1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Bombardierung der Stadt: Vor 80 Jahren: Magdeburg in Ruinen

Bombardierung der Stadt Vor 80 Jahren: Magdeburg in Ruinen

Am 16. Januar 1945 erlebten die Magdeburger eine der schlimmsten Schreckensnächte der Stadtgeschichte. Innerhalb von 30 Minuten verloren Tausende ihr Leben und die Stadt ihr Zentrum. Auslöser war der von Deutschland entfachte Krieg.

Von Karl-Heinz Kaiser 16.01.2025, 06:10
Sechs Jahre nach dem  schwersten Angriff auf Magdeburg waren noch immer die Folgen deutlich zu sehen. Hier ein Blick vom Dom 1951: Links unten am Bildrand das Gebäude des heutigen Justizzentrums am Breiten Weg, vorn im Mittelpunkt die Sankt-Nicolai-Kirche. Sie war 1959 abgerissen worden. Heute steht an dieser Stelle das Hundertwasserhaus. In der Bildmitte oben ist die Ulrichskirche zu sehen, gesprengt 1956. Im Verlauf des Breiten Weges steht weiter hinten die ausgebrannte Katharinenkirche, die von 1964 bis 1966 abgetragen wurde. Dort befindet sich heute das Hochhaus Katharinenturm.
Sechs Jahre nach dem schwersten Angriff auf Magdeburg waren noch immer die Folgen deutlich zu sehen. Hier ein Blick vom Dom 1951: Links unten am Bildrand das Gebäude des heutigen Justizzentrums am Breiten Weg, vorn im Mittelpunkt die Sankt-Nicolai-Kirche. Sie war 1959 abgerissen worden. Heute steht an dieser Stelle das Hundertwasserhaus. In der Bildmitte oben ist die Ulrichskirche zu sehen, gesprengt 1956. Im Verlauf des Breiten Weges steht weiter hinten die ausgebrannte Katharinenkirche, die von 1964 bis 1966 abgetragen wurde. Dort befindet sich heute das Hochhaus Katharinenturm. Foto: Archiv

Magdeburg. - An diesem 16. Januar 2025 vor 80 Jahren sank die alte Magdeburger Innenstadt im Bombenhagel der Alliierten in Schutt und Asche. Innerhalb von 30 Minuten vollzog sich für die stolze mitteldeutsche Metropole die schrecklichste Katastrophe im 20. Jahrhundert. Der Historiker und Kenner der Magdeburg-Geschichte, Prof. Dr. Mathias Tullner, bezeichnete den 16. Januar 1945 als fundamentalen Einschnitt der Stadtgeschichte.

„Im Bombenhagel starben Tausende Bewohner, die Überlebenden verloren Hab und Gut. Die Kernstadt lag in Trümmern“, sagte er und führte mit Bezug auf den 20. Mai 1631, als die komplette Stadt durch Tilly dem Erdboden gleichgemacht wurde, aus: Magdeburg habe kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges zum zweiten Mal sein Gesicht, seine Identität, verloren.

Um 21.28 Uhr heulten Sirenen

Die Chronik des Schreckenstages ist vielfach dokumentiert. Um 21.28 Uhr, als nach dem Tagesangriff auf militär-industrielle Ziele Aufräummannschaften und Bevölkerung nicht mehr damit rechneten, heulten abermals die Sirenen. Der Masterbomber der britischen Royal Air Force setzte die sogenannten Christbäume. Wenig später regnete vom gleißend hellen Himmel todbringende Last aus 371 Bombern: 200.000 Brandbomben, 3.000 Phosphorbomben, 1.000 Luftminen. Sie verursachten gewaltige Zerstörungen. In den Straßen wurde ein verheerender Feuersturm ausgelöst. Die Zahl der Toten kann nur geschätzt werden. Zwischen 2.000 und 2.500 Opfer wurden allein anhand von Bestattungsunterlagen ermittelt.

Die blühende Innenstadt fiel zu 90 Prozent in Trümmer, Zehntausende Menschen wurden obdachlos. Die identitätsstiftende Substanz ganzer Jahrhunderte, allein sechs Altstadtkirchen, andere grandiose Bauten, die berühmten Barockfassaden im Breiten Weg sowie massenhafte andere kulturelle Zeugnisse waren mit einem Schlag vernichtet.

