Eishockey Pondhockey in der Schierker Arena
Im Harz grassiert das Eishockey-Fieber. In der Feuerstein-Arena in Schierke wird zum ersten Mal ein Deutscher Meister im Pondhockey gekürt.
Schierke l Die Eisfläche der Feuerstein-Arena ist blitzblank gewienert. Die Banden mit Sponsorenwerbung sind beklebt, Verkaufs-Zelte und Buden zur Verköstigung der Gäste und Spieler aufgestellt und die Zuschauerplätze von Schnee und Eis befreit. In einer Ecke neben der Spielfläche sind sechs flache, rote Kästen, die als Tore dienen werden, übereinander gestapelt. Sie warten nur darauf, auf den drei Spielfeldern aufgestellt zu werden. In vier Tagen geht es endlich los: Jeder Treffer ein Kracher im Gebälk! Bahn frei für das große Finale der 1. Deutschen Meisterschaft im Pondhockey.
Dieser Sport steht unter der großen Überschrift: „Back to the roots“. Soll heißen, das Eishockey kehrt zu seinen Wurzeln zurück. Und Ralf Herrmann ist der Visionär, der die Brücke von der Tradition einer Sportart, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht, zur Zukunft schlagen will. Die 1. Titelkämpfe im Pondhockey sind sein „Baby“ sozusagen. „Beim Pondhockey wird Eishockey ziemlich nahe an seiner ursprünglichen Form gespielt - mit reduzierter Ausrüstung, ohne Torwart und fast ohne Regeln, dafür mit maximalem Spaß“, erklärt der Dortmunder kräftig die Werbetrommel für seine große Leidenschaft.
Allerdings wird in Deutschland aus klimatischen Gründen nicht mehr auf einem zugefrorenen Teich (englisch: Pond) gespielt, sondern auf Kunsteisflächen. Womit wir auch schon in Schierke angekommen sind. Denn die neue Feuerstein-Arena schien Hermann, ein ausgemachter Experte für Modernisierungen von Eisstadien, wie gemacht für sein ehrgeiziges Projekt. Hier, so sein Plan, sollte eine von drei Qualifikationen stattfinden und auch das große Finale. Um die etablierten Vereine aus dem Süden für seine Vision zu erwärmen, brauchte es einige Überzeugungsarbeit: „Tegernsee in Bayern und Ehrwald in Tirol sind traditionelle Austragungsorte für Pondhockey. Aber Schierke? ,Wo in Gottes Namen liegt das denn?‘ haben mich die Leute gefragt.“
Der 55-Jährige leistete Nachhilfe in Geografie und warf sich für den Ortsteil von Wernigerode ins Zeug: „Mit großem Interesse hatte ich den Bau der Feuerstein-Arena verfolgt, ich war mehrfach vor Ort und begeistert von der futurisch anmutenden Eisarena, die meiner Meinung nach wunderbar in die Landschaft passt.“ Er habe den Bayern die Fotos gezeigt und sie „heiß auf das Eis in Schierke gemacht“, so Herrmann verschmitzt.
In Bernd Riemenschneider fand er einen Gleichgesinnten. Der 70–Jährige ist ein Ur-Gestein des Eishockeysportvereins Schierke und lebt den rasanten, actionreichen Sport wie kein anderer in der Region. „Ich war sofort Feuer und Flamme für das Projekt. Mir lag ja am Herzen, die alten Traditionen fortzuführen und beim ESV wieder Leben in die Bude zu bringen“, so der Vereinsvorsitzende. Beide „Macher“ funkten von Beginn an auf einer Wellenlinie und zogen gemeinsam an einem Strang, sahen sie doch die Chance, mit der Pondhockey-Meisterschaft gleich vier Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Den seit der Jahrtausendwende im Dornröschenschlaf befindlichen Eishockey-Sport in Schierke wachzuküssen. Das Pondhockey in Deutschland bekannter zu machen. Den Tourismus im Harz mit einem sportlich attraktiven Event aufzuwerten. Und nicht zuletzt die durch die explodierenden Kosten in die Negativ-Schlagzeilen gerutschte Feuerstein-Arena in ein positives Licht zu rücken.
Und schon die Generalprobe fürs Finale war ein Erfolg auf ganzer Linie. 20 Teams (12 im Bereich Amateure, acht bei den Profis) trafen sich am 10. und 11. Februar zum dritten Qualifikations-Turnier in Schierke. Die Organisatoren vom ESV, rund 20 freiwillige Helfer an der Zahl, hatten ganze Arbeit geleistet und auch kräftig Werbung gemacht. Rund 600 Zuschauer erlebten die Pondhockey-Premiere. „Das Event war top-organisiert, die Location perfekt gewählt, die Stimmung toll und selbst die Bayern waren hellauf begeistert – was will man mehr“, zollte Hermann der vor Ort geleisteten Arbeit Lob und Anerkennung.
