1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Marode: So sieht es im schlechtesten Dienstgebäude der Polizei aus

LIVETICKER & VIDEOS

Gewerkschaft verleiht Magdeburger Revier Schmuddel-Titel / Innenminister verspricht schnelles Handeln Marode: So sieht es im schlechtesten Dienstgebäude der Polizei aus

Von Peter Ließmann 25.01.2012, 12:06

Das Polizeirevier Magdeburg ist seit gestern das "schlechteste Dienstgebäude" der deutschen Polizei. Die Polizeigewerkschaft hat dem Revier diesen zweifelhaften Titel verliehen – aus Protest.

Altstadt. Diese Aussage ist mit Sicherheit nicht gewagt: Es gibt im ganzen Land kein Rathaus, kein Landratsamt, keine Landesbehörde, geschweige denn ein Ministerium, das so aussieht wie das Polizeirevier Magdeburg. Und seit gestern ist es auch gewerkschaftsamtlich: Das Polizeirevier Magdeburg ist "das schlechteste Dienstgebäude der Polizei in Deutschland".

Heike Sack vom Kriminaltechnischen Dienst hebt einen Blumentopf von der Fensterbank ihres kleinen Büros. Erst dadurch wird sichtbar, dass das Fenster mit mehreren Zeitungsblättern abgedichtet ist. "Sonst pfeift der Wind durch und der Regen", sagt Heike Sack. An den Autolärm von der Hallischen Straße habe sie sich gewöhnt. Wären da keine Computer auf den Schreibtischen, man könnte annehmen, gerade einen Zeitsprung in die DDR vor 25 Jahren erlebt zu haben. Dieselben Büromöbel, Fußbodenbeläge, sogar der typische PVC-Geruch von Honeckers Amtsstuben liegt noch in der Luft.

Revierleiter Walter Seifert führt durch seine Dienststelle. Alte Heizungen, alte Sanitäranlagen, Wasserflecken an den Decken, verschlissene Fenster und Türen, eine Fassade, die nicht nur an sehr vielen Stellen bröckelt, sondern an der noch nicht einmal die Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg beseitigt wurden. In einigen Aufenthaltsräumen haben die Kollegen selbst irgendwann zu Pinsel und Farbe gegriffen, damit wenigstens die Wände etwas wohnlicher wirken. Und wenn es regnet, laufen viele Kollegen erst einmal in den Sanitärraum – Papier holen, um die Pfützen von den Fensterbänken zu wischen.

"Und das ist kein Witz", sagt ein Polizeibeamter. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass dieses Polizeirevier ein riesiges Provisorium ist, in dem seit 50 Jahren nicht mehr richtig renoviert, sondern nur noch ausgebessert wurde.Schon in der vergangenen Woche hat die Gewerkschaft der Polizei Alarm geschlagen, gestern dann auch ernst gemacht. In der Hallischen Straße vor dem Revier steht jetzt ein Schild mit der Aufschrift "Polizeirevier Magdeburg – Schlechtestes Dienstgebäude der Polizei in Deutschland". Das Schild ist groß, lässt sich also nicht verstecken. Das sei auch der Sinn des Ganzen, sagt Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft. "Wir wollen den Bürgern zeigen, was hier los ist und sie dafür gewinnen, mit der Polizei für ein vernünftiges Dienstgebäude zu kämpfen." Sein Kollege, DPolG-Landesvorsitzender Wolfgang Ladebeck, spricht von "einem Schandfleck für Sachsen-Anhalt und für die Stadt". Er nennt die Bedingungen, unter denen im Magdeburger Revier gearbeitet wird, "katastrophal".

<6>Diese Botschaft scheint bei der Landesregierung angekommen zu sein. Innenminister Holger Stahlknecht kam gestern selbst zur Enthüllung des "Schandfleck-Schildes" und versprach Besserung. Bauanträge würden jetzt umgehend vorbereitet, erste Maßnahmen sollen folgen, möglichst noch vor dem Winter. Ob das klappt, könne er allerdings nicht wirklich versprechen. Auf der Prioritätenliste der großen Baumaßnahmen des Landes liege das Magdeburger Polizeirevier unter den vorderen Plätzen. Rund 7,8 Millionen Euro wären für die Sanierung des Hauses 4 (Hallische Straße) erforderlich, rund 50 Millionen Euro für den gesamten Gebäudekomplex.

<7>Da müsse man dann doch darüber nachdenken, wie ein Gesamtkonzept für das Revier aussehen könnte, so der Minister.

Ist die Polizeigewerkschaft mit dieser Aussage zufrieden? "Es ist schon bemerkenswert, wenn der Innenminister sofort reagiert und sich sogar selbst der Diskussion stellt", sagt DPolG-Chef Rainer Wendt. Das lasse hoffen und Stahlknecht bringe sich damit auch in der Öffentlichkeit unter Zugzwang.

Heike Sack und ihre Kolleginnen und Kollegen würde es freuen, hätten dann doch die Abdichtungsaktionen für ihre Bürofenster ein Ende.