Bundestag „Skandal von historischem Ausmaß“ - Reaktionen aus Sachsen-Anhalt auf Migrations-Abstimmung
Ein „finsterer Tag“ für die Demokratie oder ein notwendiger Politikwechsel? Die gemeinsame Abstimmung von CDU, AfD und FDP zur Begrenzung der Migration sorgt für Diskussionen.
Magdeburg - Nachdem die Union einen Antrag zur Begrenzung der Migration im Bundestag mit Stimmen der AfD durchgesetzt hat, hat Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz scharf kritisiert.
Drei Wochen vor der Bundestagswahl warf sie Merz gestern die Abkehr von seiner staatspolitischen Verantwortung vor. Merz’ Äußerung vom Herbst, Mehrheiten nur mit den Parteien der Mitte zu suchen, halte sie für richtig, schrieb die 70-Jährige auf ihrer Webseite. „Dieser Vorschlag und die mit ihm verbundene Haltung waren Ausdruck großer staatspolitischer Verantwortung.“ Für falsch halte sie es, sich nicht mehr daran gebunden zu fühlen und „sehenden Auges“ erstmals im Bundestag eine Mehrheit mit der AfD zu ermöglichen.
Kritik von KZ-Überlebendem an Abstimmung im Bundestag
Auch außerhalb der Politik sorgt das Vorgehen für Verwerfungen. Der Auschwitz-Überlebende Albrecht Weinberg kündigte an, sein Bundesverdienstkreuz zurückzugeben und sprach von einem „Tabubruch“. „Ich sehe wieder meine Jugendzeit vor mir“, sagte der 99-Jährige dem „stern“.
Von einem „Skandal von historischem Ausmaß“ sprach die Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen. Die Union müsse sich auf die Ablehnung jeglicher Kooperationen mit der AfD zurück besinnen und sich „klar zum Recht auf Asyl“ bekennen, forderte Vorstandschef Mamad Mohamad, zugleich Geschäftsführer des Netzwerks der Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt.
SPD-Abgeordneter aus Magdeburg: „Finsterer Tag für Demokratie“
Scharfe Kritik kommt auch von SPD, Grünen und Linken aus Sachsen-Anhalt. „Dies stellt einen historischen Tabubruch der Union dar“, sagte SPD-Bundestagspolitiker Martin Kröber. Demokraten bedienten sich Rechtsextremer für wahlkampfpolitische Spielchen. „Ein finsterer Tag für unsere Demokratie.“ Ähnlich äußerte sich die Linke. „Das Manöver von Friedrich Merz schadet Deutschland und Europa“, sagte die aus Dessau stammende Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne).
Die Magdeburger Staatskanzlei teilte mit: „Die Auffassung des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff zur AfD ist bekannt“. Im Rahmen der Abstimmung über eine Rundfunkbeitragserhöhung hatte Ende 2020 auch im Landtag eine gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD gedroht. Haseloff hatte das ausgeschlossen. Die Abstimmung wurde abgesagt. Gleichzeitig forderte Haseloff zuletzt wiederholt eine deutliche Begrenzung der Migration.
CDU-Chef von Sachsen-Anhalt: „Unterstütze Vorschläge von Friedrich Merz“
CDU-Landeschef Sven Schulze sagte: „Aus meiner Sicht muss sich bei der Asyl- und Flüchtlingspolitik in Deutschland dringend etwas ändern. Insbesondere nach den Anschlägen von Magdeburg und Aschaffenburg. Die Bürger sind es leid, aus Berlin immer nur Betroffenheitsrhetorik zu hören, ohne dass sich substanziell etwas ändert. Deshalb unterstütze ich die Vorschläge von Friedrich Merz.“
Es sei sowohl Aufgabe als auch das gute Recht jeder Oppositionspartei, eigene Anträge zu stellen. „Richtige Anträge werden nicht automatisch falsch, weil ihnen die Falschen zustimmen.“ Weiterhin gelte für die Union aber auch: „Wir arbeiten weder mit der AfD zusammen noch kommt sie als Regierungspartner in Betracht.“
Unterstützung bekommt die CDU von der FDP. „Als Liberaler kann ich dem Antrag der Konservativen zum Politikwechsel bei der Migration zustimmen“, sagte der Stendaler FDP-Bundestagspolitiker Marcus Faber.
Die Anträge der Union am Mittwoch hatten nur appellativen Charakter. Heute ist das anders. Abgestimmt wird über das „Zustrombegrenzungsgesetz“, das - wenn es den Bundesrat passieren sollte - von der Bundesregierung umgesetzt werden müsste. Enthalten ist unter anderem eine Einschränkung des Familiennachzugs. FDP, AfD und BSW haben bereits Zustimmung signalisiert.