Das Glück perfekt machten die Hauptakteure aus der Region, denn sowohl die „Red Devils“ aus Wernigerode, eine aus dem überaus erfolgreichen Floorball-Team rekrutierte Mannschaft, als auch der ESV Schierke schafften bei den Amateuren den Sprung ins Finale. „In unserer Mannschaft sind alles alte Haudegen von früher“, verrät Riemenschneider. Er habe nicht lange betteln müssen, als es darum ging, ob der ESV als Verein ein eigenes Team ins Rennen schicken will. „Als im September feststand, dass wir das Finale ausrichten, war sofort klar, wir stellen eine eigene Mannschaft. Seitdem haben die Jungs einmal die Woche unter Coach Jörg Horlacher trainiert – erst in Braunlage, dann nach der Eröffnung Mitte Dezember der Feuerstein-Arena in Schierke.“
Der Ehrgeiz hat die Eishockey-Cracks vom ESV schnell gepackt, und mit dem Erfolg geht der Anspruch über den olympischen Gedanken hinaus: „Wir wollen im Finale nicht nur dabei sein, sondern um den Sieg mitkämpfen“, so Riemenschneider, der den Lokalmatadoren durchaus Chancen einräumt. „In der Qualifikation, die auf einem sehr hohen sportlichen Niveau stattfand, haben wir nur knapp das Finale gegen Iserlohn verloren. Das war schon der Wahnsinn, keiner hätte damit gerechnet. Vielleicht gelingt uns im Finale mit den einheimischen Fans im Rücken sogar der große Cup“, hofft er mit Verweis auf den freien Eintritt auf kräftige Unterstützung von den Rängen.
Der Showdown an diesem Wochenende mit 20 Teams, 140 Spielern und den dazugehörigen Fan-Scharen lässt auch den Tourismusverband frohlocken: „Die Pondhockey-Meisterschaft ist ein echter Glücksgriff für den Tourismus im Harz“, urteilt Roman Müller, stellvertretender Geschäftsführer der Wernigeröder Tourismus GmbH. „Schon die Qualifikation war ein Kracher. Die Hotels und Pensionen ringsherum waren ausgebucht. Und beim Finale ist das nicht anders, im Gegenteil. Es wird rappeldickevoll im Harz.“ Riemenschneider, Hermann & Co. kann das nur recht sein. Für sie ist das Signal eindeutig und klar: Das Eishockey im Harz lebt!
Frei aus dem englischen übersetzt haben wir es bei Pondhockey mit Teichhockey zu tun – also das, was unsereins als Kinder im Winter immer gern gespielt haben: Ein zugefrorener See oder Teich, ein paar Freunde, ein Puck, Schlittschuh und Schläger im Gepäck – es kann losgehen! So haben viele heutige Stars ihre Karriere begonnen, und die ersten Tore erzielt.
Grundregeln: Beim Pondhockey heißt es „Back to the roots“: Kein Icing (unerlaubter Befreiungsschlag, kein Tormann. Bodychecks und Schlagschuss sind tabu. Gespielt wird 4 gegen 4. Die Größe des Feldes beträgt 20x30 Meter, die Spieldauer 2 x 10 Minuten. Es wird auf Mini-Kasten-Tore gezielt. Regelverstöße werden mit kleiner (90 Sekunden) oder großer Strafe (Ausschluss vom Turnier) geahndet.
072n Text Infokasten:
1. Deutsche Meisterschaft: Die Qualifikation zu den Titelkämpfen fand an drei Standorten statt – Tegernsee (Bayern), Ehrwald (Tirol) und Schierke (Harz). Hier wird bis zum Sonntag auch das Finale ausgetragen (Vorrunde am 17. März von 9 bis 18 Uhr, Finale am 18. März von 10 bis 15 Uhr). In der Schierker Feuerstein-Arena sind 20 Teams am Start. Gespielt wird in vier Gruppen – unterteilt in Profis und Amateure. Die Startgebühr betrug in der Qualifikation 250 Euro, die Finalteilnahme ist kostenlos. Das Herz der Harzer schlägt beim Showdown natürlich für die Local-Heros vom ESV Schierke und die „Red Devils“ Wernigerode.