Unzureichender Schutz

Schon ab 1942/43 waren wegen ihrer kriegswichtigen Industrie Städte wie Magdeburg und andere Ballungsräume vorrangige Ziele von Luftangriffen – auch, um Militär und Bevölkerung zu demoralisieren. Auf die gleichartigen deutschen Verstöße gegen die Haager Landkriegsordnung – Flächenbombardements auf London, Birmingham, Coventry, auf Warschau oder Rotterdam – gab es gleiche Antwort.

Der 1939 von den Nazis entfesselte Eroberungskrieg, der 50 Millionen Menschen das Leben kostete, war nach Deutschland zurückgekehrt. Auch am 16. Januar 1945 trafen in Magdeburg die Bomben nicht nur die Rüstungsindustrie.

Mit 13 Großbunkeranlagen, unter anderem am Stadttheater (1.800 Plätze) und an der Strombrücke (1.755 Plätze) war der Schutz der rund 340.000 Einwohner nur zu ca. 2 Prozent möglich. Viele Hauskeller wurden am 16. Januar zur tödlichen Falle.

Friedensforum Johanniskirche

Im Zweiten Weltkrieg gab es weit über 40 Luftangriffe auf Magdeburg mit insgesamt 5.000 schweren Bombenflugzeugen der britischen Royal Air Force (RAF) und der US-Luftstreitkräfte. Der Zerstörungsgrad der Gesamtstadt lag bei 60 Prozent.

Nach Kriegsende wurde von den Überlebenden der Wiederaufbau begonnen – unter Besatzung amerikanischer, englischer und schließlich sowjetischer Truppen. Schon 1947, inmitten der Trümmerbeseitigung, verkündete eine Ausstellung im provisorisch hergerichteten Kulturhistorischen Museum „Magdeburg lebt!“

Professor Mathias Tullner in diesem Kontext: „Weil Magdeburgs Geschichte die Besonderheit aufweist, dass die Stadt bereits 1631 so gut wie vollständig infolge des Krieges zerstört worden war, geht von ihr eine besondere Mahnung zum Frieden aus.

Tag des Gedenkens

Dieser Botschaft ist vor allem das „Friedensforum Johanniskirche“ verpflichtet, das für das Jahr 2031 den 400. Jahrestag der ersten Zerstörung vorbereitet.

Für die Magdeburger ist der 16. Januar alljährlich Anlass des breiten Gedenkens, der Mahnung und der Hoffnung – dafür, dass dieses Ereignis nie in Vergessenheit gerät. Niemals wieder Krieg!

Quellen: Rudi Hartwig/Manfred Wille: Magdeburg im Feuersturm; Helmut Asmus: 1200 Jahre Magdeburg; Sven Holste/Helmut Menzel: Der Magdeburger Feuersturm 16. Januar 1945.

Die Hölle im Minutentakt

16. Januar 1945 gegen 21 Uhr: Über 300 Bomber im Anflug.

21. 21 Uhr: Eine Vorhut wirft Stanniolstreifen ab, die die Flak wirkungslos machen.

21. 28 Uhr: Der Masterbomber steckt mit Magnesium-Leuchtbomben das Abwurffeld ab.

21.28/21.29 Uhr: Luftalarm.

21.30 Uhr: Piloten setzen „Christbäume“, das sind Leuchtbomben, die am Fallschirm herabsinken – Wegweiser für Bomber.

21. 32 Uhr: Bombardement mit Luftminen. Der Druck deckt viele Häuserdächer ab.

21. 39 Uhr: Bomben und Brandkanister fallen teils in die abgedeckten Häuser. Ein Feuersturm wird entfacht, das heißt, die Flammen saugen die Luft mit orkanartiger Geschwindigkeit in den Brandherd. Menschen verbrennen, ersticken, sterben in und vor Bunkern, werden verschüttet.

21. 58 Uhr: Die Bomber kehren um. Das alte Magdeburg gibt es nicht mehr. Mehrere tausend Menschen verlieren das Leben, weit über 10.000 sind verletzt.

Bilanz der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg

Der Luftangriff auf Magdeburg stellt nach Dresden und Hamburg den drittgrößten auf eine deutsche Stadt dar. Insgesamt durch Luftangriffe und Kämpfe verlor die Stadt 196 öffentliche Gebäude, 23 Schulen, 13 Hotels, 21 Kinos, drei Theater, drei Museen, 15 Kirchen, 14 Krankenhäuser oder Kliniken, 34 Warenhäuser, 130 Fabriken und alle Elbbrücken. Fast 70 Prozent des Wohnraumes waren unbewohnbar. Die Einwohnerzahl von fast 340.000 vor dem Krieg sank auf 90.000 Menschen.