"Posttraumatischer Wachstum" Glücksforscherin: Schicksalsschläge können stärker machen
Wenn man einen Angehörigen verliert oder Opfer einer Katastrophe wird, kann man sich schwer vorstellen, wieder glücklich zu werden. Forscher haben belegt, dass das geht.
Trier (dpa) - Menschen können aus sehr schweren Lebenskrisen persönlich gestärkt hinausgehen - davon ist die Glücksforscherin Michaela Brohm-Badry überzeugt. Zwar gehe es nach Schicksalsschlägen oder erlebten Katastrophen zunächst in der Regel darum, ein Trauma zu bewältigen.
"Zusätzlich gibt es aber bei rund 60 Prozent der Menschen, die traumatisiert sind, einen Entwicklungsschub, einen Wachstumsschub", sagte die Professorin an der Uni Trier der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe also nicht nur "die posttraumatische Belastungsstörung - also das Betroffensein von Trauma", sondern auch das "posttraumatische Wachstum" - das in der deutschsprachigen Forschung bislang kaum thematisiert worden sei.
In den USA hätten Forscher sich nach dem Trauma der Terroranschläge vom 11. September 2001 mit fast 3000 Toten stark mit diesem Ansatz beschäftigt. Seitdem sei diese Forschung international gewachsen. Zahlreiche empirische Befunde von Krebspatienten sowie von Opfern von Brand-, Schiffs- oder Gewaltkatastrophen belegten, "dass dem Leid neben den belasteten Emotionen auch stärkende, positive Emotionen folgen können", sagte Brohm-Badry, die auch Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Positiv-Psychologische Forschung ist.
Die, die das Trauma überwunden hätten, seien "innerlich stärker und klarer" als vorher. "Man erlebt eine Stimmigkeit mit sich selbst und kann wesentlich stärker unterscheiden, was wichtig und was unwichtig ist im Leben." Brohm-Badry (57) hat den Prozess selbst durchgemacht: Sie hatte 2011 den Riss eines Aneurysmas (Arterienerweiterung) im Gehirn erlitten und wäre fast gestorben. Zu den positiven Folgen von Leid-Erfahrungen hat Brohm-Badry ein Buch "Das gute Glück" geschrieben, das gerade erschienen ist. Nach zwölf Fachbüchern ist dies ihr erstes populärwissenschaftliche Buch.
"Das posttraumatische Wachstum ist ein Prozess, der Zeit braucht", sagt die Professorin für Empirische Lehr-Lern-Forschung. Man müsse es aber nicht forcieren: "Es kommt von selbst." Bei ihr persönlich habe die Veränderung nach rund einem Jahr eingesetzt. "Dass ich plötzlich so ein Gefühl hatte, ich bin viel klarer als vorher in meiner Perspektive auf die Welt und die Menschen." Sie konzentriere sich seitdem mehr auf Wesentliches im Leben - und nehme sich die Freiheit, "auch mal was anbrennen zu lassen. Man muss nicht jede Gelegenheit ergreifen."
Warum aber das "gute" Glück"? In ihrem Buch gehe es nicht um das kurzfristige Glück, das man erlebe, wenn man etwas geschafft habe. Es gehe um ein anderes Glück: "Um die Stimmigkeit mit sich selbst, um das langfristige, ruhige Glück", sagte die Wissenschaftlerin. Man könne dieses natürlich auch ohne erlebtes Trauma finden. "Aber Schmerz scheint ein Katalysator zu sein."