Integration Stahlknecht fordert deutschen Islam
Der Islam gehört zu Deutschland - sagt auch die Kanzlerin. Sachsen-Anhalts CDU-Landesvize Holger Stahlknecht widerspricht.
Herr Minister – Sie haben jetzt gesagt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Hat die AfD also doch recht?
Holger Stahlknecht: Das ist für mich nicht der Punkt. Die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht, muss in einem historischen Kontext, aber auch mit Blick auf die Gegenwart beantwortet werden. Darum geht es mir.
Festzuhalten ist: Die islamische Kultur hat in früheren Jahrhunderten unsere abendländische Kultur sehr wohl mitgeprägt. Von der Übersetzung wissenschaftlicher Werke bis hin zum Schachspiel, das durch islamische Gelehrte verbreitet wurde. Das ist die eine Säule.
Eine andere Säule ist unser Recht. Dieses kommt bei uns aus der römischen Tradition. Es geht um Sitten, Gebräuche und Traditionen, die im Laufe der Zeit in Gesetzen zur Norm wurden und für uns heute selbstverständlich sind. Unser Recht und unsere Moralauffassungen heute sind nicht vom Islam geprägt, sondern haben vor allem jüdische und christliche Wurzeln. Daher bin ich der Auffassung, dass man nicht pauschal sagen kann: Der Islam gehört zu uns.
Doch kollidiert Ihr Satz nicht mit der Religionsfreiheit?
Nein. Jeder Muslim kann in Deutschland seinem Glauben nachgehen. Der Islam ist durch die Religionsfreiheit in unserer Verfassung, dem Grundgesetz, geschützt – genau wie etwa der Buddhismus. Aber ich würde deswegen doch nicht sagen: Der Buddhismus gehört zu Deutschland.
Nun leben in Deutschland mittlerweile fünf Millionen Muslime und deutlich weniger Buddhisten.
Das stimmt. Deswegen finde ich eine Debatte darüber auch so wichtig. Der Islam ist doch mehr als reine Religionsausübung. Er umfasst – wie alle Religionen - auch moralische Wertvorstellungen und rechtliche Vorschriften. Kinderehe, Vollverschleierung, Scharia, die Vormachtstellung des Mannes gegenüber der Frau – auch das finden wir im Islam. Doch diese Seiten des Islams wollen wir in Deutschland nicht. Daher führt der Satz: „Der Islam gehört zu Deutschland“ in seiner Absolutheit schnell zu Missverständnissen. Was erwarten denn Menschen, wenn sie ihn hören? Nicht wenige befürchten, dass wir eine Islamisierung unserer Gesellschaft bekommen.
Auch an die hier lebenden Muslime geht mit diesem Satz ein missverständliches Signal: Er weckt die Erwartung, all ihre Moralvorstellungen und Traditionen können gleichberechtigt neben unseren fortbestehen. Doch das wäre falsch. Die Muslime, die bei uns leben und sich integrieren wollen, müssen sich an unsere Werte anpassen. Kein Muslim muss dabei seine Religion oder all seine Traditionen und Sitten aufgeben, so lange sie mit unseren Gesetzen konform gehen. Im Herzen sollen Muslime Muslime bleiben, aber im Kopf müssen sie – was unsere Vorstellungen von Recht und Gesetz betrifft – Deutsche werden. Ich erwarte, dass der Islam in Deutschland ein anderer ist und ein anderer - nämlich ein aufgeklärter - sein wird als ein Islam, wie wir ihn vorwiegend in arabischen Ländern antreffen.
Aber Ihre Aussage „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ ist genauso absolut wie das Gegenteil. Muslime können sich ausgegrenzt, Verschwörungstheoretiker könnten sich bestätigt fühlen.
Beide Sätze müssen erklärt werden, das stimmt. Aber wenn wir über unser Werteverständnis diskutieren, heißt das doch nicht, dass Muslime hier nicht willkommen sind. Es darf jeder seinem Glauben nachgehen. Zudem dürfen wir uns nicht den Mund verbieten lassen, nur weil einige vielleicht überziehen.
