Erste Nachrichtenfrau im West-Fernsehen Eine Halberstädterin schrieb TV-Geschichte
Die gebürtige Halberstädterin Wibke Bruhns (1938-2019) schrieb vor 50 Jahren TV-Geschichte: Als erste Frau präsentierte sie im westdeutschen Fernsehen die Nachrichten. Damals erlebte sie Anfeindungen.

Von Grit Warnat
Magdeburg Wenn man mit Wibke Bruhns über ihre bemerkenswerte Vita sprach, dann konnte man diesen 12. Mai 1971 nicht ausklammern. In meinem letzten Interview mit der welterfahrenen Frau, wir sprachen im September 2018 anlässlich ihres 80. Geburtstages (im Juni 2019 starb sie), hatte ich sie nach diesem Tag gefragt. Da war sie als erste Nachrichtensprecherin der Bundesrepublik auf Sendung und eroberte eine Männerbastion. Das kam einer Sensation gleich. Sie erzählte mir, dass sie sich nicht mehr konkret an die Sendung erinnern könne. Aber der nachträgliche Wirbel hatte sich ihr ins Gedächtnis eingebrannt.
Proteste kamen vorallem von Frauen
Aus ihr flossen die Erinnerungen. Wie überraschend dieser Wirbel für sie war, vor allem der Aufruhr. Sie war verblüfft darüber. „Und noch mehr verblüffte mich, dass die heftigsten Negativreaktionen von Frauen kamen. Ich solle gefälligst zu Mann und Kindern gehen. Und wieso ich mich mit Sachen auseinandersetze, von denen ich keine Ahnung hätte“, erzählte sie in unserem Gespräch und sie musste lachen. Schließlich hatte sie schon eine Weile für das ZDF moderiert. „Ich war ja kein Newcomer auf dem Bildschirm. Aber die Zuschauer waren auf Männergesichter wie den ARD-Nachrichtenchef Karlheinz Köpke fixiert“, sagte sie.
Das ZDF hielt an ihr fest. Auch als sie 1972 auf einem Plakat zu sehen war, auf dem stand, dass Willy Brandt Kanzler bleiben müsse. Wibke Bruhns hatte Wahlkampf für Brandt gemacht und zugleich Nachrichten im ZDF gesprochen. Dass da gewaltig Interessen kollidierten, hatte die Journalistin damals nicht so gesehen. „Ich habe immer gesagt, Nachrichtensprecherin zu sein, bedeutet nicht den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.“ Das ZDF jedenfalls reagierte, äußerte sich sogar in der Hauptnachrichtensendung. Man sehe keine Veranlassung, sich von Bruhns zu trennen.
Kritik und Empörung waren nicht der Grund, dass die gebürtige Halberstädterin den Job bald aufgab. Sie erzählte mir, wie stinklangweilig das gewesen sei. „Ich war eine ausgebildete Redakteurin und ich habe nur Texte vorgelesen. Das war mir zu wenig.“
Wie recht sie hatte, zeigte ihr faszinierender beruflicher Lebensweg. Bruhns machte als Journalistin Karriere, war immer mittendrin im politischen Geschehen der Bundesrepublik – wie auch später als Auslandskorrespondentin für das Nachrichtenmagazin „Stern“ in Jerusalem und Washington. Sie schrieb etliche Bücher, arbeitete sich an ihrer beruflichen und ihrer Familiengeschichte ab. „Meines Vaters Land“ – ihr Vater Hans Georg Klamroth wurde als Mitverschwörer am Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 hingerichtet – war ein Bestseller. In „Nachrichtenzeit“ erzählte sie auch über das hartnäckige Gerücht einer Affäre mit Willy Brandt.
Eine Pionierin imFernsehjournalismus
Während im Osten bei der Aktuellen Kamera schon am 8. März 1963 mit Annerose Neumann eine Frau die Nachrichten las, ging der 12. Mai 1971 in die West-TV-Geschichte ein. Kollegen nannten Bruhns eine Pionierin im Fernsehjournalismus. Längst sind im Öffentlich-Rechtlichen wie bei den privaten Sendern Frauen als Nachrichtensprecherinnen selbstverständlich. War sie eine Vorreiterin? „Ich denke, ich habe schon eine Tür aufgemacht. Und das gefällt mir“, sagte Bruhns der Volksstimme ein Dreivierteljahr vor ihrem Tod.