Sonnenbranche in Sachsen-Anhalt kämpft mit leeren Kassen und Insolvenzen / Nur wenige Ausnahmen Solarfirmen geraten in den Krisenstrudel
Die Solarwirtschaft in Sachsen-Anhalt steckt in einer schweren Krise. Viele Unternehmen haben Zahlungsschwierigkeiten oder Insolvenz angemeldet. Wie ist deren aktuelle Lage?
Magdeburg l Das Sonnenmärchen scheint zu Ende. Es vergeht kaum ein Tag ohne eine Hiobsbotschaft aus der Solarbranche. Vor allem durch den durch die asiatische Konkurrenz erzeugten Preisdruck schreiben die Solarunternehmen nach vielen Jahren hoher Gewinne, die durch üppige Subventionen noch befeuert wurden, jetzt anhaltend große Verluste.
In Sachsen-Anhalt arbeiten noch rund 5000 Menschen in der Solarindustrie. Allein die Schwergewichte Q-Cells, Sovello und Solibro im "Solar-Valley" um Bitterfeld-Wolfen bringen es auf 3500 Beschäftigte. Die Produktpalette der hiesigen Unternehmen umfasst die komplette Wertschöpfungskette im Solarbereich - vom Silizium, über Solarzellen und -module bis hin zu Dünnschichtzellen.
Aber wie lange noch? Die Situation ist äußerst ernst, wie ein Blick auf die Verfassung der meisten Solarunternehmen in Sachsen-Anhalt zeigt.
Malibu (Osterweddingen)
Der Solar-Anbieter Schüco gibt drei seiner zehn Standorte in Deutschland auf, darunter das Malibu-Werk in Osterweddingen bei Magdeburg mit 105 Beschäftigten. Diese verlieren zum 30. September ihre Arbeit. Als Hauptgründe für diesen Schritt nannte das Unternehmen weniger werdende Fördermittel, extrem sinkende Preise und eine fehlende Nachfrage in Teilen Europas. In das Werk in Osterweddingen waren einmal rund 100 Millionen Euro investiert worden.
Schüco stellt Solarzellen nicht wie üblich aus Siliziumkristallen her, sondern dampft Silizium als dünne Schicht auf Glasscheiben auf.
Solibro (Bitterfeld-Wolfen)
Solibro in Bitterfeld-Wolfen soll an ein chinesisches Unternehmen verkauft werden. Dazu ist eine Vereinbarung mit der Hanergy Holding Group unterschrieben worden. Solibro produziert mit 430 Beschäftigten Dünnschicht-Solarmodule. Die Chinesen wollen die Arbeitsplätze sowie das bestehende Management des Unternehmens erhalten. Auch soll der Betrieb sowie der Kundenservice bei Solibro weiterlaufen.
Nach Abschluss der Transaktion soll die Produktion von Solibro erhöht werden, um die europäischen Kunden von Hanergy zu bedienen. Angaben zum Kaufpreis wurden nicht gemacht.
Hanergy mit Sitz in Peking ist das größte private chinesische Unternehmen in der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien.
Sovello (Bitterfeld-Wolfen)
Die geplante Sanierung des insolventen Solarunternehmens Sovello aus Bitterfeld-Wolfen in Eigenverwaltung ist gescheitert. Das Amtsgericht Dessau-Roßlau lehnte gestern den Antrag des Managements ab, einen Neustart auf eigene Faust zu versuchen und hat jetzt ein reguläres Insolvenzverfahren eröffnet. Ein Gutachter hat die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung von Sovello festgestellt. Zum Insolvenzverwalter bestellte das Amtsgericht Dessau-Roßlau den Magdeburger Rechtsanwalt Lucas F. Flöther.
Das Land Sachsen-Anhalt hatte abgelehnt, dem Unternehmen mit rund 1000 Beschäftigten weitere 3,5 Millionen Euro zu geben. Nach EU-Recht sei die angestrebte Hilfe nicht möglich, zudem lägen keine tragfähigen Konzepte vor, hieß es in der Begründung des Wirtschaftsministeriums.
Sovello hatte bereits angekündigt, sich von etwa der Hälfte der Mitarbeiter trennen zu wollen. Rund 500 Menschen sollten in einer Transfergesellschaft qualifiziert und so in neue Jobs vermittelt werden.
Q-Cells (Bitterfeld-Wolfen)
Der ehemals weltweit größte Solarzellenhersteller hatte nach tiefroten Zahlen und Rechtsstreit mit Gläubigern am 3. April dieses Jahres Insolvenz beantragt.
Betroffen sind rund 1300 Mitarbeiter am Stammsitz von Q-Cells in Bitterfeld-Wolfen. Im gesamten Konzern gibt es weltweit rund 2200 Beschäftigte, davon 500 in Malaysia. Erst vor wenigen Tagen hatten sich die Gläubiger von Q-Cells für die Fortführung des Unternehmens ausgesprochen.
Die Suche nach Investoren läuft, heißt es im Unternehmen. Unter den Interessenten seien sowohl Finanz- als auch strategische Investoren. Alle Parteien hätten sich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Mit der weltweiten Suche nach Investoren wurde die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte (Frankfurt/Main) beauftragt.
Zum anderen prüft Q-Cells die Möglichkeit, unter Einbeziehung der Gläubiger den bereits vor der Insolvenzanmeldung verfolgten Schulden- und Kapitalschnitt innerhalb der Insolvenz umzusetzen, um Q-Cells als eigenständiges Unternehmen fortführen zu können.
Euroglas (Haldensleben)
Das Euroglas-Werk in Haldensleben hatte im Jahr 2009 zusätzlich zum bestehenden Glaswerk mit seinen mehr als 300 Beschäftigten eine 40 Millionen Euro teure Solarglasfabrik (45 Mitarbeiter) gebaut, dann aber angesichts der ungünstigen Marktentwicklung von einer zweiten Ausbaustufe, für die noch einmal ein zweistelliger Millionenbetrag eingeplant war, Abstand genommen.
Als Glaslieferant sei man von den Marktschwankungen am Solarmarkt betroffen, hieß es erst vor wenigen Tagen aus dem Unternehmen. Man habe aber die Produktion von Solarglas den neuen Anforderungen anpassen können.
So habe man im Bereich der Dünnschicht-Photovoltaik ein elektrisch leitfähiges Glas entwickelt, welches den Modulwirkungsgrad stark unterstütze. Überdies profitiere Euroglas von seinem breiten Produktportfolio vor allem im Architekturbereich. Sehr gut vom Markt angenommen werde beispielsweise ein neues Glas, das durch eine spezielle Beschichtung einen Außenbeschlag verhindert.