Tumulte an der Uni Strackeljan: „Das war kein Erfolg“
Die AfD wurde aus dem Hörsaal der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg vertrieben. Rektor Jens Strackeljan hält das für inakzeptabel.
Tumulte, Pöbeleien, Rangeleien und ein Böllerwurf im Hörsaal bei einer Veranstaltung der AfD-nahen Hochschulgruppe Campus Alternative. Haben Sie die Brisanz der Veranstaltung unterschätzt?
Professor Jens Strackeljan: Das war keine von uns organisierte Veranstaltung. Die studentische Hochschulgruppe Campus Alternative hat den Raum angemietet. Das können und wollen wir nicht verwehren. Da gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz, es gelten aber natürlich auch gleiche Regeln. So darf es sich nicht um eine primär parteipolitische Veranstaltung handeln. Uns war die Brisanz schon klar.
Eine Universität funktioniert nur, wenn sie die Freiheit des Wortes garantiert und auch umsetzt. Sie muss Ort für den wissenschaftlichen Diskurs sein. Eine Universität ist primär ein Ort des Lehrens, Lernens und Forschens. Wir müssen Raum für den politischen Meinungsbildungsprozess bieten. Dazu gehört auch, andere Meinungen mal aushalten zu können. Und wer partout nicht zuhören will, braucht auch nicht zu kommen. Ganz sicher ist, dass Professor Wolf an der Uni einen Vortrag halten können muss.
Zu diesem Diskurs ist es am Donnerstagabend aber nicht gekommen. Die Veranstaltung musste nach lautstarken Protesten abgebrochen werden. AfD-Chef André Poggenburg verließ unter Polizeischutz den Saal. Die Studenten jubelten. War das tatsächlich ein Erfolg für die Studenten?
Nein, für die Studierenden und die gesamte Universität war das kein Erfolg. Wenn ein Böller fliegt, es Handgreiflichkeiten gibt und gegen Türen getreten wird, dann ist der Begriff unangebracht. Die AfD hat für die Veranstaltung genau die Bühne bekommen, die sie haben wollte und der Beifall wird sie ermuntern, die Bühne wieder zu betreten. Es ist nicht akzeptabel, die Freiheit des Wortes so zu unterbinden, wie es am Donnerstag der Fall war. Die Veranstaltung war aber letztlich vom Charakter auch eher eine Demonstration. Damit gehörte sie nach draußen und nicht in den Hörsaal. Im Hörsaal hört man sich zu, das wollte ein Teil der Anwesenden aber verhindern. Das Recht des friedlichen Widerstandes und der Meinungsäußerung besteht natürlich uneingeschränkt.
Der Landeschef der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative, Jan Wenzel Schmidt, hat bereits weitere Veranstaltungen an der Uni angekündigt. Wie werden Sie damit umgehen?
Weder Herr Schmidt noch Herr Poggenburg haben irgendetwas anzumelden, sie sind keine Studenten.
Und wenn die Campus Alternative weitere Veranstaltungen durchführen will?
Es bleibt abzuwarten, ob und wie sie sich vor den Karren der AfD-Politiker spannen lässt. Die Gruppe hat das Recht, zum Beispiel für die kommenden Hochschulwahlen im Sommer für sich zu werben und dazu auch Räume der Uni zu nutzen. Eine erneute Veranstaltung würden wir nun natürlich anders kanalisieren. Bislang sind wir bei der Raumvergabe sehr freizügig und das sollte im Prinzip auch so bleiben. Dabei gilt für mich: Polizei auf dem Campus Gelände ist die Ultima Ratio. Aber Einlasskontrollen, gesichert durch unsere Kräfte, sind denkbar. Wir müssen Extremisten, egal aus welcher Richtung sie kommen, aus der Universität heraushalten, wenn sie sich nicht an Grundregeln des Miteinanders halten. Sonst würden sie jede Veranstaltung sprengen.
Wie geht die Universität mit möglichen Gewalttätern um, die am Donnerstagabend, etwa durch einen Böllerwurf, aufgefallen sind?
