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Landwirtschaft Mit Video: Rübenkampagne läuft - Welche Zukunft hat Zucker aus Sachsen-Anhalt?

Die Zuckerrübe ist in Sachsen-Anhalt fest verwurzelt, aber ihre Verarbeitung erzeugt viel CO2 und die Deutschen essen mehr Zucker, als gesund wäre. Wie die Zuckerfabrik in Klein Wanzleben sich auf die Zukunft vorbereitet.

Von Robert Gruhne Aktualisiert: 21.11.2023, 08:32
Die Bauern in Sachsen-Anhalt roden zurzeit ihre Rüben.
Die Bauern in Sachsen-Anhalt roden zurzeit ihre Rüben. Symbolfoto: dpa

Klein Wanzleben - Laster an Laster reiht sich an der Einfahrt zur Zuckerfabrik in Klein Wanzleben. Es ist November und die Rübenkampagne ist in vollem Gange. Wie jeden Herbst seit fast 200 Jahren bringen die Bauern der Börde ihre Rüben in die Fabrik, wo aus den von der Erde dunklen Früchten das wird, wonach der Gaumen lechzt: feiner, weißer Zucker.

 
Wie jeden Herbst seit fast 200 Jahren bringen die Bauern der Börde ihre Rüben in die Zuckerfabrik in Klein Wanzleben. (Bericht/Kamera: Robert Gruhne, Schnitt: Bernd Stiasny)

Dafür sorgt Meike Kelz. Sie leitet die Fabrik von Nordzucker seit diesem Jahr. Ihr Großvater baute einst Rüben in Domersleben an, einem Nachbarort von Klein Wanzleben. Kelz selbst kommt aus Braunschweig, wo das Unternehmen seinen Sitz hat. „Wir verarbeiten rund 15.000 Tonnen Rüben am Tag“, sagt die Werksleiterin bei einem Rundgang. Von September bis Januar läuft die Zuckerproduktion. Aus der Rübe werden daneben auch Futtermittel, Dünger und Bioethanol.

Zucker wird in Europa aus Zuckerrübe statt Zuckerrohr gewonnen

Das 1994 gebaute Werk in Klein Wanzleben hat 188 Mitarbeiter und gehört nach Angaben von Nordzucker zu den modernsten. Es ist aber auch die Keimzelle des Unternehmens. Hier in Klein Wanzleben gründeten Bauern schon im Jahre 1838 eine Fabrik.

Das Bild zeigt die Zuckerfabrik von Klein Wanzleben um das Jahr 1900. Bereits 1838 gründeten die lokalen Bauern das Werk. Seit 1994 betreibt Nordzucker eine neu errichtete Anlage in dem Bördedorf.
Das Bild zeigt die Zuckerfabrik von Klein Wanzleben um das Jahr 1900. Bereits 1838 gründeten die lokalen Bauern das Werk. Seit 1994 betreibt Nordzucker eine neu errichtete Anlage in dem Bördedorf.
Foto: Nordzucker

Die Zuckerrübe hat in Sachsen-Anhalt eine lange Tradition. „Ich kann mir Sachsen-Anhalt nicht ohne die Zuckerrübe vorstellen“, betont der Landeswirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) bei einem Werksbesuch.

Erst einmal war es aber ein Berliner Apotheker, der im 18. Jahrhundert herausfand, dass es nicht das tropische Zuckerrohr brauchte, um Zucker zu gewinnen. Es reichte die heimische Rübe. Quedlinburger Unternehmer taten sich später in der Züchtung der Rüben hervor. Die Börde entwickelte sich schnell zu einem Zentrum der Zuckererzeugung und machte die Bauern reich. Die übrige Bevölkerung sprach von „Rübenbaronen“. Ihre prunkvollen Wohnsitze prägen bis heute die Ortschaften.

Der Rübenanbau ist immer noch lukrativ für die Bauern. „Der Anbau lohnt sich“, sagt Landwirt Moritz Krull, der gerade vom Feld kommt. Mit dem Roden der eigenen Rüben und denen anderer Landwirte hat er alle Hände voll zu tun. Etwa 300 Hektar hat Krull in diesen Tagen noch vor sich. Die Rüben stapelt er am Feldrand. Den Abtransport organisiert dann die Fabrik. Die „Mieten“ genannten Haufen säumen zurzeit viele Landstraßen in der Region.

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Hoher Profit im Geschäftsjahr 2022/2023 für Nordzucker

Noch lukrativer ist die Zuckerproduktion aber für Nordzucker mit seinen 21 Produktionsstandorten in Europa und Australien. Der Gewinn im vorigen Geschäftsjahr 2022/2023 lag bei 182 Millionen Euro, im Jahr zuvor waren es 84 Millionen. „Die Preise haben sich sehr gut entwickelt“, sagt CEO Lars Gorissen. Das spüren die Verbraucher: Immerhalb eines Jahres gingen die Supermarktpreise für Zucker um 70 Prozent nach oben. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Gorissen ein noch besseres Ergebnis als im Vorjahr.

