Sachsen-Anhalt Private Verschuldung im Land steigt
Auch wenn die Inflationsrate zurückgeht, leiden viele Menschen weiter unter der Verteuerung. Das spiegelt sich in der Nachfrage nach Beratungsgesprächen wider.
Magdeburg. - Die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt verzeichnen in diesem Jahr bereits ein Plus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – und das sind erst die Zahlen bis Ende August.Insgesamt 604 Beratungen gab es in diesem Zeitraum, sagt Elke Neuendorf, Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung bei der Verbraucherzentrale in Halle. Im gesamten Jahr 2022 waren es noch 508 Beratungen. Für Neuendorf liegt der hohe Bedarf an der Verteuerung: „Die Menschen können die hohen Preise nicht mehr stemmen, wenn ohnehin alles auf Kante genäht ist. Und dann bricht das Konstrukt zusammen.“
Aufwärtstrend gestoppt
Laut dem Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform sind 5,65 Millionen Menschen in Deutschland überschuldet – also so stark verschuldet, dass sie ihren finanziellen Verpflichtungen langfristig nicht mehr nachkommen können. Die Menschen in Sachsen-Anhalt sind unter den Flächenländern dabei mit an der Spitze. Creditreform zählt etwa jeden zehnten Sachsen-Anhalter – also rund 200.000 Menschen – als Überschuldungsfall. Nur in Bremen ist die Quote höher.
Deutschlandweit sank die Zahl der Überschuldeten wie in jedem Jahr seit 2018. Allerdings hat Creditreform seine Methodik umgestellt. Mit der alten Rechenweise ergibt sich ein leichter Anstieg, den Creditreform als Vorbote eines stärkeren Plus im kommenden Jahr deutet. „Es wird mehr Überschuldungen geben“, sagte der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch. Weil die Menschen in der Corona-Zeit sparsamer waren und auch weniger Möglichkeiten zum Geldausgeben hatten, gerieten sie der Auswertung zufolge seltener in die Schuldenfalle. Niedrige Zinsen und staatliche Hilfen spielten ebenfalls eine Rolle. Allerdings haben sich die konjunkturellen Aussichten nun getrübt und die Zinsen sind gestiegen.
In die Schuldenfalle geraten laut Elke Neuendorf von der Verbraucherzentrale Menschen aller Schichten, etwa durch ihr Konsumverhalten, aber auch Schicksalsschläge wie Krankheit oder Scheidung. Besonders in der Gruppe der unter-30-Jährigen verschärft sich Creditreform zufolge die Überschuldung. Das führt die Wirtschaftsauskunftei auch auf eine neue, schnelle Form von Online-Ratenkrediten nach dem Motto „Kauf jetzt, zahle später“ zurück.
Wer finanziell in Not gerät, sollte nicht lange warten, bevor er sich Hilfe sucht, rät Neuendorf: „Leider kommen die Leute oft zu spät. Dann bleibt nur noch die Insolvenz.“ Bei der Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist für dieses Jahr noch kein Anstieg zu erkennen. Bis August gab es laut dem Statistischen Landesamt in Sachsen-Anhalt 1386 Verfahren. Im Jahr 2022 waren es insgesamt 2138 Verfahren. Vor der Corona-Pandemie meldeten jährlich rund 2300 Verbraucher Insolvenz an.