Sozialarbeit Schulhelfer haben Angst um ihren Job
Doreen Döring ist Schulsozialarbeiterin in Sachsen-Anhalt. Vor Ablauf der aktuellen EU-Förderperiode bangt sie, ob sie weiter beschäftigt wird.
Magdeburg. - Erst im November verkündete Sachsen-Anhalts Koalition nach langen Diskussionen stolz einen Kompromiss zur Verlängerung der Schulsozialarbeit im Land. Die Botschaft: Bis 2028 ist das mit EU-Mitteln geförderte Angebot an Sachsen-Anhalts Schulen gesichert.
Und: Anders als zunächst geplant müssen die vielfach klammen Kommunen auch künftig nur für 10 statt für 20 Prozent der Kosten aufkommen. Das Land springt in die Lücke und schießt bis 2028 insgesamt 38 Millionen Euro zu.
Alles gut also? Nicht ganz. Obwohl auch mit Beginn der neuen EU-Förderperiode im August weiter 380 Stellen gefördert werden sollen, müssen in diesem Frühling – wie vor Ablauf früherer Förderperioden – erneut etliche Schulsozialarbeiter um ihren Job bangen.
Zehn Jahre an der Grundschule
Eine von ihnen ist Doreen Döring. Seit zehn Jahren arbeitet die 43-Jährige an der Grundschule „Am Prinzeßchen“ in Barby. An der Einrichtung mit 164 Schülern kümmert sie sich um Kinder, die aus Angst oder Druck nicht zur Schule gehen wollen, arbeitet aber auch präventiv, so zu Gefahren durch soziale Medien oder zur Schlichtung von Konflikten. All das vor allem mit dem Ziel, Abwesenheiten und am Ende Schulabbruch vorzubeugen, sagt sie.
Eben dieses Ziel war auch das Hauptmotiv, als Sachsen-Anhalt 2008 mit EU-Hilfe das Landesprogramm „Schulerfolg sichern“ ins Leben rief. Die derzeit 380 Schulsozialarbeiter bilden dabei die wichtigste Säule des Programms.
Der Bedarf ist groß: Bis heute hält Sachsen-Anhalt bei der Schulabbrecherquote die rote Laterne im Bund. So verließen 2022 rund 11,6 Prozent der abgehenden Schüler die Schulen, ohne wenigstens einen Hauptschulabschluss in der Tasche (insgesamt 2.070). Rund die Hälfe dieser Abgänger (1.052) waren allerdings Förderschüler, deren Abschluss statistisch als Abbruch geführt wird.
„Nur“ eine 2 mit nach Hause gebracht
Die Ursachen von Schulverweigerung beginnen dabei früh. Doreen Döring erzählt von einer Schülerin, die sich enorm unter Druck setzte, weil sie „nur“ eine 2 mit nach Hause brachte. „Das Mädchen kam weinend in die Schule, ich habe dann mit ihr und den Eltern gesprochen. Am Ende konnten wir den Konflikt lösen“, erklärt sie. „Wenn Schüler lernen, sich zu öffnen, kann man ihnen oft helfen. Wir als Schulsozialarbeiter sind dabei vor allem auch Vertrauenspersonen.“
Im Moment allerdings könnte Döring indes auch selbst Hilfe ganz gut gebrauchen. Denn, dass es für sie auch ab August weitergeht, sei keineswegs sicher erzählt sie bei einem Treffen in Magdeburg. „Schon in der Vergangenheit musste ich bestimmt vier oder fünf Mal bangen, dass meine Stelle verlängert wird.“ Grund sei neben der Ungewissheit darüber, wie lange die EU die Schulsozialarbeit überhaupt fördert, vor allem, dass eine Jury immer wieder neu empfiehlt, welche Schulstandorte berücksichtigt werden. Einen Bestandsschutz für vorhandene Stellen gebe es dabei nicht.
In diesen Tagen berät die Jury, in der unter anderem Vertreter der obersten Landesjugendbehörde, des Bildungsministeriums, des Landesschulamtes und der kommunalen Spitzenverbände sitzen, wieder. Mitte März soll das Gremium letztmalig zusammenkommen. Die Jury fällt ihre Entscheidungen dabei anhand von bestimmten Kriterien, darunter die Schülerzahl – aber auch die Abbrecherquote.
