Maskottchen Das Krokodil im Wasserwerk Colbitz
Krokodil Theophila ist in den vergangenen 44 Jahren zu einem Maskottchen in Colbitz geworden. Es lebt im Wasserwerk.
Colbitz l Es war einmal ein Krokodil. Das hieß Theophila. Eigentlich kam es aus Afrika. Doch es hatte sich an einer unübersichtlichen Gabelung verschwommen und war zufällig in einem Wasserwerk in Sachsen-Anhalt gelandet. Der Kulturschock für Tier und Wasserwerk hielt sich glücklicherweise in Grenzen. Denn Theophila war ein schlaues Reptil und wollte sich nützlich machen. Da Wasser sein Element war, half es fortan, die Qualität des Wassers im Werk zu kontrollieren. Es schwamm unermüdlich im System des Wasserwerks auf und ab. Bei Beanstandungen erstattete es Meldung. Dann mussten die Wasserfachleute nachbessern. Mensch und Reptil arbeiteten so hervorragend zusammen, dass das Trinkwasser aus der Colbitz-Letzlinger Heide schon bald im Ruf stand, eines der besten Wasser deutschlandweit zu sein. Und das lag nicht zuletzt am feinen Näschen Theophilas.
Peter Bogel muss lachen. Der 59-Jährige ist Pressesprecher der Trinkwasserversorgung Magdeburg GmbH (TWM). Der Wasserfachmann ist es gewohnt, Fragen zu Theophila zu beantworten. Und er ist geübt darin, mit Legenden wie eben jener, dass Theophila die Wasserqualität in Colbitz mitverantwortet, aufzuräumen. Seitdem die Krokodildame in Wasserwerk Colbitz zu Hause ist, seit 1976, werden Geschichten erzählt und weitergesponnen. Die eine ist wahr, andere haben ein Eigenleben entwickelt.
Fakt ist: Die 44-jährige Reptildame ist das Aushängeschild des Wasserwerks. „Aber sie prüft bestimmt nicht unsere Wasserqualität, das übernimmt dann doch unser akkreditiertes Labor“, sagt Peter Bogel. Wahr wiederum ist, so der TWM-Sprecher: Das Wasser aus der Colbitz-Letzlinger Heide hat eine besonders hohe Qualität, aber dazu später mehr.
Zunächst einige Details zur Kroko-Legendenbildung. Auch wenn es sich beim „Krokodil im Wasserwerk“ eher nach dem Titel eines Kinderbuchs anhört: Theophila existiert leibhaftig. Generationen von Wasserwerk-Besuchern, Schülern und Kita-Kindern aus Sachsen-Anhalt können es bestätigen, denn sie haben das knapp vier Meter lange Tier bei einer Führung oder bei einem Tag der offenen Tür begutachtet.
Die TWM zeigt im Jahr rund 2500 Besuchern das Werk und erläutert, wie die Wasseraufbereitung funktioniert. Ein Abstecher zu Theophila darf in der Regel nicht fehlen.
Doch wie kam das Krokodil eigentlich nach Sachsen-Anhalt? Der Magdeburger Ingenieur und ehemalige Leiter des Wasserwerks, Gunter Hellmann, war 1973 mit weiteren Kollegen zum Aufbau der Wasserversorgung ins westafrikanische Mali, in die Stadt Kayes, delegiert worden. Sie erledigten ihre Aufgabe mit Bravour, in Kayes zeugt sowohl das nach wie vor bestehende Wasserwerk wie auch eine Rue Magdeburg vom Aufenthalt der Wasserprofis.
Weil die Dankbarkeit groß, die finanziellen Mittel indes beschränkt waren, behalf man sich mit einem besonderen Präsent. Das Krokodil wird in Mali als Wappentier verehrt. Folgerichtig erhielt Hellmann das Baby-Reptil als Dankeschön. In einer Kiste, unter etwas zweifelhaften Bedingungen, überstand es die Flugreise in die neue sozialistische Heimat.
Zuerst landete das 23 Zentimeter kurze Reptil nach einem anstrengenden Flug via Berlin in der Unternehmenszentrale in Magdeburg. 1974 war das. Als man keinen Platz für das heranwachsende Tier mehr hatte, gelangte es 1976 nach Colbitz. Dort eingetroffen, kam Hellmann zunächst einmal ins Grübeln: Was tun mit dem nun bereits 53 Zentimeter langen Krokodil? Unter anderem der Magdeburger Zoo musste passen. Kein adäquates Terrarium.
Also doch eine neue Heimat am Rande der Colbitz-Letzlinger Heide? Man überlegte, ob der neue Kollege mit der Schnappatmung in einem Terrarium in Sichtweite der Kantine untergebracht werden könnte. Die Kantinenfrauen fanden das nicht so lustig. Verständlich. Letzten Endes fanden die Wasserwerker eine Lösung. Kurzerhand bauten sie ein eigenes kleines Domizil für das Nilkrokodil – unter der Treppe im Betriebsgebäude. Die neue Heimstatt in Colbitz war perfekt.
Etwas ungemütlich wurde es für den Jäger aus Afrika noch einmal Anfang der 90er Jahre. Um erweiterten Vorschriften gerecht zu werden, musste 1998 ein größeres Terrarium her. Darin lebt er bis heute. Ein Spezialist kümmert sich regelmäßig um das Wohlergehen der gebürtigen Malierin.
