Sachsen-Anhalts Regierung will "Schulfrieden"
Monatelang hat ein Bündnis aus Eltern, Schülern und Lehrern Unterschriften gesammelt, damit das Land mehr Pädagogen einstellt. Rund 77 000 Unterstützer haben dafür nicht gereicht. Die Regierung will einen Konsens suchen - mit prominenter Unterstützung.
Magdeburg (dpa/sa) - Nach dem Scheitern eines Volksbegehrens für mehr Pädagogen an Sachsen-Anhalts Schulen will die Landesregierung zu einem "Schulfrieden" kommen - in einem moderierten Dialog mit Eltern, Schülern und Lehrern. "Wir wollen diesen Ball aufgreifen und uns grundsätzlich verständigen über Rahmenbedingungen, in denen Schule in Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren gestaltet werden soll", sagte Bildungsminister Marco Tullner am Donnerstag in Magdeburg mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (beide CDU) an der Seite. Ziel sei ein breiter gesellschaftlicher Konsens, der auch nach der Landtagswahl im Juni 2021 unabhängig von der politischen Konstellation Bestand hat.
Als Moderatorin sei die ehemalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka gewonnen worden, teilten Ministerpräsident Reiner Haseloff und Bildungsminister Tullner mit. Sie lebe im Raum Havelberg und sei eng mit dem Land verbunden. Eingeladen würden Bildungsexperten, die in der Volksinitiative mitgemacht hätten, Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien, Gewerkschaften, Lehrerverbände, der Landesschülerrat und der Landeselternrat.
"Wir wollen über Personal- und Arbeitsvolumen sprechen, über die Frage der Lehrkräfte, über Schulsozialarbeit, pädagogische Mitarbeiter, die ganzen Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung", sagte Tullner. Auch Schulbau und -sanierung sollten eine Rolle spielen, ebenso wie die Aus- und Weiterbildung und die Zukunft der Schulen auf dem Land angesichts sinkender Schülerzahlen.
Seit Anfang des Jahres bis Mitte September hatte das Bündnis "Den Mangel beenden - Unseren Kindern Zukunft geben!" Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt. Statt der nötigen 163 000 Unterstützer fanden sich nur etwa 76 800. Damit ist das Ziel nicht mehr erreichbar, einen festen Schlüssel für Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Schulgesetz zu verankern.
Tullner und Haseloff betonten, sie nähmen die rund 77 000 Unterschriften ernst. Der Ministerpräsident sprach von einem klaren Signal. "Da kann sich niemand drüber hinwegsetzen", sagte Tullner. "Es hat zweifelsohne gezeigt: Das treibt die Leute um, das ist ein Thema, das den Leuten auf den Nägeln brennt, und das eine breite Debatte entfacht hat. Unser Ziel ist es eigentlich, dieses Thema aus dem Wahlkampf weitgehend herauszuhalten." Er stelle sich vor, dass die Beteiligten zum Ende des Winters mit Ergebnissen aufwarten.
Tullner sieht einen vor längerer Zeit in Hamburg ausgehandelten "Schulfrieden" als Vorbild. Dieser sei auch vor einer Wahl ausgehandelt worden und habe Bestand. Der seit 2010 geltende "Schulfrieden" dort war erst im vergangenen Jahr bis 2025 verlängert worden. Er sieht vor, dass an der bestehenden Struktur aus Grundschule, Stadtteilschule und Gymnasium nichts geändert wird, unabhängig, wer künftig die Regierung stellt. Zudem wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsqualität sowie eine gleiche Besoldung der Lehrer aller Schulformen vereinbart.
Die Grünen-Landtagsfraktion äußerte sich skeptisch. Es sei die Frage, ob in so kurzer Zeit Ergebnisse erzielt werden könnten. "Selbstverständlich werden wir uns an den Gesprächen beteiligen. Für uns liegt allerdings ein Umsetzungsproblem und weniger ein Erkenntnisproblem vor", erklärte Fraktionschefin Cornelia Lüddemann. "Anstatt proaktiv zu agieren, reagiert Bildungsminister Tullner immer erst auf Druck von außen. So auch jetzt wieder mit der Ankündigung des Dialogs als Folge des gescheiterten Volksbegehrens."
Die SPD-Landtagsfraktion kritisierte den Begriff "Schulfrieden". "In Sachsen-Anhalt tobt doch gar kein bildungspolitischer Streit um Schulformen, -größen, -standorte und -strukturen. Sachsen-Anhalts Problem heißt nicht fehlender Schulfrieden, sondern fehlende Lehrkräfte", erklärte die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Angela Kolb-Janssen. Es seien in den vergangenen Wochen viele Vorschläge gemacht worden. "Die Betroffenen müssen in einem Bildungsdialog aber nicht nur gleichberechtigt zu Wort kommen, sie brauchen ein klares Signal, dass ihre Vorschläge ernst genommen und umgesetzt werden."
Die Linke-Landtagsfraktion signalisierte, dass sie äußerst geringe Erwartungen hegt. Schon von den Empfehlungen eines vom Landtag eingesetzten Bildungskonvents zwischen 2007 und 2010 sei so gut wie nichts umgesetzt worden, teilte der bildungspolitische Sprecher der Linken, Thomas Lippmann, mit. "Es ist durchschaubar, dass im Wahlkampf vom Versagen der CDU in der Schulpolitik abgelenkt und ein Mantel des Schweigens über die Proteste aus den Schulen gelegt werden soll. Das wird aber nicht gelingen. Ohne schnelle und durchgreifende Verbesserungen lässt sich die Situation nicht befrieden."
Pressemitteilung SPD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt