1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Oebisfelde
  6. >
  7. Grenzöffnung vor 35 Jahren: Loch in der Mauer bringt die lang ersehnte Freiheit

Grenzöffnung vor 35 Jahren Loch in der Mauer bringt die lang ersehnte Freiheit

Am 13. April 1990 kommen Döhrener und Mackendorfer wieder zusammen. In Döhren wird das groß gefeiert. Nach 35 Jahren treffen sich nun die Nachbarn zunächst an der früheren Grenze, dann in Mackendorf wieder.

Von Marita Bullmann 14.04.2025, 18:30
Viele Döhrener, Mackendorfer und auch weitere Gäste haben sich zum Jubiläum der Grenzöffnung zwischen Döhren und Mackendorf eingefunden.
Viele Döhrener, Mackendorfer und auch weitere Gäste haben sich zum Jubiläum der Grenzöffnung zwischen Döhren und Mackendorf eingefunden. Foto: Marita Bullmann

Döhren/Mackendorf. - Etwa 100 Gäste können Jacqueline Greunke, Ortsbürgermeisterin aus Döhren, und Holger Klinzmann, Ratsmitglied aus Mackendorf und stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Bahrdorf, zu der Mackendorf gehört, am Sonntag an der ehemaligen Grenze begrüßen. Genau vor 35 Jahren, am 13. April 1990, fanden Nachbarn, die nicht mal anderthalb Kilometer voneinander getrennt leben, wieder zueinander. Ein Loch in der Mauer machte das möglich.

Damals zogen die Mackendorfer mit einer Feuerwehrkapelle vorneweg nach Döhren. Im Saal der alten Gaststätte feierten die Nachbarn miteinander diesen historischen Tag. Alte Freundschaften wurden aufgefrischt, neue geknüpft. Aus dieser Zeit sind am Sonntag aber nur noch wenige dabei.

Holger Klinzmann aus Mackendorf und Jacqueline Greunke aus Döhren können etwa 100 Gäste an der früheren Grenze begrüßen.
Holger Klinzmann aus Mackendorf und Jacqueline Greunke aus Döhren können etwa 100 Gäste an der früheren Grenze begrüßen.
Foto: Marita Bullmann

Holger Klinzmann hat als Jugendlicher das große Ereignis erlebt, Jacqueline Greunke kennt das wie ganz viele, die sich am Sonntag am Grenzschild, das an Teilung und Vereinigung erinnert, zwischen beiden Orten treffen, nur aus Erzählungen. „Möge die Straße uns zusammen führen“, singt der Döhrener Chor, die „Kohnteich-Spatzen“, und Tanja Klettke, Pfarrerin aus dem Pfarrbereich Velpke, die für Mackendorf zuständig ist, nimmt darauf Bezug. Sie macht aber auch deutlich, dass die Grenze nicht nur für die Menschen in der DDR erhebliche Konsequenzen hatte. Die Waldmühle jenseits der Grenze kam beispielsweise in existenzielle Schwierigkeiten, weil die Bauern aus Döhren ihr Korn nicht mehr dorthin liefern konnten.

Sackgasse Döhren

Döhren lag Jahrzehnte in einem Sack, das Dorf war nur über die Straße aus Weferlingen zu erreichen. Mit dem Loch in der Mauer gab es zumindest für Fußgänger und Radfahrer eine zweite Möglichkeit. Erst in den nächsten Monaten wurden provisorisch Platten verlegt, so dass der neue Weg auch mit dem Auto benutzt werden konnte. Allerdings musste man immer gut auf den Gegenverkehr aufpassen, erinnert sich Holger Klinzmann, denn es gab nur eine „Fahrspur“ und der Rest der Mauer stand noch eine ganze Weile, was die Sicht einschränkte. Die ehemalige Grenze wurde erst 1994 beräumt.

Auch Karen Simon-Malue, Pfarrerin im Pfarrbereich Weferlingen und damit für Döhren zuständig, blickt zurück, bezieht sich auf Nenas Lied „99 Luftballons“, das der Chor anschließend anstimmt. Nena sang dieses Lied 1983 in der Zeit des Kalten Krieges und sprach damit Jugendlichen zu beiden Seiten der Grenze aus dem Herzen, versichert sie. Und es ist immer noch aktuell.

