Adel Kaffeeklatsch mit einem Grafen
Die Kunrauer Radfahrer radelten am Dienstag in den Heidau. Dort trafen sie sich zum gemütlichen Plausch mit Graf Günzel von der Schulenburg.
Kunrau l Durch seine Adern fließt blaues Blut. Er liebt Pferde. Doch auf einem hohen Ross sitzt Graf Günzel von der Schulenburg augenscheinlich nicht. Als der Adlige am Dienstag im Heidau die Bekanntschaft der altmärkischen Radfahrer machte, die am Kunrauer Schloss gestartet waren, gab er sich ganz bescheiden, setzte sich in ihre Mitte und erzählte bei Kaffee und Kuchen einige Episoden aus dem Leben und Wirken seiner Familie.
Deren Ursprünge reichen weit zurück. Ziemlich weit sogar. Bis in das 13. Jahrhundert. Stammsitz war einst ein Anwesen an der Jeetze bei Salzwedel. Später wurde das Geschlecht in der Burg Beetzendorf sesshaft und erlangte zudem Lehen in Apenburg. Im 14. Jahrhundert teilte sich die Familie in zwei Stämme. Der Wolfsburger Zweig, so berichtete Graf Günzel, wurde 1718 durch die Heirat von Adolf Friedrich Graf von der Schulenburg aus Beetzendorf mit Anna Adelheid von Bartensleben begründet. Somit wurde das Schloss Wolfsburg zum Zuhause der Herrschaften.
Doch in den 1930er Jahren wurde das damals noch beschauliche Örtchen an der Aller zum „Mittelpunkt des Deutschen Reiches“ erklärt, wie der Graf erinnerte. Hier sollten das Volkswagenwerk und die Stadt des KdF (Kraft durch Freude, die Red.)-Wagens entstehen. Seine Familie musste das Schloss – inklusive 2000 Hektar Land – hergeben und sich eine neue Bleibe suchen. Innerhalb von vier Jahren entstand daher ab 1938 das Schloss Neumühle. Eigentlich, so informierte der Graf, wollte sein Vater einen nicht unerheblichen Teil des beweglichen Vermögens für museale Zwecke zur Verfügung stellen. Aber das wurde abgelehnt. Also musste sämtliches Hab und Gut auf Eisenbahnwaggons, die sich schließlich über eine Länge von 900 Metern erstreckten, verladen und nach Sachsen-Anhalt geschafft werden. Im Schloss Neumühle, das wegen des vielen Inventars größer wurde als anfangs geplant, wohnten die von Schulenburgs dann von 1942 bis 1945. „Ich besuchte die Volksschule in Tangeln“, entsann sich der Graf. Kurz vor dem Einzug der Roten Armee flüchtete die Familie zurück in den Westen.
Ihren Lebensunterhalt verdient sich die Familie heutzutage als Unternehmer in der Land- und Forstwirtschaft. Im Bereich der Stadt Wolfsburg sowie auf dem Gebiet des Landkreises Helmstedt werden auf mehr als 700 Hektar vor allem Gerste, Raps, Weizen und Zuckerrüben angebaut. Hinzu kommen mehr als 5000 Hektar Forstfläche in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Zum Angebot gehören neben der Vermarktung von Holz auch Dienstleistungen wie etwa das Durchforsten privater Waldflächen. Ein weiteres Standbein des Betriebs, dessen Basis sich in Nordsteimke befindet, sind Verkaufsjagden. Und, nicht zu vergessen, die Veräußerung von Weihnachtsbäumen. Auf diese Idee kam Graf Günzel von der Schulenburg im Jahr 1972. Gezwungenermaßen. So hatte ein schwerer Sturm gewütet und den Baumbestand im Drömling nahezu vernichtet. Damit die Angestellten in der Forstwirtschaft nicht in die Arbeitslosigkeit rutschten, wurden Weihnachtsbäume angepflanzt. „Auf den kalkhaltigen Böden im Drömling gedeihen die prächtig“, erläuterte Graf Günzel. Allerdings, so räumte der 82-Jährige ein, hatte er zunächst einige Probleme, die Bäume auch an den Mann zu bringen. Abhilfe schuf erst ein nächtliches Gelage mit einem Großhändler.
Dies war nicht die einzige Geschichte, die der Graf zum Besten gab. So berichtete er beispielsweise über seinen Ahnen Matthias Johann von der Schulenburg, der als ranghoher Militär im Dienst von Venedig stand und für die Republik im Jahr 1716 erfolgreich die Insel Korfu gegen die Türken verteidigte. Und nie verheiratet war. „Er musste sich vor so vielen Staatsoberhäuptern verbeugen. Das wollte er zuhause nicht auch noch haben“, scherzte Graf Günzel, dessen Familie bisher 55 Generäle und fünf Feldmarschälle hervorgebracht hat.
Im Heidau ging alles friedlich zu. Etwa anderthalb Stunden nahm sich Graf Günzel Zeit, sprach über seine Leidenschaft für Vierspänner – und auch Gemälde. So gestand er, dass einige seiner weiblichen Vorfahren nicht unbedingt hübsch gewesen sind, aber dennoch auf Gemälden verewigt wurden. „Die Maler fragten dann immer, ob das Bild ähnlich werden soll oder lieber schön.“