Die Nachfrage ist höher als das Angebot. Den Zuckermarkt in Deutschland prägen drei große Hersteller: Nordzucker, Südzucker und Pfeifer & Langen. Das Landgericht Mannheim verurteilte die Firmen im Sommer zu Schadensersatz in Millionenhöhe an zwei Nahrungsmittelhersteller. Die Zuckerproduzenten sollen zwischen 1997 bis 2009 Preise abgesprochen haben. Die Parteien sind in Berufung gegangen und das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Nordzucker hat neben dem hier abgebildeten Werk in Klein Wanzleben weitere 20 Standorte in Europa und Australien. Der Jahresumsatz beträgt 2,3 Milliarden Euro. Nordzucker beschäftigt 3.800 Mitarbeiter.
Nordzucker hat neben dem hier abgebildeten Werk in Klein Wanzleben weitere 20 Standorte in Europa und Australien. Der Jahresumsatz beträgt 2,3 Milliarden Euro. Nordzucker beschäftigt 3.800 Mitarbeiter.
Foto: dpa

Den jüngsten Preisanstieg führt Nordzucker auf höhere Produktionskosten und die geringere Ernte durch die Trockenheit in der vergangenen Saison zurück. In diesem Jahr läuft die Ernte besser. „Durch den Regen haben wir derzeit sehr hohe Erträge“, meint Werksleiterin Kelz. Mehr als 600 Landwirte von der Börde bis in die Altmark und Ostelbien bringen in diesem Jahr zwei Millionen Tonnen Rüben nach Klein Wanzleben.

Bei der Getreideernte hat der Regen noch gestört, aber die Zuckerrübe hat profitiert, stellt Landwirt Krull fest. Die Pflanze ist sehr arbeitsintensiv. „Man muss sie gut sauber halten und das Unkraut bekämpfen.“ Deshalb hätten in der Vergangenheit schon Landwirte an der Frucht gezweifelt. Aber mittlerweile wollen laut Krull wieder mehr Bauern die Pflanze anbauen: „Die Preise sind gestiegen und die Rübe ist wichtig für die Fruchtfolge.“ Die Nähe zur Fabrik sei hilfreich, die Zusammenarbeit mit Nordzucker gut. Krull geht davon aus, dass die Rübe auch in Zukunft fest zur Region gehört.

Wie kann die Zuckerproduktion klimaneutral werden?

Eine Herausforderung wird der Umbau der Energieversorgung. Zuckerfabriken benötigen enorm viel Energie, um die rund 75 Prozent Wasser aus der Rübe zu verdampfen. Das geschieht mit Erdgas, was einen hohen CO2-Ausstoß verursacht. In Zukunft soll die Produktion klimaneutral mit Biogas laufen. In den nächsten fünf Jahren will Nordzucker 300 Millionen Euro in die Energiewende investieren. In Klein Wanzleben soll laut Firmenchef ein „hoher zweistelliger Millionenbetrag“ in effizientere Kalköfen und Verdampfstationen investiert werden. Das Biogas sollen andere Standorte liefern.

Unter Druck sieht sich Nordzucker auch durch einen EU-Vorschlag zum Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft. „Es ist nicht möglich, auf Pflanzenschutz zu verzichten, weil die Rübe sehr anfällig für Schädlinge ist“, sagt CEO Gorissen. Ihm zufolge würde die EU Pflanzenschutzmittel am liebsten komplett verbieten.

„Das ist nicht der Fall“, teilt Birgit Schmeitzner, Sprecherin der EU-Kommission in Deutschland, mit. Der Vorschlag, den die EU aktuell diskutiere, enthalte kein vollständiges Verbot, nicht einmal in Schutzgebieten. Chemische Pestizide sollten aber „nur als letztes Mittel“ eingesetzt werden, da sie schädlich für Mensch und biologische Vielfalt sind. Das würde bedeuten, dass Rübenbauern in Sachsen-Anhalt auch in Zukunft Pestizide einsetzen dürfen.

Bleibt noch die Frage: Wie viel Zucker ist eigentlich gut für den Menschen?

Zucker sei nicht per se ungesund, stellt die Magdeburger Ernährungsberaterin Alexandra Blaik fest. Er sei ein einfacher, schnell verfügbarer Energielieferant. „Der Körper braucht Zucker, aber in Maßen“, meint Blaik.

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Zu viel Zucker ist ungesund: Konsum halbieren

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt nicht mehr als 25 bis 50 Gramm Zucker pro Tag. Der durchschnittliche Verbrauch pro Kopf liegt in Deutschland bei etwa 100 Gramm. Zu den Folgen von zu viel Zucker gehören Karies und Übergewicht. Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) will Werbung für fettige und süße Lebensmittel einschränken, um vor allem Kinder zu schützen.

Welche Arten von Zucker gibt es?
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Grafik: MRM/Büttner

Blaik sieht kritisch, dass vielen Produkten, wie etwa Fertigjoghurt, viel Zucker zugesetzt wird. Auch Nordzucker verkauft weniger als 20 Prozent seines Zuckers direkt an den Endverbraucher. Der Rest landet in Milchprodukten, Getränken, Eiscreme und mehr.

Weil es kaum realistisch ist, seinen Verbrauch exakt zu überwachen, rät die Expertin zu dieser Faustregel: „Am besten so wenig Zucker wie möglich und vor allem wenig verarbeitete Produkte.“ Als Kind der Magdeburger Börde ist Blaik der weiße Haushaltszucker aus Klein Wanzleben aber allemal lieber als weit gereiste Trendprodukte wie Agavendicksaft.