30 Jahre Erfolge und Niederlagen Magdeburgs Kinderbeauftragte geht in Ruhestand: Wie es jetzt weitergeht
30 Jahre lang war Katrin Thäger Magdeburgs Kinderbeauftragte. In vielen Bereichen leistete sie Pionierarbeit. Nun verabschiedet sie sich in den Ruhestand und zieht Bilanz.
![Katrin Thäger, hier 2024 während eines Rathausbesuches des Kinderrrates vom Hort am Bördegarten, verabschiedet sich nach 30 Jahren als Kinderbeauftragte der Stadt Magdeburg in den Ruhestrand.](https://bmg-images.forward-publishing.io/2025/02/10/5d951770-cca9-40b2-9f95-051684a4287e.jpeg?rect=0%2C187%2C2667%2C2186&w=1024&auto=format)
Magdeburg - Attribute wie sanft und warmherzig, vertrauensvoll und liebenswürdig mögen keinesfalls zu hoch gegriffen sein, wenn es darum geht, das Wesen von Katrin Thäger zu beschreiben.
Katrin Thäger kann aber auch anders. Nämlich dann, wenn es darum geht, in Politik und Verwaltung die Rechte von Kindern und Familien zu vertreten. Als Sprachrohr der Jugend steigt sie für die Belange des Nachwuchses auch mal in den Ring. Oder besser: Sie stieg.
Strukturen statt Aktionismus
Denn nach knapp 30 Jahren als Kinderbeauftragte der Stadt Magdeburg hat sich die 62-Jährige in den Ruhestand verabschiedet. Sie werde sich jetzt nun vor allem ihren drei Enkeln widmen. „Mit ihnen will ich die Spielplätze erobern“, verrät sie. An der Entstehung vieler habe sie ja selbst mitgewirkt – im Auftrag der Kinder versteht sich.
Jüngstes Beispiel ist der Japan-Spielplatz in der Crucigerstraße. Bei der Gestaltung der Spielgeräte konnten die Jungen und Mädchen kreativ sein und mitreden – eine Errungenschaft, die nicht zuletzt auf das Wirken der Kinderbeauftragten zurückgeht. In vielen Bereichen leistete sie Pionierarbeit. Konzepte, Projekte, Analysen und Prüfungen rund ums Wohl des Nachwuchses – die Bilanz ihres Schaffens ist lang. Dabei war eines immer wichtig: „Dass wir Strukturen bilden und nicht nur Aktionismus betreiben.“
Teilhabe an Entscheidungen
Die Entwicklung eines Beteiligungskonzeptes für Kinder und Jugendliche in der Stadt gehörte zu den letzten großen Maßnahmen, die sie initiierte. Auf der Basis dieses Konzeptes wurden zwei Koordinatorenstellen geschaffen und ein Budget von 15.000 Euro freigegeben. Darauf sei sie stolz. „Denn damit können wir wirklich Projekte von Kindern mit Kindern umsetzen“, sagt sie.
Kinder und Jugendliche in Entscheidungsprozesse stärker einzubeziehen, war seit der ersten Stunde Motivation und Antrieb gleichermaßen. Gelungen ist ihr das zweifelsohne mit dem Konzept des Magdeburger Jugendforums, das sie gemeinsam mit Jugendlichen erarbeitete und das 2003 vom Stadtrat beschlossen wurde. Mit eigener Geschäftsstelle und eigenem Budget brachten die Jugendlichen reale Ratsanträge ein, setzten über 200 Projekte um und nahmen aktiv an Entscheidungsprozessen teil. Nach zehn Jahren wurde das Projekt ad acta gelegt, da die Jugend erwachsen wurde und sich kein Nachwuchs fand, der das Jugendforum auf diese Art weiterführen wollte. Bis heute konnte kein Beteiligungsprojekt an die Erfolge des Jugendforums anknüpfen. „Ich bedauere, wenn ich denke, wie weit wir schon mal waren.“
Kita-Sozialarbeit in Magdeburg stärken
Nicht minder bedeutend ist ihr Zutun bei der Etablierung der Kita-Sozialarbeit in Magdeburg. Bereits 2015 sei der Wunsch danach laut geworden, erzählt sie. „Wir wollten die Erzieher entlasten.“ Denn diese berichteten Katrin Thäger zunehmend von Kindern mit Autismus, Traumata und anderen Verhaltensauffälligkeiten, von sozialen Problemen in den Familien und hilfesuchenden Eltern. „Erzieher haben einen Betreuungsauftrag, auf den sie sich konzentrieren müssen. Sie können nicht noch leisten, Psychologe oder Sozialarbeiter zu sein.“ Und neben der Betreuung haben sie auch einen Bildungsauftrag. „Die Erzieher legen zu Recht auch Wert darauf, denn gerade diese Aufgabe nimmt sehr viel Zeit in Anspruch“. Fünf Jahre lang kämpfte sie mit zahlreichen Mitstreitern und in entsprechenden Fachkreisen um die Etablierung der Kita-Sozialarbeit. Mit Erfolg.