Die Pfarrerinnen Karen Simon-Malue (l.) und Tanja Klettke blicken in einer kleinen Andacht zurück auf Jahrzehnte deutscher Geschichte.
Die Pfarrerinnen Karen Simon-Malue (l.) und Tanja Klettke blicken in einer kleinen Andacht zurück auf Jahrzehnte deutscher Geschichte.
Foto: Marita Bullmann

Während die „Kohnteich-Spatzen“ singen, verteilen Kinder weiße Luftballons, die zum Ende des Lieds in die Luft steigen. Die Ballons haben Kärtchen mit einer Jubiläumsaufschrift. Vielleicht melden sich Finder der Ballons, sprechen die Pfarrerinnen eine gemeinsame Hoffnung aus.

Zu Gast ist an diesem Tag auch Henning Wiese, damals Bürgermeister von Bahrdorf, und der heutige Bürgermeister Hans Hubertus Broistedt, der ebenfalls erzählt, dass er als Jugendlicher nicht verstanden hatte, warum hinter den Äckern eine Mauer stand.

Karl-Heinz Chmelik aus Döhren weiß noch genau, wie er am Tag vor der symbolischen Grenzöffnung mit einem LPG-Fahrzeug dabei war, Splitt vor diesem Mauerloch zu verteilen. Sein Vater Karl-Heinz Chmelik sen., der inzwischen verstorben ist, war damals Bürgermeister in Döhren und hatte den Splitt organisiert. Es sei eine mühsame Arbeit gewesen, erinnert er sich, doch bald schon kam ein Bauer aus Mackendorf mit stärkerer Technik und gemeinsam war die Arbeit schnell geschafft. Auf eine richtige Straße zwischen beiden Dörfern mussten die Nachbarn aber noch fast ein Jahrzehnt warten, denn die Landesstraße zwischen Döhren und Mackendorf wurde erst 2001 ausgebaut und Anfang November offiziell übergeben.

Nächstes Jubiläum steht an

Und damit steht 2026 schon wieder ein gemeinsames Jubiläum an: Seit 25 Jahren gibt es wieder eine Straße zwischen den Dörfern. Das könnte dann gemeinsam in Döhren gefeiert werden. Bis dahin sollte der Erweiterungsbau am Feuerwehrhaus in Döhren wohl fertig sein.

Jetzt aber wird im Schützenhaus in Mackendorf gefeiert, da Döhren dafür keine Räumlichkeiten hat. Ein Organisationsteam aus beiden Dörfern hatte das Fest vorbereitet. Frauen aus beiden Dörfern haben Kuchen gebacken, Feuerwehrleute aus beiden Wehren übernehmen Grill und Getränkeversorgung. Die Döhrener Kirchengemeinde, zu der auch der Chor gehört, hatte den Osterhasen für die Kinder bestellt.

In Döhren können die Kinder an der Kirche Osterkörbchen suchen und Eier trudeln. In diesem Jahr hat der Hase die Körbchen am Sportplatz neben dem Schützenhaus für alle Kinder beim Fest versteckt, und für die gekochten bunten Eier wurde extra noch eine Bahn gemäht, damit sie ordentlich rollen können. Der Mackendorfer Schützenverein lädt ein zum Lichtpunktschießen.

Die Döhrener „Kohnteich-Spatzen“ unter der Leitung von Janette Woitynek (r.) singen im Schützenhaus wie zuvor an der ehemaligen Grenze.
Die Döhrener „Kohnteich-Spatzen“ unter der Leitung von Janette Woitynek (r.) singen im Schützenhaus wie zuvor an der ehemaligen Grenze.
Foto: Marita Bullmann

Und wer noch einmal in die Vergangenheit schauen will, hat dazu auch Gelegenheit. Denn in einer Ecke des Raumes steht ein großer Bildschirm, auf dem die Mackendorfer Filme von der Grenzöffnung und vom Mauerabbau laufen lassen. Nach dem Kaffeetrinken können die Gäste gemeinsam mit den „Kohnteich-Spatzen“ auch musikalisch eintauchen in die vergangenen Jahrzehnte – bei „Über sieben Brücken“ bis „Wind of change“ singen viele mit.

Die Nachbardörfer sind mit diesem Jubiläum wieder näher zusammengerückt, es könnte wieder mehr gegenseitige Besuche geben, demnächst am Ostersonntag beim Osterfeuer in Mackendorf und am 26. April beim Maifeuer in Döhren. Und das Jubiläum im nächsten Jahr wird ins Auge gefasst.