Diesel-Skandal VW verliert Prozess in Magdeburg
Das Landgericht Magdeburg hat zugunsten eines Passat-Besitzers entschieden, der vom Diesel-Skandal bei Volkswagen betroffen ist.
Magdeburg l Vor dem Landgericht Magdeburg hat sich ein Passat-Besitzer aus Stendal gegen den Volkswagen-Konzern durchgesetzt. Wie die Volksstimme erst jetzt erfuhr, muss ein Magdeburger VW-Autohaus das Diesel-Modell, das es einst an den Stendaler verkaufte, wieder zurücknehmen. Der Kläger erhält vom Händler für die Rückgabe den Kaufpreis von 26.900 Euro nebst Zinsen erstattet, muss dem Autohaus aber im Gegenzug eine Nutzungs-Entschädigung von 6500 Euro überweisen, weil er den Wagen eine Zeit lang gefahren hatte.
Ob Volkswagen in Berufung gegen das Urteil vom 15. Juni (mit dem Aktenzeichen 9 O 1498/16) geht, sei derzeit noch unklar, teilte ein Sprecher des Landgerichts am Dienstag auf Anfrage mit. Eine Berufung würde im Zweifelsfall vor dem Oberlandesgericht in Naumburg verhandelt werden.
Bei seiner Entscheidung orientierte sich Richter Robert Glinski unter anderem an der Bewertung des Aachener Landgerichts in einem ähnlichen Fall. Wie aus der Urteilsbegründung hervorgeht, sei dem Autobesitzer demnach durch den Einsatz der Manipulationssoftware ein Schaden entstanden. Unter anderem deshalb, weil die Mängelbeseitigung – anders als von VW bislang dargestellt – von erheblichem Umfang gewesen sein soll. So mussten Behörden die von VW vorgeschlagene Umrüstung erst aufwendig prüfen und genehmigen.
Vor diesem Hintergrund, so argumentierte der Richter, sei nicht auszuschließen, dass sich die Manipulation negativ auf den Wiederverkaufspreis des Autos auswirken könnte, zumal auch in den Medien darüber diskutiert worden sei, ob die Diesel-Modelle jetzt nicht mehr Sprit verbrauchen als vor der Umrüstung.
Deutschlandweit liegen Tausende Einzelklagen von Autobesitzern bei Gerichten vor. Eine einheitliche Rechtsprechung im Diesel-Skandal zeichnet sich bislang nicht ab. Manche Gerichte entscheiden zugunsten des Autobauers, andere wiederum zugunsten der klagenden Autobesitzer. Die Juristen beim Landgericht Magdeburg gehen davon aus, dass sich eine einheitliche Rechtsprechung erst dann durchsetzen wird, wenn sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Abgas-Skandal und den Ansprüchen der Autobesitzer auseinandergesetzt hat.
Bis es soweit ist, könnten allerdings noch Jahre vergehen. Denn Entscheidungen von Landgerichten werden zunächst von den Oberlandesgerichten überprüft. Erst danach würde der BGH als letzte Instanz tätig werden.
Rechtsanwalt Ralf Stoll macht klagewilligen Auto-besitzern allerdings Mut. „In letzter Zeit haben die Gerichte häufiger zugunsten des Klägers entschieden“, so Stoll. Der Jurist hatte jüngst nicht nur mit dem Passat-Besitzer aus Stendal Erfolg – seine Kanzlei vertritt deutschlandweit rund 3000 VW-Kunden. „Die Chancen stehen mittlerweile 50 zu 50“, sagt er. Und das liege aus seiner Sicht vor allem daran, dass sich Volkswagen dagegen wehrt, interne Untersuchungsberichte zum Diesel-Skandal zu veröffentlichen.
„Autobesitzer hätten vor Gericht noch mehr Chancen auf Erfolg, wenn sich herausstellen würde, dass der VW-Vorstand von den Manipulationen wusste“, erklärt er. Dass der Autobauer die Untersuchungsberichte nicht offenlegt, gebe Anlass zu der Vermutung, dass die darin enthaltenen Erkenntnisse die Vorstände belasten könnten. „Und diese Sicht der Dinge vertreten inzwischen auch immer mehr Richter“, so Stoll. „Viele von ihnen verlangen für die Mitwisserschaft des Vorstandes inzwischen keine Beweise mehr, sondern gehen in ihrer Gesamtbewertung davon aus, dass die Vorstände von den Manipulationen wussten.“ Stoll rät VW-Kunden insofern weiter zu Klagen vor Gericht.
Wer sich als Besitzer eines betroffenen Diesel-Modells noch nicht damit beschäftigt hat, sollte sich allerdings beeilen. Ende 2017 läuft die Klagefrist aus, danach droht die Verjährung möglicher Ansprüche gegen den Wolfsburger Autobauer.