„Als die Stellen 2020 besiegelt waren, war jeder stolz darauf. Alle fanden es toll, nannten es sogar ein Leuchtturmprojekt.“ Verwaltung und Politik seien mittlerweile von der Notwendigkeit der Kita-Sozialarbeit überzeugt. „Ich hoffe, dass diese Unterstützung auch perspektivisch so bleibt und die Finanzierung angesichts klammer Kassen nicht dem Rotstift zum Opfer fällt und nicht jedes Jahr erneut um den Erhalt gerungen werden muss."
Finanzen und Bürokratie
Der ständige Kampf um die Finanzierung von Projekten wird Katrin Thäger gewiss nicht fehlen. Erst recht werde sie die sich auftürmenden Stapel von Anträgen, Stellungnahmen, Gutachten und jeglicher anderer Bürokratie nicht vermissen. Diese habe final 75 Prozent ihrer Arbeit ausgemacht. Dabei sei die unmittelbare Arbeit mit den Kindern das Wichtigste und Schönste gewesen. „Ich habe bei den Treffen immer so unglaublich viel mitgenommen. Sie haben mich motiviert – auch und besonders in Phasen, in denen es mal etwas schwieriger war, Dinge voranzubringen.“
Entbürokratisierung wäre daher einer der Wünsche für ihren Nachfolger oder ihre Nachfolgerin - die es übrigens noch nicht gibt. Entbürokratisierung nicht zuletzt, weil es auch für Kinder sehr schwierig sei, wenn Planungen sich unendlich in die Länge ziehen. Jugendliche verzichten sogar auf die Durchführung von Veranstaltungen, weil es viel zu aufwendig ist, sich von zig Stellen Genehmigungen einzuholen.
Geschäftsstelle etablieren
Die Etablierung einer eigenen Geschäftsstelle für die Beauftragten des Sozialdezernates sei ein weiterer Wunsch von Katrin Thäger. Mit eigenem Budget würde sie die künftige Kinderbeauftragte sowie den Behindertenbeauftragten, den Seniorenbeauftragten und den Integrationsbeauftragten gern unter einem „Dach“ arbeiten sehen.
Fokus auf die eigene Familie
Ob dieser Wunsch Realität wird, bleibt abzuwarten. Den Kampf dafür müssen nun andere ausfechten. Katrin Thäger wird zwar mit Rat und Tat zur Seite stehen, doch der Fokus liegt nun auf ihrer eigenen Familie. „Es ist schön, dass ich jetzt auch mal die Zeit habe, meine Enkel vom Gitarrenunterricht oder Rhönrad-Sport abzuholen.“ Und vielleicht komplettiert irgendwann noch ein Hund die Familie. Weil sie selbst gern in der Natur unterwegs ist, Hunde wunderbare Weggefährten sind und weil sich auch die Enkeltochter so sehr einen kleinen Vierbeiner wünscht.
Bei allem Fokus auf ihre eigene Familie geht sie den Kindern der Stadt aber nicht gänzlich. Sie möchte sich weiterhin engagieren – ehrenamtlich bei den Kinder-Kultur-Tagen beispielsweise und weiterhin im Vorstand der Landesstiftung „Familie in Not“. Nicht zuletzt will sie ihre Tochter Sarah im Literaturhaus unterstützen, dessen Leitung ihre Tochter innehat.