Anschlag in Magdeburg auch Thema „Die SPD lernt nichts": Spitzenkandidat Martin Kröber stellt sich am Telefon der Leserkritik
Vor der Bundestagswahl sitzen Spitzenkandidaten am Lesertelefon. Heute Martin Kröber, SPD. Was viele aufregt: Die Besteuerung der Renten und ein Gefühl der Unsicherheit nach dem Anschlag in Magdeburg. Ein Leser legt nach heftiger Kritik gleich auf.
Magdeburg - Am 23. Februar wird ein neuer Bundestag gewählt. Zuvor sitzen Sachsen-Anhalts Spitzenkandidaten von sechs Parteien am Lesertelefon und stellen sich den Fragen der Anrufer.
Heute: Martin Kröber, SPD. Er gewann 2021 das Direktmandat in Magdeburg und zog daraufhin in den Bundestag. Zuvor arbeitete er sieben Jahre lang bei verschiedenen Gewerkschaften. Kröber wurde 1992 in Halberstadt geboren.
Steigende Belastungen: Besteuerung der Renten im Fokus
Horst Neumann, Magdeburg: Viele Sport-Sendungen laufen nur im Bezahlfernsehen. Das können sich aber viele Rentner nicht leisten. Der Kapitalismus macht uns kaputt. Aber es wird nichts dagegen unternommen. Warum seid Ihr so machtlos?
Martin Kröber: Wir setzen uns dafür ein, dass das Rentensystem stabilisiert wird. Was die Sportsendungen angeht - da können wir Politiker leider nicht viel machen.
Sozialsysteme und Gerechtigkeit: Stimmen der Bürger
Doris Bock, Egeln-Nord: Wann denkt die Bundesregierung darüber nach, die Renten nicht mehr zu besteuern? Hinzu kommt, dass nach jeder Rentenerhöhung mehr Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung anfallen und von der Erhöhung nicht viel übrigbleibt.
Kröber: Was die Steuern angeht, da sind wir uns grundsätzlich einig. Ich persönlich halte es für falsch, dass Renten besteuert werden. Allerdings gibt es im Moment keine politische Mehrheit dafür, die Besteuerung der Renten abzuschaffen.
Allerdings habe ich einen gesunden Optimismus, dass dies künftig korrigiert wird. Es ist zudem fraglich, wie lange die Finanzämter es noch stemmen können, Millionen Steuererklärungen von Rentnern zu bearbeiten.
Was die Sozialversicherung betrifft, habe ich allerdings eine andere Meinung als Sie: Dieses System basiert auf Solidarität. Wenn man mehr Geld bekommt, so zahlt man dann auch mehr in die Kranken- und Pflegeversicherung ein.
Das halte ich für richtig. Allerdings plädiere ich dafür, die Beitragsmessungsgrenzen abzuschaffen, damit Spitzenverdiener prozentual angemessen beteiligt werden und mehr als heute einzahlen.
Bock: Ich habe 47 Jahre Vollzeit gearbeitet und habe doch schon jede Menge in die Sozialsysteme eingezahlt. Wieso sollen Rentner weiter belastet werden, obwohl die Rente oft nur gerade so zum Leben reicht?
Kröber: Bei der Sozialversicherung gilt das Prinzip: Es zahlt jeder denselben prozentualen Beitrag seines Einkommens - das gilt für alle. Anders kann das System nicht funktionieren. Das Problem ist meiner Ansicht nach ein anderes: Viele Renten sind zu niedrig. Daher setzen wir uns für eine Stabilisierung der Renten sowie für höhere Mindestrenten ein.
Unsicherheit in Deutschland: Diskussion über Sicherheitspolitik
Peter Meyer, Burg: Mich bewegt der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Ich finde, daran hat auch die SPD eine Aktie. Ihre Bundes-Integrationsbeauftragte (Reem Alabali-Radovan, SPD - Anmerkung der Redaktion) hat auf ihrer Plattform im Internet auf neun verschiedenen Sprachen Tipps gegeben, wie man sich gegen eine Abschiebung wehrt. (Die CDU im Bundestag hat das heftig kritisiert - Anm. d. Red.). Wie kann man denn auf die Idee kommen und Ausweisungen verhindern? Darunter sind dann Leute wie der Attentäter in Magdeburg.
Kröber: Ich kenne diese Veröffentlichung leider nicht. Aber lassen Sie mich bitte grundsätzlich folgendes sagen: Gut jeder Vierte in Deutschland kommt aus dem Ausland...
Meyer: Das möchte ich jetzt nicht hören. Migration ist ein Schwerpunkt. Frau Faeser hätte auch bei den Kalifat-Demos in Hamburg schnell einschreiten müssen. Die SPD lernt nichts. (Er legt auf.)
Doppelbesteuerung und Einkommenssteuern: Was Rentner bewegt
Michael Röhlig, Wanzleben: Ich bin Rentner und frage: Wann hört die Doppelbesteuerung der Rentner endlich auf?