Große Schulen mit hoher Abbrecherquote haben hier leider bessere Chancen als kleinere mit geringen Abbrecherzahlen, sagt die Schulsozialarbeiterin. Döring findet das ungerecht. „Mit unserer Arbeit halten wir ja die Abbruchquote erst gering. Theoretisch werden wir damit also für unsere gute Arbeit bestraft.“
Das Problem sieht auch die Politik: „Es ist nicht hinnehmbar, dass Schulen bestraft werden, wenn deren Schulsozialarbeit erfolgreich war“, sagt etwa Grünen-Politikerin Susan Sziborra-Seidlitz zum Thema. Es könne vorkommen, dass Kollegen, „die vor Ort gute Arbeit geleistet haben und deren Schule nicht mehr als ,bedürftig’ gilt, die EU-geförderte Stelle abgeben müssen“, berichtet auch die SPD.
Für Kommunen schwierig zu finanzieren
Die Jury-Empfehlung ist allerdings nicht das einzige Problem. Manche Kommune sieht sich auch mit dem ab August greifenden Pflichteigenanteil von 10 Prozent an der Grenze der Belastbarkeit: Der Landkreis Börde etwa hat derzeit 38 Schulsozialarbeiterstellen, 29 werden über EU-Mittel gefördert, 9 weitere zahlt der Kreis entweder selbst oder in Kooperation mit anderen Partnern.
Kommt aber der Pflichtanteil, rechnet der Kreis mit jährlichen Mehrkosten von 237.000 Euro für die EU-geförderten Schulsozialarbeiter-Stellen.
Die Folge für die in der Haushaltskonsolidierung steckende Kommune: Die weitere Förderung der eigenfinanzierten Schulsozialarbeiterstellen ohne EU-Förderung steht infrage. Auch andere Kommunen im Land rechnen durch ihre Pflicht-Beteiligung ab August mit erheblichen Kosten.
So gab der Landkreis Stendal auf Volksstimme-Anfrage an, bei 20 EU-geförderten Stellen gehe man derzeit allein für 2025 von 158.000 Euro aus.
Der Harzkreis rechnet für seine 37 EU-geförderten Stellen mit 330.000 Euro pro Jahr, Halle für seine 50 Stellen mit vorerst 399.000 Euro.
Aus Sicht der Grünen lässt das Land Kommunen mit leeren Kassen mit der neuen Regelung im Stich. Für solche Fälle fordere man daher einen Landes-Notfallfonds von mindestens 3,5 Millionen Euro, sagt Susan Sziborra-Seidlitz.
Unklar, wie es weitergeht
Wie es nach Ablauf der neuen Förderperiode 2028 weitergeht, ist ebenfalls unklar. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU, SPD und FDP 2021 zwar auf eine Verstetigung der Schulsozialarbeit geeinigt. Der Teufel aber steckt auch hier, wie oft, im Detail. Wie genau die Verankerung aussehen soll, ist umstritten. Der Koalitionspartner SPD ist der Ansicht, dass Schulsozialarbeiter künftig an mehr Schulen gebraucht werden. Ein eigenes Landesprogramm sei dazu unumgänglich. Ähnliche Positionen vertreten auch Grüne und Linke im Landtag.
Auch die FDP hält die Schulsozialarbeit nach 2028 zwar für zentral, verweist aber auf die enger werdenden finanziellen Spielräume des Landes. Der größte Koalitionspartner CDU sieht auch deshalb vor allem das für die Jugendhilfe zuständige Sozialministerium in der Pflicht, ebenso wie die Kommunen. Die AfD hält die Schulsozialarbeit gleich insgesamt für den falschen Weg: Schule müsse sich wieder auf die Kernaufgabe der Vermittlung von Wissen konzentrieren, teilt sie mit.
Doreen Döring hofft kurzfristig vor allem, dass ihre Stelle an der Grundschule Barby ab August weiterläuft. Langfristig müsse das Land dafür sorgen, dass die Schulsozialarbeit dauerhaft verankert wird, sagt sie. Der Bedarf sei groß. „Da sollte das doch eigentlich selbstverständlich sein.“