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Landeswirtschaftsminister Hartmut Möllring besucht Gewerbegebiet Am Stremsgraben Bilanz: Nach der Flut ist vor der Flut

Von Ulrich Meinhard 15.06.2013, 03:13

Schönebeck l Zu spät habe der Stab reagiert, um das Gewerbegebiet Am Stremsgraben vor dem Hochwasser zu schützen. Diese Einschätzung vertreten ansässige Unternehmer. Während eines Besuches von Landeswirtschaftsminister Hartmut Möllring ließen sie die vergangenen Tage Revue passieren.

Einen bis auf die Minute durchgeplanten Tagesablauf hat Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) am Donnerstag bewältigt. Der Ressortchef begab sich auf eine ausgiebige Rundreise, um Betriebe zwischen Halle und Magdeburg zu besuchen, die vom Hochwasser geschädigt worden sind. Seinen Abschlusstermin hatte Möllring am späten Nachmittag im Schönebecker Gewerbegebiet Am Stremsgraben.

Mit Martin Blitz (Lorenz Lackierungen), Dorian Reichelt (Druck und Werbung Reichelt), Ulf Mertens und Michael Feuerlöther (beide Sport 2000) hatten sich vier Geschäftsführer, beziehungsweise leitende Mitarbeiter hiesiger Firmen eingefunden, bei denen Schäden durch das Hochwasser zu beklagen sind. Denn in das Gewerbegebiet drückte seit Freitag vergangener Woche massiv das Wasser von Solgraben und Röthegraben, weil die Wasserläufe nicht mehr in die Elbe abfließen konnten. Das Gewerbegebiet stand deshalb teilweise unter Wasser und war am Sonnabend für Pkw nicht mehr passierbar.

"Jeder Schaden ist anders. Jede Situation ist anders." - Hartmut Möllring

"Mich interessiert das Schadensbild. Jede Situation ist anders, jeder Schaden ist anders", sagte Möllring bei seiner Ankunft. Er sah sich die Schäden an, mit der die Firma Lorenz Lackierungen zurecht kommen muss. Dabei kann Geschäftsführer Martin Blitz von Glück sagen, dass die teuren Maschinen seines Unternehmens die Flut unbeschadet überstanden haben. Nicht so der Empfangsbereich und der Sozialtrakt. Hier stand das Wasser zeitweise knietief. "Bereits Freitagabend war die Sache für mich erledigt", blickte Martin Blitz zurück. Will heißen: Da war nun nichts mehr zu machen. "Ich habe meine Jungs zum Damm geschickt", berichtete der Geschäftsfüh- rer.

Dabei, war sich die Runde der Schönebecker Unternehmer einig, wäre durchaus etwas zu machen gewesen.

Rückblick: Am Mittwoch vergangener Woche hatte der hiesige Landtagsabgeordnete Gunnar Schellenberger (CDU) von Anwohnern in Frohse und auch von Gewerbetreibenden am Stremsgraben den Anruf erhalten, dass sich angesichts der anrollenden Wahnsinnsflut niemand um sie kümmere. Die Erfahrung von 2002 war vielen Schönebeckern noch sehr präsent: Können Sol- und Röthegraben nicht in die Elbe abfließen, drückt das Wasser in das Hinterland. Um das zu vermeiden, hätte der Solgraben mit einem Schieber verschlossen werden müssen, gleichzeitig hätten Hochleistungspumpen das zurückstauende Wasser abpumpen müssen. Das ist nicht geschehen, beziehungsweise das Abpumpen erfolgte erst sehr spät.

"Wir brauchen jetzt Lösungen und nicht später irgendwann einmal." - Gunnar Schellenberger

Die Feuerwehr sei von der Technischen Einsatzleitung erst am Sonnabendabend in das bereits volllaufende Gewerbegebiet beordert worden. Um abzupumpen. Fünf Pumpen hätten die Kameraden (vor allem die Feuerwehr Felgeleben sowie die Kameraden aus der Partnerstadt Garbsen) in Stellung gebracht und dann unter Hochdruck laufen lassen. Eine weitere Pumpe hatten die Unternehmer selbst noch organisiert. "Und so haben wir hier vereint das gesamte Gebiet gehalten", macht Ulf Mertens darauf aufmerksam, dass der Stremsgraben ohne diese Maßnahmen in noch viel größerem Ausmaß überflutet worden wäre - inklusive aller dann entstandenen sehr viel höheren Schäden. Knapp 150 Tonnen Sand sind zudem herbeigeschafft worden. Aber insgesamt habe der Stab zu spät reagiert, so die Kritik.

Der Vorschlag der Unternehmer lautet für die Zukunft: Der Solgraben muss an dieser Stelle ein Schöpfwerk erhalten. Zudem müsse ein Masterplan her. Im Falle einer solchen Flut (wann sie erneut eintritt, kann freilich niemand vorhersagen) müsse ein Automatismus greifen. "Wir hatten genügend Zeit. Spätestens beim Ziehen des Pretziener Wehrs hätte bei jedem, der in dieser Stadt Verantwortung trägt, die Alarmglocke schrillen müssen", schätzt Dorian Reichelt ein.

Über eine gute und pragmatische Zusammenarbeit mit der Wasserwehr Schönebeck berichtet Michael Feuerlöther. Bestimmten Personen aber müsse die Kompetenz abgesprochen werden, in Katastrophenfällen wie diesem einschätzen zu können, wie gehandelt werden muss.

Wirtschaftsminister Hartmut Möllring brachte zwei Aspekte ins Gespräch ein. Zum einen müssten künftig Hochwasserschutzmaßnahmen leichter zu planen sein. Und dürften nicht - durch Klagen von Privatpersonen oder Verbänden - auf die lange Bank geraten.

Zum anderen will der Minister eine Beschlussvorlage ins Landesparlament einbringen, die Vereinfachungen beim Vergabegesetz zum Ziel hat. Denn, so der Hintergrund, die öffentliche Hand hätte die Bestellung von Sandsäcken, Sand oder anderen Materialien laut Gesetz sieben Tage vorher ausschreiben müssen. Laut Gesetz soll jeder Mitbewerber eine Chance auf die Auftragsvergabe haben, Ausnahmen sind nicht vorgesehen. Aber ein Katastrophenfall sei ganz klar eine Ausnahme. "Da müssen wir freihändig vergeben können", betonte Möllring. "Ich werde das vorschlagen", ergänzte er.

Auch die Grundwassersituation in und um Schönebeck kam zur Sprache. Diskutiert worden sei nun genug, sagte Gunnar Schellenberger. "Wir brauchen jetzt Lösungen", spielte er unter anderem auf den geplanten Abfanggraben entlang der B 246 a (Ortsumfahrung) an.