Ich habe einen Bollwerksatz gegen einen anderen Bollwerksatz gesetzt, weil ich eine Debatte darüber will, welche Seiten des Islams hierhergehören und welche nicht. Als der damalige Bundespräsident Christian Wulff 2010 sagte, mittlerweile gehöre auch der Islam zu Deutschland, gab es zuvor keine Debatte darüber. Jahrelang wurde den Deutschen erklärt, die Bundesrepublik sei kein Einwanderungsland – obwohl längst Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln bei uns wohnten. Dann plötzlich, quasi über Nacht und ohne öffentliche Diskussion, sagt der erste Mann des Staates: Der Islam gehört zu Deutschland. Das ist wie eine Vollbremsung mit anschließender 180-Grad-Wende. So etwas haut die Leute um.
Wäre es nicht angebracht zu sagen: Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland?
Der politische Islam gehört ganz bestimmt nicht hierher. Aber es geht mir wie gesagt auch um rechtliche und moralische Seiten des Islams. Daher griffe Ihre Formulierung zu kurz.
Als die AfD sich auf den Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ festlegte, sahen Kommentatoren Parallelen zu Zeiten, als Juden nicht mehr zum deutschen Volk zu gehören hatten – aus Ablehnung wurden seinerzeit Hass und schließlich Massenmord.
Wir haben unsere historische Verantwortung und auch ich bin nicht geschichtsvergessen. Mir geht es nicht darum, Muslime auszuweisen, sondern darum, wie wir gemeinsam in Deutschland leben wollen. Politiker müssen auch Sätze sagen dürfen, die Streit auslösen. Das erwarten die Wähler auch von ihm.
Gestritten wurde auch über Moscheen, Minarette und den Muezzinruf. Gehören diese religiösen Bauten und Rituale mittlerweile zu Deutschland?
Tolerieren bedeutet „dulden und erdulden“, „tragen und ertragen“. Wir müssen immer bereit sein, respektvoll auch andere Kultureinflüsse zu tolerieren. Das Kopftuch dürfte in einigen Jahren kaum noch Blicke auf sich ziehen auf unseren Straßen. Aber: Alles hat seine Zeit. In der aktuell aufgeheizten Situation können wir uns schnell überfordern. Daher geht meine Bitte an alle muslimischen Verbände, die Dinge in Ruhe anzugehen.
Meine Botschaft wäre: Natürlich dürft Ihr Moscheen bauen, aber baut sie nicht jetzt. Die Muslime würden sich damit selber keinen Gefallen tun. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Muslime insbesondere hier in Ostdeutschland so richtig erst seit der Wende und natürlich seit dem vergangenen Jahr in Größenordnungen überhaupt sichtbar sind und wahrgenommen werden können. Hier müssen wir akzeptieren, dass die Bevölkerung Zeit braucht, sich an den erst seit kurzem präsenten Islam in unserem Land zu gewöhnen.
Ihrer Partei wird vorgeworfen, die AfD zu kopieren und sie damit zu stärken.
Diese Analyse halte ich für falsch. Wir dürfen doch Dinge, bei denen die AfD möglicherweise nicht unrecht hat, nicht sofort tabuisieren. Ich akzeptiere keinen Maulkorb, das lasse ich mit mir als freiem Menschen nicht machen. Was wir als CDU – im Gegensatz zur AfD – beherrschen, ist das Sowohl-Als-Auch. Ich stehe für eine glasklare und manchmal auch harte ordnungspolitische Seite. Ich stehe aber auch für Menschlichkeit und Integration. Beide Seiten sind wichtig, um die Gesellschaft in der Balance zu halten.
Die AfD beherrscht diese Differenzierung nicht und sie ist im Sprachgebrauch nicht selten entgleisend. Daher ist für eine konservative, ausgewogene Politik die CDU die einzige Alternative.