Novum im Land Reiches Dorf wird zum Steuerparadies
Seit Jahren kassieren Sachsen-Anhalts Gemeinden immer höhere Steuern von Grundeigentümern. Eine Kommune schafft diese Einnahmequelle ab.
Loitsche-Heinrichsberg l Die Entscheidung der 1000-Einwohner-Gemeinde Loitsche-Heinrichsberg (Landkreis Börde) gilt rückwirkend zum 1. Januar. Eigentümer von nicht landwirtschaftlich genutzten Grundstücken sind dort seither steuerfrei. Die Entscheidung des Gemeinderats ist ein Novum in Sachsen-Anhalt.
Landesweit ist die Grundsteuer B die zweitwichtigste Steuer-Einnahmequelle der Kommunen. 2014 spülte sie 221 Millionen Euro in die Kassen. Das 2010 fusionierte Doppel-Dorf kann sich den Verzicht jedoch leisten: Der Kaliproduzent K + S bringt Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer.
670 Grundstücksbesitzer profitieren unmittelbar von dem Steuerverzicht. Indirekt werden auch Mieter entlastet, weil die Grundsteuer auf sie umgelegt wird.
Die Null-Euro-Steuer war eine Idee von Bürgermeisterin Bettina Seidewitz (CDU). Der Gemeinderat war höchst angetan, die Kommunalaufsicht hatte keine Einwände. Jede Kommune darf selbst entscheiden, wie stark sie den Bürger zur Kasse bittet. Festgesetzt wird das durch den sogenannten Hebesatz.
Der geht seit Jahren im gesamten Land Schritt für Schritt nach oben. 2002 waren durchschnittlich 364 Prozent fällig, 2014 bereits 402 Prozent. Viele Kommunen sind überschuldet und werden von der Kommunalaufsicht gedrängt, ihre Einnahmen zu erhöhen. Allein im ersten Halbjahr 2015 drehten in Sachsen-Anhalt 40 Kommunen am Hebesatz. In vier Fällen wurde er gesenkt. 36 Mal aber stieg er an.
In Loitsche-Heinrichsberg hingegen möchte Bürgermeisterin Seidewitz den Bürgern „ein wenig zurückgeben“. Die Kommune habe viel Geld in neue Straßen investiert, sagt sie – dafür hätten die Grundeigentümer einiges an Anliegerbeiträgen zahlen müssen. „Die Grundsteuer ist deshalb ein schöner Weg, die Bürger wieder zu entlasten.“
2010 hatte Loitsche den Hebesatz erstmals unter den aller anderen Gemeinden im Landkreis Börde gedrückt. Die jetzige Senkung auf Null ist ein einmaliger Fall: Im Rest des Landes gilt ein Hebesatz von 300 Prozent als unterste Grenze des Vertretbaren.