelandet, der sagt: Du musst wissen, wer du bist, und dann musst du dich lieben wie du bist. Dann kannst du jemanden anders lieben.

Der Mensch bleibt närrisch bis ins vierzigste Jahr; wenn er dann anfängt, seine Narrheit zu erkennen, so ist das Leben schon dahin.

Daniel Kehlmann, Schriftsteller: Dieser Spruch hat Luthers wunderbare scharfsichtige Gnadenlosigkeit. Also ich bin ja jetzt 41, da betrifft mich dieser Spruch ja sehr. Man hat eigentlich um das 40. Jahr herum ein klareres Bild davon, wer man selber ist. Man sucht nicht mehr. Das ist auch das Problem. Deswegen werden viele Leute auch ab 40 so schrullig. Weil sie nicht mehr an sich arbeiten, sondern sich selber ihre Seltsamkeiten erlauben.

Eine Frau ist der beste Gefährte fürs Leben.

Dominique Horwitz, Schauspieler und Sänger: Ein sehr interessanter Spruch, denn für mich stimmt er. Also meine Frau, meine jetzige Frau, ist der beste Gefährte fürs Leben. In meinem früheren Leben war es nicht der Fall.