Verkauf geht weiter / 1200 Mitarbeiter in Mitteldeutschland von Pleite betroffen Praktiker ist praktisch insolvent
Hamburg (dpa/ts). Mit der Baumarktkette Praktiker ist ein weiteres prominentes deutsches Handelsunternehmen pleite. Wie es weitergeht, wird das Insolvenzverfahren zeigen. Für Kunden ändert sich zunächst nichts, der Verkauf geht weiter.
"20 Prozent auf alles" - diese Rechnung ging nicht auf: Wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit beantragte das Unternehmen am Donnerstag die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Der beim Amtsgericht Hamburg gestellte Antrag erstrecke sich über acht Tochterfirmen in Deutschland sowie auch die Praktiker AG, teilte das Unternehmen mit. Nun strebe Praktiker an, in einem "Regelinsolvenzverfahren" einen Sanierungsplan erstellen zu können. Der Verkauf soll weitergehen.
Die 132 Max-Bahr-Märkte sowie das Auslandsgeschäft sind nicht betroffen. Die Filialen der Vertriebslinien Praktiker sowie Extra-Bau+Hobby sollen im Rahmen eines vorläufigen Insolvenzverfahrens uneingeschränkt fortgeführt werden. Nachdem der Vorstand am Vorabend über gescheiterte Sanierungsverhandlungen informiert hatte, stürzte die Aktie am Donnerstag um rund 70 Prozent ab. Sie erholte sich im Tagesverlauf leicht auf rund 0,14 Euro.
Nach Schätzung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sind in den mitteldeutschen Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen rund 50 Praktiker-Märkte mit insgesamt 1200 Beschäftigten von der Pleite betroffen, in Sachsen-Anhalt selbst mehr als zehn mit zusammen 300 Mitarbeitern. "Das ist eine Tragödie", sagte Verdi-Landesfachbereichsleiter Handel, Jörg Lauenroth-Mago, der Volksstimme.
Laut Verdi seien die Beschäftigten bereit gewesen, für drei Jahre auf jeweils rund fünf Prozent ihres Jahresgehaltes zu verzichten. Ein entsprechender Tarifvertrag war im Oktober 2012 mit der Unternehmensführung abgeschlossen worden. Jetzt müsse man die weitere Entwicklung abwarten und hoffen, dass es einen neuen Investor gibt.
Praktiker wies Ende März knapp 18.000 Vollzeitstellen aus, beschäftigt werden nach Unternehmensangaben aktuell rund 20.000 Mitarbeiter, davon 12.000 im Inland. Je die Hälfte sei bei den beiden Konzern-Marken beschäftigt, teilte ein Sprecher mit.
Das Unternehmen betreibt in Deutschland 315 Baumarkt-Filialen (Stand Ende März). Vorstandschef Armin Burger trieb die Umstellung von Praktiker-Filialen auf die ertragsstärkere Marke Max Bahr voran. Das Unternehmen war auch durch seine fehlgeschlagene Rabattstrategie in eine schwere Krise geraten. Wechselnde Vorstandschefs hatten zuvor versucht, das Unternehmen zu stabilisieren. Zuletzt wurden der Einkauf gestrafft und die Konzernzentrale aus dem Saarland nach Hamburg verlegt.
Verhandlungen über weitere Finanzierungen waren am Vortag gescheitert. OBI will den kriselnden Konkurrenten nicht übernehmen. Die Vertreterin zweier Großaktionäre, Isabella de Krassny, setzt weiter auf eine Rettung. Für die Sanierung müssten rund 80 defizitäre Filialen geschlossen und mindestens 40 Millionen Euro bereitgestellt werden.