Coronavirus Absage für Autokinos im Harz?
Autokinos erleben in der Corona-Krise ein Comeback. Auch im Harz - wenn es nach den Kinobetreibern geht. Die Behörden sehen das anders.
Halberstadt/Wernigerode l In den Volkslichtspielen in Wernigerode tut sich etwas. Das Licht ist an. Auf beiden Leinwänden flimmern Filme. Wird etwa die Wiedereröffnung vorbereitet? „Nein“, sagt Kino-Pächter Andreas Adelsberger bedauernd. „Ich habe nicht die Hoffnung, dass wir so schnell wieder aufmachen dürfen.“ Er kontrolliere nur, ob die Technik noch funktioniere. Immerhin sei das Kino seit einem Monat geschlossen. Auf behördliche Anordnung, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Für Adelsberger und sein elfköpfiges Team bedeutet das eine Zwangspause auf unbestimmte Zeit. Für die Festangestellten sei Kurzarbeit beantragt, die sechs Mini-Jobber seien freigestellt. Die finanzielle Durststrecke sei hart. „Aber drei Monate Schließung muss man als Unternehmer aushalten können. Es kann immer etwas passieren. Man kann krank werden oder die Technik geht kaputt“, sagt der Wernigeröder.
Das Schlimmste an der jetzigen Situation sei für ihn, nichts zu tun zu haben. Damit wolle er sich nicht abfinden und suche Alternativen, um auch in Corona-Zeiten Leinwand-Erlebnisse zu bieten. „Zum Beispiel mit einem Familien-Kino-Tag.“ Der Plan: Wer ohnehin zusammen in einer häuslicher Gemeinschaft lebe, hätte sich für einen Nachmittag einen Vorführsaal mieten und Filme auf großer Leinwand schauen können. Garantiert kein Kontakt zu anderen, danach werde desinfiziert. „Dafür gab es vom Gesundheitsamt eine Absage“, so Adelsberger.
Idee Nummer zwei: ein Autokino. „Die sind fast in Vergessenheit geraten und erleben seit Corona eine Renaissance“, so der Unternehmer. Der sprunghafte Erfolg sei schnell erklärt: Abwechslung von der häuslichen Isolation ohne gegen das Kontaktverbot zu verstoßen. „Wir würden die Tickets ausschließlich online verkaufen, sie würden am Eingang gescannt, das ginge durch die geschlossene Scheibe hindurch“, erläutert der Unternehmer. Snacks und Getränke dürften die Zuschauer mitbringen.
Eine Fläche für diese Pläne war schnell gefunden: Der Parkplatz hinter dem Marstall. 50 bis 60 Autos haben dort Platz. Er, so Adelsberger, habe schon Kontakt zu anderen Kinobetreibern in Deutschland aufgenommen und sich mit ihnen ausgetauscht. Veranstaltungsprofis aus Wernigerode seien von seiner Idee sofort begeistert gewesen und mit Technik sowie ihrem Knowhow mit im Boot. „Wir haben eine LED-Leinwand. So könnten wir tagsüber Filme für Kinder und Familien zeigen.“ Auch mit Filmverleihern und notwendigen Lizenzen sei alles geklärt. Bereits zu Ostern sollte es losgehen.
Allein: Der Enthusiasmus sei von behördlicher Seite gebremst worden. „Ich habe das Konzept dem Gesundheitsamt vorgestellt und gefragt, ob es umsetzbar ist“, so Adelsberger. „Die Mitarbeiter waren sehr nett und hilfsbereit, aber wir haben eine Absage erhalten.“
Was spricht denn gegen ein Autokino? „Das Ordnungsamt hat Veranstaltungen, die im Kino selbst oder im Rahmen von dessen Organisation als große Veranstaltung laufen, untersagt. Die Schließung von Kinos und das Verbot von Veranstaltungen ist in der Landesverordnung klar geregelt und wird dementsprechend vom Ordnungsamt umgesetzt“, lautet die Antwort von Franziska Banse, Sprecherin der Harzer Kreisverwaltung, auf Volksstimme-Nachfrage.
