3000 gefährdete Hausbesitzer in Sachsen-Anhalt sollen Eigenanteil akzeptieren Nach der Flut: Allianz kündigt DDR-Versicherungen
Magdeburg l Nach dem Juni-Hochwasser wird für viele Geschädigte die Versicherung teurer. In Flutgebieten müssen Hausbesitzer mit DDR-Verträgen eine Selbstbeteiligung und höhere Beiträge akzeptieren. Wer ablehnt, bekommt die Kündigung.
Rund 450000 Kunden in den ostdeutschen Bundesländern haben eine Wohngebäudeversicherung, die bereits in der DDR abgeschlossen wurde. 1990 hatte der Münchner Allianz-Konzern das Privatkundengeschäft der Staatlichen Versicherung der DDR übernommen und die Verträge weitergeführt. Viele davon enthalten eine Elementarversicherung, die auch Schäden durch Überflutungen absichert - und das ohne die sonst übliche Eigenbeteiligung. Diese Sonderkonditionen will die Allianz nun für die am meisten gefährdeten Gebiete abschaffen.
Insgesamt 15000 Kunden bekommen jetzt eine Vertragsänderung zu ihren Lasten vorgelegt. Wer nicht bis zum 31. Oktober unterschreibt, hat vom 1. Januar an keinen Versicherungsschutz mehr, kündigt die Allianz an.
Betroffen sind ausschließlich Häuser in Gebieten mit besonders hohem Überflutungsrisiko. In der Gefährdungsklasse 3 (statistisch eine Überschwemmung in zehn bis 50 Jahren) fordert die Allianz eine Selbstbeteiligung von 1500 Euro. In Klasse 4 (statistisch alle zehn Jahre eine Überflutung) sind es 3000 Euro. Wie viele Kunden zusätzlich höhere Beiträge zahlen müssen, konnte die Allianz auf Nachfrage nicht mitteilen.
Die Änderungskündigung bekommen in Sachsen-Anhalt viele Versicherte, die erst im Juni eine Überschwemmung überstanden haben. Der Konzern betont, die Entscheidung sei bereits vorher gefallen. "Die Prämien werden für einen längeren Zeitraum kalkuliert", sagte Allianz-Vorstand Severin Moser. Tatsächlich wurden einige Kunden bereits im Frühjahr informiert.
Das Unternehmen spricht von einem "fairen" Angebot. Ohne die Änderungen sei es nicht mehr möglich, im Ernstfall große Summen an die Betroffenen zahlen zu können, sagte Moser.
Aus der Politik gibt es scharfe Reaktionen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nannte den Schritt am Mittwoch "ein verheerendes Signal für die Eigenvorsorge". Die Landesregierung hatte potentielle Flutopfer aufgefordert, sich zu versichern. "Durch eine solche Aktion werden diese Bemühungen konterkariert und die betroffenen Menschen vor den Kopf gestoßen", sagte Haseloff der Volksstimme. Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) sagte, die Allianz fordere die Politik heraus, über eine Pflichtversicherung zu entscheiden.
Beim Bund der Versicherten hingegen heißt es, eine Eigenbeteiligung bei Elementarschäden sei üblich. "Die Frage ist aber, in welcher Höhe", sagte Sprecherin Bianca Boss. 3000 Euro sei für viele eine enorme Summe. Der Verein rät allen Betroffenen, Angebote von anderen Anbietern einzuholen.
Die DDR-Wohngebäudeversicherung gilt als preiswert, vor allem bei sehr alten Verträgen. "Es gibt Kunden mit einem Vertrag von 1956, da passen die Beiträge und das Risiko nicht mehr", urteilt Allianz-Vertreter Torsten Bertram aus Havelberg. Von seinen 700 Kunden mit Wohngebäudeversicherung hat etwa jeder zehnte einen DDR-Vertrag. Ein kleiner Teil davon wohnt in den gefährdeten Gebieten.
Für die Fortführung der DDR-Police spricht, dass auch Schäden durch Grundwasser versichert sind. Neu abgeschlossene Verträge schließen das in der Regel aus, umfassen allerdings auch sogenannte Grundstücksbestandteile wie Zäune, Müllboxen oder Antennenanlagen.