Apropos. Wie heißt er denn nun richtig, der schuppige Geselle? Theophil oder Teophila? Hellmann hatte nach einer ersten Einschätzung ein männliches Exemplar geschenkt bekommen. Deshalb auch die Namensgebung (in Anlehnung an das Lied „Krokodil Theophil“ des tschechischen Sängers Václav Neckář). Als im Abfluss des Wasserbeckens im Jahr 2003 allerdings ein Ei auftauchte, mussten die Wasserwerker umdenken. Aus Theophil wurde Theophila.
Einmal war die Sorge groß, dass Theophila den Strapazen in Gefangenschaft nicht gewachsen ist. Das Tier rührte sich vier Wochen nicht und lag wie versteinert an einem Fleck. Eigentlich nicht unüblich. „Aber irgendwann haben wir uns dann doch Sorgen gemacht“, erinnert sich Peter Bogel. Bei einer Überprüfung des Beckens stellte sich heraus: Die Fußbodenheizung im Terrarium war ausgefallen. Das kluge Reptil hatte sich, um Energie zu sparen, quasi in den Ruhemodus versetzt. Seitdem wird Theophila noch mehr umsorgt.
Trotz des Aufenthalts in Gefangenschaft: Schlechter als in anderen deutschen Aquarien gehe es der Krokodildame in Colbitz definitiv nicht. Dafür sorgen auch der Leiter des Wasserwerkes, Ingolf Kriegel, und Meister Lutz Seeger. Alle zwei bis drei Wochen wird gefüttert. Hähnchenschenkel und Schweineherz. Das schmeckt dem Kroko ganz besonders gut. Und wie lange wird Theophila dem Wasserversorger noch erhalten bleiben? Locker 80 Jahre Jahre alt könne das Tier werden, hofft Peter Bogel. Das wird der TWM-Sprecher aller Voraussicht nach nicht mehr als aktiver Mitarbeiter erleben.
Auch Theophilas „Ersatzpapa“ Gunter Hellmann, heute 79 Jahre alt, geht inzwischen in seinem Dasein als Pensionär auf. Blicken lässt er sich von Zeit zu Zeit aber immer noch. Der frühere Wasserwerk-Ingenieur ist übrigens davon überzeugt, dass Krokodil Theophila bei seinen Stippvisiten im Wasserwerk angeschwommen kommt, weil es ihn erkennt. Peter Bogel sagt: Wenn Gunter Hellmann da ist, wirke Theophila tatsächlich lebhafter. Noch eine der so sympathischen Geschichten um Theophila – die Biologen in diesem Fall vermutlich ins Reich der Fantasie verweisen würden.
Theophila gehört auf jeden Fall zu Hellmanns Leben. Seinen Aufenthalt und seine Arbeit in Mali hat er mit eindrucksvollen Fotos festgehalten. Die Aufnahmen sind gegenüber von Theophilas Becken an der Wand zu bewundern. Noch nicht so lang ist es her, dass der 79-Jährige entschieden hat, in Sachen „Wasserstandmeldungen“ zum Krokodil etwas kürzer zu treten. Verständlich.
Denn die Presse zeigt an seiner Geschichte schon seit den 70ern reges Interesse. Vort allem an den runden Geburtstagen erfährt Theophila immer wieder aufs Neue besondere Zuwendung. Im kommenden Jahr wird der 45. Geburtstag gefeiert. Dann werden Peter Bogel wieder Presseanfragen aus ganz Deutschland erreichen. Auch ein Rundfunkreporter aus den Niederlanden und viele deutsche TV-Sender waren schon mit Reportern da.
Und im Sommerloch? Da geht eine skurrile Geschichte wie jene von Theophila erst recht immer – wenn ihr nicht gerade ein ausgebüxter Kaiman wie „Sammy“ in einem Baggersee in Dormagen die Show stiehlt. So geschehen 1994. Das war dann doch die Mutter aller Krokodil-meldungen.
Bogel kann die Aufmerksamkeit nur recht sein. Über 15.000 Theophila-Schlüsselanhänger hat der Wasserwerker schon an die Besucher gebracht. Klar: Theophila sei Aushängeschild und irgendwie auch Alleinstellungsmerkmal des regionalen Versorgers. Interessant zu beobachten sei überdies, dass sich über Theophila so viele Leute für das Thema Wasser begeistern ließen. Dafür müsse das Nilkrokodil nicht einmal durch das Wasserwerk tauchen.
Und dann doch noch ein bisschen Werbung zum Schluss: Aus Colbitz kommt nämlich tatsächlich exzellentes Wasser. „Es hat einen niedrigen Salz- und Nitratgehalt, ist frei von Zusatzstoffen und muss nicht desinfiziert werden“, erklärt der Leiter des Wasserwerks, Diplom-Ingenieur Ingolf Kriegel. Stolz ist er auf sein Produkt. Im nächsten Jahr wird zudem mit dem Bau eines Prestigeprojekts begonnen. In Satuelle bei Haldensleben soll ein neues Pumpwerk zur Grundwasseranreicherung aus der Ohre errichtet werden.
Sollte es im Übrigen Menschen geben, die Superkrokodil Theophila noch keinen Besuch abgestattet haben, gibt es jetzt die Gelegenheit. Das Wasserwerk Colbitz veranstaltet am Sonntag, 24. Juni, von 11 bis 17 Uhr, einen Tag der offenen Tür.
Wenn sich die Besucher dann erneut Geschichten über TWM-Maskottchen Theophila erzählen, werden Peter Bogel und seine Kollegen lächelnd danebenstehen – und sicher mit einigen Mythen aufräumen. Und Theophila? Die wird den Trubel wie eh und je mit stoischer Gelassenheit verfolgen.