Eine Auffassung, die das Landesverwaltungsamt mit Blick auf die Corona-Regeln teilt. „Ein Besuch im Autokino ist kein triftiger Grund, das Haus zu verlassen“, gibt Denise Vopel, Sprecherin der Behörde, zu bedenken. „Das Bedürfnis nach Zerstreuung ist selbstverständlich gerade groß, und es ist schön, dass sich Menschen Gedanken machen und kreativ werden, um es zu erfüllen. Aber in dieser Zeit müssen wir konsequent bleiben.“
Diese Haltung sei übertrieben, kontert Erdmute Clemens, Chefin der Wernigerode Tourismus GmbH (WTG). „Gesundheit geht natürlich vor, aber das geht zu weit.“ Sie habe keine Probleme hinsichtlich Kontaktverbot und Abstandsregeln gesehen, als sie von den Autokino-Plänen hörte, im Gegenteil. „Wir fanden die Idee toll und sind sofort bereit gewesen, die Sache zu unterstützen.“ Indem sie die Fläche bereitstelle. Die WTG sei Mieter des Marstall-Parkplatzes. Clemens sieht Parallelen zwischen der Absage an das Kino und dem Verbot für Balkon-Konzerte (die Volksstimme berichtete).
Dass dieses Verbot innerhalb weniger Tage relativiert wurde, gibt den Autokino-Planern Hoffnung, nicht nur in Wernigerode. Beinahe zeitgleich ist dieselbe Idee in Halberstadt aufgekommen.
Abgesehen von Gutschein-Verkäufen bleiben auch die Kassen der dortigen Zuckerfabrik leer, berichtet Kino-Chef Pierre Zimny. Wie viel die Aktion „#hilfdeinemkino“ einbringt, könne er noch nicht abschätzen. „Die Abrechnung für März kommt erst im Mai“, erläutert er. Die Aktion wurde von der Weischer.Cinema Deutschland GmbH & Co. KG ins Leben gerufen. Die Idee: Am heimischen Computer Werbung ansehen und so das Lieblingskino, das wegen Corona geschlossen bleiben muss, unterstützen. Weischer gibt einen Teil der Werbeumsätze an die Kinos weiter.
Die Idee, den Umsatzausfall mit einem Autokino zu kompensieren, ist auch Zimny nicht fremd. „Allein wäre ich diesen Schritt aber nicht gegangen“, sagt er. „Es ist ein hohes Risiko damit verbunden, die Technik und Lizenzen sind sehr kostspielig.“ Da jedoch Politiker mit dem Vorschlag auf ihn zugekommen seien, würde er den Schritt gehen wollen.
Die Initiative kommt von Daniel Szarata, CDU-Landtagsabgeordneter und Kandidat bei der Oberbürgermeister-Wahl in Halberstadt. Schützenhilfe gibt es von seinem Parteifreund und Bewerber um das Landratsamt Thomas Balcerowski. „Auch der Wehrstedter Hof, mit dem ich seit Jahren zum Sommerkino auf dem Domplatz einlade, ist dabei“, so Szarata.
Sein Plan: Am verlängerten ersten Maiwochenende ein Kino-Event auf dem Anger anbieten. „Den Leuten fällt allmählich die Decke auf den Kopf, man muss ihnen auch in diesen Zeiten etwas bieten“, sagt der Halberstädter. „Überall entstehen gerade Autokinos. Warum sollen wir als Kreisstadt das nicht auch können?“
Die Tickets sollen ebenfalls online verkauft werden. „Wir überlegen noch, wie es möglich ist, sich an alle Regeln zu halten und dennoch Snacks anbieten zu können“, sagt Szarata. Auch sei noch offen, ob und unter welchen Voraussetzungen Toiletten bereitgestellt werden. „Ich hoffe, dass wir in diesen Punkten gemeinsam mit dem Gesundheitsamt eine Lösung erarbeiten können.“
Am heutigen Montag will Szarata seine Pläne den Behörden vorstellen. Nicht nur er hofft auf Zuspruch. Denn wird die Veranstaltung in Halberstadt genehmigt, stehen auch die Karten für Wernigerode besser.