MZ-Weihnachtsserie Mein besonderes Weihnachten: Mit Karpfen blau statt grüner Klöße
Wie ein junger Mann aus Oberschlesien nach Krieg und Vertreibung und eine Hotelierstochter aus Thüringen zueinander und an der mittleren Elbe ihre neue Heimat fanden.
Rosslau/MZ. - Er hat seinen Hochzeitstag nie vergessen und auch nicht die Geschenke dazu. Das sagt Johannes Buchta im Brustton der Überzeugung. Und doch sitzt dem heute 89-Jährigen der Schalk im Nacken und funkelt aus den Augen. Das quittiert die zwei Jahre jüngere Jutta mit gewitztem Seufzer und Kosenamen: „Ach Hans“. Denn die Hochzeit vor 64 Jahren fiel auf Heiligabend.
Und da gaben sich nach dem abgeschlossenen Chemiestudium an der Ingenieurschule Frédéric Joliot-Curie Köthen die aus dem thüringischen Fachwerkstädtchen Schmalkalden kommende Jutta und der aus dem oberschlesischen Gleiwitz stammende Hans das Jawort. Es sollte zur Weihnachtszeit im Wartburgkreis Eisenach sein, wo die Brauteltern Piehler lebten. Das Standesamt dort aber hatte einzig noch am Heiligabend geöffnet. Der fiel 1960 auf einen Sonnabend, da war noch ein Termin frei und der sechste Tag der Woche war noch Werktag und zur Hälfte arbeitsfrei. „Und es wurde auch Zeit“, meldet sich Jutta sachlich zu Wort. Dass die zwei einstigen Kommilitonen zusammenbleiben wollten, stand fest. Auch hatte sich bereits der erste Nachwuchs angekündigt.
Große Lauferei nach Hochzeitsmahl
Somit haben die Buchtas am 24. Dezember geheiratet und das nach ihren Worten nie bereut. Bei der Ausgestaltung des unvergesslichen Tages haben sich seine Schwiegereltern sehr viel Mühe gegeben, sagt Hans Buchta wieder mit breitem Schmunzeln. Denn die Piehlers waren im Hotellerie-Geschäft zu Füßen der Wartburg fest etabliert und hatten die Beziehungen für außergewöhnliche Beigaben zum Schmaus am Weihnachtstisch. Für den „normalsterblichen Ostbürger“ der damaligen Zeit unerreichbar.
Und so geschah es also, dass Schwiegervater Piehler den Wartburgkreis durchkämmte, um irgendwoher einen Karpfen zu organisieren. Der nämlich war für den Schwiegersohn in spé eine unverrückbare Tradition zum Heiligabend. Bis heute hat der Weihnachtskarpfen gerade im Osten Deutschlands seinen Rang am Heiligabend verteidigt - fast gleichauf mit dem beliebten Kartoffelsalat und Würstchen.
Bei Buchtas wurde es 1960 der doch noch ins Netz gegangene „Karpfen blau“ nach Omas Rezept aus Schlesien. Und er blieb es bis heute. Auch, wenn am ersten Feiertag gern der Gänsebraten verzehrt wurde. Natürlich mit dem Klassiker Thüringer Klöße - auch Grüne genannt, weil zur guten Hälfte aus rohen Kartoffeln.
In Roßlau Heimat gefunden
In Mitteldeutschland ansässig geworden ist die Familie dann durch den Beruf und die Arbeit im gleichen Betrieb. Während Hans Buchta gleich von der Ingenieurschule ins Deutsche Hydrierwerk (DHW) Rodleben kam, machte Jutta, die zuvor den Beruf der Laborantin erlernt hatte, ihr Assistenzjahr in den „Leuna-Werken Walter Ulbricht“ in Merseburg.
Hans wohnte bis zur Hochzeit bei seinem Vater, der nach Kriegsende und Vertreibung in Ragösen Zuflucht gefunden hatte. Der erste Sohn Bodo kam 1961 in Eisenach zur Welt. Im gleichen Jahr wechselte dann auch Jutta ins DHW. Ihre erste gemeinsame Wohnung konnten die Buchtas in Roßlau in der Porsestraße beziehen. In der Elbestadt ging Bodo dann auch zur Schule. Mutter Jutta machte betrieblich im DHW ab 1966 als Abteilungsleiterin in der Fettsäureproduktion Karriere.
Als sich ein Jahr später der in Roßlau geborene zweite Sohn Ralf zur Familie gesellt hatte, trat Doppel-Mutti Buchta ein wenig auf die Bremse, arbeitete wieder im Labor, später dann in der Forschung und wissenschaftlichen Bibliothek des Chemiebetriebes am nördlichen Elbufer. Bis zur friedlichen Zeitenwende 1989/90 ihr Arbeitsleben den Abschluss fand. Hans Buchta ging 1992 mit 57 Jahren in den Vorruhestand und drei Jahre darauf in Rente.
In Roßlau lebt das Ehepaar bis heute in der Eichendorffstraße. Das Weihnachtsfest blieb immer besonders: Sohn Ralf spielte als Trompeter zum Festtag auf, Ortsbürgermeisterin Christa Müller gratulierte und einmal trat sogar der damalige Dessau-Roßlauer Oberbürgermeister Klemens Koschig mit dem hiesigen Blasorchester im kleinen Format auf.