Kröber: Ich halte die Besteuerung der Rentner für einen großen Fehler. Ich werde ich mich in der SPD weiterhin für ein Ende der Renten-Besteuerung einsetzen. Außerdem müssen wir einen Weg finden, wie Menschen mit geringen Einkommen eine vernünftige Rente bekommen.
Röhlig: Alle müssten in die Rentenkasse einzahlen - auch Politiker und Beamte.
Kröber: Ja, da bin ich Ihrer Meinung.
Röhlig: Die SPD hat außerdem schon lange versprochen, die Einkommenssteuern zu senken, doch nichts ist passiert.
Kröber: Wir haben in dieser Legislaturperiode die Einkommenssteuern gesenkt. Das reicht noch nicht aus - aber dafür kämpfen wir in einer nächsten Regierung.
Röhlig: Wenn Rentner arbeiten und sich etwas hinzuverdienen, dann werden sie bei der Steuer kräftig abgezogen.
Kröber: Wir haben die Freigrenzen angehoben.
Röhlig: Davon habe ich nichts gemerkt. Ich habe dreieinhalb Jahre als Rentner gearbeitet und in Größenordnungen Steuern bezahlt.
Kröber: Dann kommen Sie gerne in mein Abgeordnetenbüro nach Magdeburg oder ich komme zu Ihnen nach Wanzleben, und wir schauen uns das an. Ich gebe Ihnen meine Mailadresse.
Migration und Integration: Kontroverse Perspektiven
Katrin Schlör, Halberstadt: Ich denke, der Anschlag in Magdeburg ist auch durch Pflichtverletzungen des Staates entstanden. Wozu braucht man denn noch ein psychologisches Gutachten für den Täter, wo er doch bis zuletzt als Arzt praktiziert hat? Wie sehen Sie das?
Kröber: Ob ein psychologisches Gutachten nötig ist oder nicht, das zu beurteilen maße ich mir nicht an. Das ist der Job der Justiz.
Was aber im Vorfeld des Attentats falsch gelaufen ist, das muss aufgearbeitet werden. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Aber nachdem, was wir bis jetzt wissen, bin ich schon einigermaßen irritiert, wie häufig dieser Mann den Ermittlungsbehörden aufgefallen ist, ohne dass dort entsprechend reagiert wurde. Es sieht so aus, dass dort nicht gut gearbeitet wurde. Das ist sehr besorgniserregend, eine Schweinerei. Was wohl auch daran liegt, dass Behörden personell nicht gut genug aufgestellt sind.
Schlör: Die Außenministerin will Syrien jetzt 60 Millionen Euro überweisen. Wäre es nicht besser, das Geld den Betroffenen des Anschlags in Magdeburg zu geben?
Kröber: Wir sind uns darin einig, dass wir den Angehörigen der Opfer und allen Verletzten ausreichend helfen müssen. Dafür wird gerade ein Fonds aufgelegt. Aber: Ich halte es schon für schlau, in bestimmten Ländern Geld zu investieren, damit Menschen dort eine besserer Zukunft haben und weniger Menschen hierher flüchten müssen. Ich würde das nicht miteinander vermengen.
Schlör: Die breite Masse ist aber nicht mit dieser Politik einverstanden. Früher brauchten wir keine Poller für unsere Weihnachtsmärkte. Das Leben ist in Deutschland unsicherer geworden. Das ist inakzeptabel.
Kröber: Ich glaube auch, dass wir mehr für unsere Sicherheit tun müssen. Justiz und Polizei müssen finanziell und personell besser ausgestattet werden. Wenn Hinweise kommen, müssen Polizisten ihren Job machen und konsequent handeln können.
Schlör: Wir müssen unsere Grenzen besser sichern, wir dürfen nicht alle hereinlassen.
Kröber: Wir waren nicht untätig. Wir haben erstmals eine Aufteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU hinbekommen.
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Bildungspolitik und Chancengleichheit: Forderungen nach Reformen
Günther Roscher, Klein Ammensleben: Ich habe einen Vorschlag für eine Friedenszone zwischen Russland und der EU entwickelt - statt Russland zu besiegen.
Kröber: Schicken Sie mit Ihrem Konzept gerne zu. Die SPD hat aber nie gesagt, Russland zu besiegen. Unser Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich hat deutlich hervorgehoben: Wir wollen Frieden, wir wollen kein Land besiegen. Beide Seiten müssen bei einer möglichen Verhandlung ihr Gesicht wahren können - Russland wie auch die Ukraine.
Hans-Joachim Riemann, Dedeleben: Wann wird der Zugang zu weiterführenden Schulen wie Gymnasien und Sekundarschulen endlich bundeseinheitlich geregelt? Was nützt es, wenn Kinder nach Klasse vier aufs Gymnasium gehen, und dann dort schnell scheitern?
Kröber: Da sind wir uns einig. Auch ich bin überzeugt, dass man in der vierten Klasse noch nicht beurteilen kann, auf welche weiterführende Schule ein Kind gehen sollte. Ich denke, dass wäre nach der achten Klasse besser möglich. Die SPD hatte schon vor 15 Jahren ein Konzept für Gemeinschaftsschulen entwickelt - konnte sich damit aber nicht in allen Punkten durchsetzen.