Steile Karriere Magdeburger Top-Handballerin jetzt Managerin vom Nationalteam
Anja Althaus ist eine Missionarin ihres Sports und ein Star mit zahlreichen Facetten. Das „Magdeburger Kind“ hat viel gesehen und erlebt. Ihre Erfahrungen will sie nun als Managerin der Frauen-Nationalmannschaft einbringen.
Anja Althaus redet gern. Und viel. Wie ein Wasserfall. Am liebsten spricht die einstige Weltklasse-Kreisspielerin über den Handball, ihr „Herzens-Thema“, wie die 42-Jährige es nennt. Bereits zu Zeiten an der Magdeburger Sportschule, die sie nach wie vor in den Himmel hebt, war sie ein Lautsprecher. Auch nach dem Laufbahnende 2018 ist sie ihrem Motto treu geblieben: „Was gesagt werden muss, muss gesagt werden.“
Und ab sofort hat die 243-fache Nationalspielerin auch im deutschen Handball etwas zu sagen. Denn Anja Althaus, ein Magdeburger Kind mit Lebensmittelpunkt in Nordmazedonien, ist zurück in ihrem Revier. Sie ist die neue Managerin der Frauen-Nationalmannschaft. Und sie steht kurz vor der Feuertaufe: In zehn Tagen beginnt die EURO 2024.
Umzug wuppen, kein Problem
Als der Volksstimme-Anruf aus der Heimat kommt, steht die Ex-Handballerin im 1.700 Autokilometer entfernten Skopje zwischen Tür und Angel. Und macht – wie soll es anders sein – eine Ansage: „Du, warte mal kurz, da stehen gerade zehn Männer vor der Tür, die muss ich erstmal reinlassen und ihnen sagen, wo es lang geht. Also bleib dran, ja!?“
Das Handy klemmt zwischen Ohr und Schulter. Irgendwas klappert. Es folgen Anweisungen auf Englisch. Ein paar Brocken Mazedonisch sind zu hören. Dazwischen lautes Lachen. Die Frau ist ja gut drauf. Was angesichts von Chaos und Kartons um sie herum erstaunt. Denn sie muss Hals über Kopf mit ihrem Freund, dem 26-jährigen nordmazedonischen Nationalspieler Tomislav Jagurinoski, aus der Mietwohnung raus, klärt sie auf. „Das war nicht geplant. Bis gestern Abend wusste ich noch nicht mal, ob das mit unserem Umzug so klappt. Aber hier wird es nie langweilig. Typisch Balkan eben.“
Und typisch Anja Althaus: Mal schnell einen Umzug innerhalb der Stadt wuppen ... „Kein Problem, auch wenn ich im Kopf schon in Deutschland bin. Ich krieg das hin.“ Hier spricht das Organisationstalent aus ihr. Wo andere durchdrehen oder die Hände hochreißen und kapitulieren, da läuft die dreimalige Champions-League-Gewinnerin zur Hochform auf. Sie spuckt in die Hände und packt es an. „Was ich mir in den Kopf setze, ziehe ich durch.“ Geradlinig, knallhart und gnadenlos – wie Super-Woman. Getreu der Devise: Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen: „Ich liebe solche Herausforderungen und sage mir immer: Steh deine Frau. Du kannst das!“
Also auch Teammanagerin der DHB-Frauen? Womit wir wieder beim Grund des Anrufs sind.
Wie auf Knopfdruck sprudelt es aus Anja Althaus heraus: „Krass, oder?! Das ist eine so große Ehre. Ich bin echt aufgeregt und freue mich mega auf diese neue Aufgabe. Und auf die Mädels. Ich kann es kaum erwarten, mit ihnen Zeit zu verbringen und sie richtig kennenzulernen.“
Ansteckende Begeisterung
Die Begeisterung für den nunmehr am Montag offiziell angetretenen Job wirkt ansteckend. Anja Althaus ist Feuer und Flamme: „Der Frauen-Handball liegt mir total am Herzen. Und ich brenne darauf, zu erfahren, wo und wie ich der Mannschaft helfen kann, um sie zu pushen.“
Dass sie das kann, davon ist sie fest überzeugt. Nach dem gemeinsamen Start der Vorbereitung für die am 28. November startende EM wird sie gut einen Monat Teil der Mannschaft sein: „Ich werde für die Mädels da sein, 24/7. Ich denke, ich kann ihnen viel geben. Denn all die Höhen und Tiefen, all das, was sie jetzt durchmachen, habe ich auch erlebt. All meine Erfahrung, die ich in meiner Karriere auf und neben dem Spielfeld wie ein Schwamm in mich aufgesaugt habe, warten nur darauf, an die Mädels weitergegeben zu werden.“
