Magdeburg l Der Begriff der Gemeinnützigkeit könnte sich bald in zweierlei Hinsicht ändern. Dank ihr sind zurzeit zahlreiche Vereine von der Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer ganz oder teilweise freigesprochen, außerdem dürfen Spenden an sie steuerlich abgesetzt werden. Doch dazu müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt werden, die das Bundesfinanzministerium ändern möchte.
Wer dann rausfällt, für den drohen neue Kosten und unter Umständen sogar die Schließung des Vereins. Während das Vorhaben zu Männervereinen bundesweit die größere Empörung hervorrief, wirken die Folgen zumindest in Sachsen-Anhalt eher überschaubar. Bei politischem Engagement gibt es dagegen schon mehrere Präzedenzfälle allein in diesem Jahr.
Diskussion gibt es derzeit um eine mögliche Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN). Eine entsprechende Entscheidung des Bundesfinanzamtes gab es vor knapp zwei Wochen. Dem Verein drohten Steuernachzahlungen. Grund für die Entscheidung war die Einstufung als linksextreme Organisation durch den bayerischen Verfassungsschutz.
Am Mittwoch dieser Woche setzte dann das Berliner Finanzamt für Körperschaften den Vollzug des ergangenen Steuerbescheids aus, wie VVN-Geschäftsführer Thomas Willms mitteilte. Diese Entscheidung wegen „unbilliger Härte“ für den Verein, der sich in seiner Existenz bedroht sieht, sei ein Etappensieg. Die Frage, ob der Entzug der Gemeinnützigkeit rechtmäßig oder rechtswidrig war, bleibe allerdings auch aus Sicht des VVN weiter unbeantwortet.
Es wird befürchtet, dass sich solche Fälle häufen. Das Bundesfinanzministerium plant eine Reform der Abgabenordnung, die die Voraussetzungen zur Gemeinnützigkeit festlegt. Die Reform bezieht sich speziell auf politisches Engagement.
Das Magazin "Spiegel" schloss aus dem Entwurf, dass Vereine, die sich außerhalb ihres eigentlichen Zwecks politisch engagieren, dadurch die Gemeinnützigkeit verlieren könnten. Dem widerspricht das Bundesministerium für Finanzen. Die Einschätzung des "Spiegel" sei ein Fehlschluss, heißt es dort auf Nachfrage: "Zielrichtung (...) ist nicht eine Bestrafung, sondern der Schutz von Vereinen, die sich auch politisch engagieren." Die Reform solle klarstellen, "dass eine gemeinnützige Tätigkeit mit politischen Mitteln begleitet werden kann".
Gezielte politische Einflussnahme ist damit allerdings nicht gemeint. In Sachsen-Anhalt wurde dies vor allem aus AfD-Kreisen dem Verein "Miteinander" vorgeworfen. Der Verein fördert nach eigenen Aussagen Demokratie und Weltoffenheit. Die AfD sagt: Der Verein richte seine Arbeit gezielt gegen die politischen Ziele der Partei aus. Droht deshalb die Aberkennung der Gemeinnützigkeit? Erfolg hätte die AfD damit bisher nicht, und wird das laut "Miteinander"-Landeschef Pascal Begrich auch in Zukunft nicht haben: "Solcherlei politische Diffamierungen haben keine Berührungspunkte zu rechtlichen Fragen hinsichtlich der Gemeinnützigkeit." Dennoch setzt sich "Miteinander" seit längerem für eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts ein und nahm den Fall VVN "mit Sorge zur Kenntnis", so Begrich.
Das andere kontroverse Vorhaben, reinen Männervereinen ebenfalls die Gemeinnützigkeit zu entziehen, hätte in Sachsen-Anhalt vermutlich kaum Konsequenzen. Zunächst sind reine Männervereine hier nur schwer zu finden: Männergesangsvereine gestatten Frauen für gewöhnlich als passive Mitglieder die Aufnahme. Die Freimaurergilde in Gardelegen nimmt keine Frauen auf, hat aber keine Gemeinnützigkeit zu verlieren. Schützengilden und -vereine galten auch als betroffen von der Reform, doch in den 465 Vereinen des Landesschützenverbands "wüsste ich keinen, auf den das zutrifft, sagt Pressesprecher Michael Eisert in Bezug auf ein mögliches Frauen-Verbot.
"Ganz im Gegenteil", meinte dazu auch Jan Driesnack von der Kreisjägerschaft Magdeburg. "Wir suchen ja Leute."