Es gibt inzwischen Strafanzeigen. Da müssen wir zunächst die Ermittlungen der Polizei abwarten. Es ist fraglich, ob tatsächlich Studenten an den Tumulten beteiligt waren. Einiges deutet auf Mitglieder der linksextremistischen Antifa hin. An der Universität haben wir grundsätzlich klar geregelte Sanktionsmöglichkeiten, die sogar bis zur Exmatrikulierung führen können. Darüber werden wir diskutieren.
Sollten jetzt grundsätzlich keine Politiker als Gastredner mehr in der Uni auftreten?
Das wäre der falsche Weg. Politiker sollten auch weiter die Möglichkeit haben, Vorträge an der Universität zu halten. Es hängt aber vom jeweiligen Format der Veranstaltung ab. Die Universität hätte die Veranstaltung am Donnerstag eigenständig ganz anders organisiert.
Wie werden Sie an der Universität mit dem Thema AfD umgehen?
Im Kommentar der Volkstimme vom Samstag wird der Unileitung vorgehalten, dass man mit etwas mehr Weitblick die Chance gehabt hätte, die AfD politisch zu stellen. Dieser Meinung bin ich nicht. Die Veranstaltung am Donnerstag war dazu denkbar ungeeignet, und es gibt auch gar keine einfachen Lösungen. Auch die Parteien im Land suchen im breiten Spektrum zwischen Ausgrenzung und Diskurs geeignete Formate. Die Debatten dazu sind ja sehr aktuell.
In Sachsen-Anhalt haben bei der Landtagswahl 24 Prozent der Wähler für die AfD votiert. Das hat nicht die Universität zu verantworten. Wir wollen das Thema AfD weder ausblenden noch die Wähler oder Sympathisanten ausgrenzen, die ja ganz sicher nicht alles Rechte sind. Die Uni ist Teil der Gesellschaft Sachsen-Anhalts, und es soll nicht der Eindruck entstehen, dass wir uns in ein Paralleluniversum abkoppeln. Natürlich werde ich auch weiter mit Vertretern der AfD über wissenschaftliche Themen oder die Hochschulfinanzierung sprechen und auch den Wählern verdeutlichen, dass Investitionen in Hochschulbildung sinnvoll und notwendig sind. In der Uni werden wir sehr schnell eine Veranstaltung zu unserer Rolle in der politischen Meinungsbildung ansetzen.
Was bedeutet die Veranstaltung, die auch in der Landespolitik sehr kontrovers diskutiert wird, für das Klima an der Uni?
Die polarisierenden Extreme, wie sie am Donnerstagabend zutage getreten sind, spielen im Uni-Alltag keine Rolle. Die Vertreter der Campus Alternative studieren mit den Kommilitonen ohne Auseinandersetzungen. Die überwältigende Mehrheit der Studierenden unserer Uni hat demokratische Einstellungen und ist auch bereit, einen Diskurs mit Andersdenkenden durch sachliche Argumente zu führen. Auch bei den heftigen Reaktionen in Richtung des Kollegen Dick als Dekan bitte ich um mehr Verständnis. Der Abend und die aufgeheizte Stimmung haben viele extrem verkürzte Äußerungen erzeugt. Es war kein Erfolg, die Veranstaltung konnte eigentlich auch Herrn Wolf kaum begeistern und der Rektor ist ganz sicher kein Linksfaschist.
Befürchten Sie negative Auswirkungen für das Image der Uni?
Es hängt jetzt viel davon ab, wie künftige Veranstaltungen laufen. Wir müssen sicher beweisen, dass wir es gemeinsam anders hinbekommen. Daran müssen wir uns messen lassen. Ganz klar ist: Wir sind eine weltoffene und tolerante Universität, die einen Diskurs ermöglicht.
Sie persönlich stehen im Fokus, bekommen sogar Morddrohungen. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe solche Drohungen erhalten, und zwar aus dem gesamten Spektrum von links bis rechts. Das gilt auch für den Dekan. Ich nehme das ernst und werde am Montag die Polizei einschalten.