Ihrer Meinung nach bringe das aktuelle Team viel mit, um erfolgreich zu sein. Der deutsche Frauenhandball, so Althaus, habe sich unter Bundestrainer Markus Gaugisch positiv entwickelt. „Was fehlt, ist der Killerinstinkt.“ Olympia in Paris hätte gezeigt, dass man mit den Top-Teams mithalten könne. Das Aus im Viertelfinale habe aber auch gezeigt, „dass die Mädels unter Druck nicht das auf die Platte bringen, wozu sie in der Lage sind. Ich möchte ihnen vermitteln, dass es den unbedingten Siegeswillen und das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit braucht, um zählbaren Erfolg zu haben.“
Was ihr beim Manager-Job auf Honorarbasis sicher auch zugute kommen wird: Anja Althaus weiß, wie das Klappern für ihr Handwerk funktioniert. Und sie hat jede Menge Erfahrungen abseits des Spielfeldes gesammelt – beim Erwerb der A-Trainer-Lizenz und als Co-Trainerin der Handballer von RK Skopje. Auch als Media-Managerin der nordmazedonischen Männer- und Frauen-Nationalmannschaft sowie beim Beachhandball war sie aktiv. Zudem geht sie in der Rolle als Champions-League-Botschafterin der EHF und als Mentorin im Nachwuchsprojekt „Respect your Talent!“ voll auf. „Ich habe schon viele Handball-Leben gelebt. Ich bin wie ein Oktopus und strecke meine acht Arme nach allen Seiten aus. Ich bin einfach neugierig und halte überall meine Nase rein.“
Die Frauenpower in Person hat auch den DHB überzeugt. Im Bestreben, sich für die Zukunft neu aufzustellen, war das Energiebündel erste Wahl für den neu geschaffenen Posten. Bundestrainer Gaugisch begrüßt den Zugang in seinem Team: „Anja lebt vor, was es für Handball auf Top-Niveau braucht. Dieses Vorbild in Verbindung mit ihrem organisatorischen Talent wird uns einen Push geben.“ Und auch der neue Sport-Vorstand Ingo Meckes, der sie nach Olympia in Paris ins Boot geholt hat, verteilt Vorschusslorbeeren: „Anjas Erfahrungen in verschiedensten Rollen werden uns helfen. Sie ist ein charismatischer Typ und wird mit ihrer begeisternden Art noch mehr Menschen für Frauenhandball faszinieren.“
Großes Potenzial
Und in der Tat sieht die Magdeburgerin großes Potenzial. „Ich bin eine Verfechterin des Frauenhandballs, der auf seine Art faszinierend ist und ganz andere Facetten hat als der Männerhandball. Da geht noch viel mehr.“ Warum nicht einfach beides genießen? Und beides wertschätzen? „Mir will nicht in dem Kopf, dass eine Frau in dem Sport weniger wert sein soll als ein Mann, wo doch beide das Gleiche tun und investieren.“ Dass ein Profihandballer eine ganze Familie ernähren könne, „eine Handballerin auf Erstliga-Niveau dagegen neben dem Training noch jobben muss, um über die Runden zu kommen, ist doch nicht gerecht.“
Und einmal in Fahrt, hält Anja Althaus ein flammendes Plädoyer für die Frauen: „Gleichberechtigung erreicht man nicht durch das Gendersternchen. Gleichberechtigung ist, wenn man uns die Chance gibt, uns zu beweisen. Auch in Führungspositionen.“ Es sei an der Zeit, die Männer-Clubs aufzumischen. Auch im Handball. „Und das nicht der Parität wegen, sondern weil wir Frauen es können und wir einen anderen Blickwinkel haben, um Sachen voranzutreiben. Wir brauchen einfach mehr Frauen, die den Mut und die Eier haben, was anzugehen. Punkt.“
Das musste mal gesagt werden.
Ein Hoch auf Magdeburg
Und noch etwas: Wenn es um eine gute Basis und um Mut und Vertrauen geht, zieht das Handball-Sprachrohr stets Magdeburg als Vergleich heran. „Bennet Wiegert, Yves Grafenhorst, Christoph Theuerkauf, ich – wir sind an der Sportschule alle den selben Weg gegangen. Ja, die Schule war hart, aber sie hat uns geprägt. Ich bin überzeugt, ohne sie wären wir alle nie soweit gekommen.“ Um so mehr schmerze sie die Entwicklung des Mädchen- und Frauen-Handballs vor Ort. „Es bricht mir das Herz, zu sehen, wie alles mit der Zeit den Bach herunter gegangen ist.“
Den SCM-Verantwortlichen von heute zollt sie indes Respekt: „Sie haben ,Benno’ vertraut und die Chance gegeben, sich zu beweisen und seinen Weg zu gehen. Und schaut, was dabei herausgekommen ist, wenn man ein ,Magdeburger Kind’ mal machen lässt: Eine mega Erfolgsgeschichte!“