Die Azubis des Ameos Klinikums bereiten sich auf ihre Abschlussprüfung im Sommer vor Sie wollen bald den weißen Kittel tragen
Es ist der Weg in die Arbeitswelt, der Schritt in ein selbständiges Leben: eine Ausbildung. Die Volksstimme traf fünf Lehrlinge beim Endspurt zur Krankenpflegerin und lauschte ihren Wünschen und Erfahrungen.
Schönebeck l Sie stellen sich abwechselnd halbseitig gelähmt, um gegenseitig aneinander zu üben, wie man Schlaganfallpatienten dreht, legt und aus dem Bett in den Stuhl hebt. Schwester Ingeburg von Damaros, Ausbilderin seit 2001, beobachtet die fünf Azubis zur Gesundheits- und Krankenpflegerin dabei mit kritischem Blick. Hinter den 19- bis 24-Jährigen liegen zweieinhalb aufopferungsvolle wie lehrreiche Jahre in allen pflegerischen Bereichen des Ameos Klinikums Schönebeck. Nächsten Sommer müssen sie beweisen, dass sie dauerhaft für den Beruf geeignet sind."Ich würde jede von ihnen gern übernehmen", sagt Schwester Ingeburg. Dennoch wird sie die jungen Frauen bei der Abschlussprüfung objektiv bewerten. Zusammen mit dem Klassenlehrer aus der Schule prüft sie die Auszubildenden im Juni praktisch. Wenige Wochen darauf folgen die schriftliche und die mündliche Prüfung im Bildungszentrum "Albert Schweitzer", ansässig am Ameos-Klinikum Aschersleben.
Buchstäblich: Üben bis der Arzt kommt
Um sich darauf vorzubereiten, wiederholen sie gerade noch einmal komplexe Handgriffe. Vor allem bei Patienten, die einen Schlaganfall erlitten haben, seien die schwierig, denn das Krankheitsbild könne ganz unterschiedlich ausfallen. "Wir wollen unseren Nachwuchs dafür sensibilisieren", so Schwester Ingeburg. Es sei wichtig, die Patienten genau zu beobachten und halbseitig Gelähmte so zu behandeln, dass einer Spastik vorgebeugt wird.
Alle Hemmungen sollen in der Übungswoche fallen, frei nach dem Motto: Jede Frage ist erlaubt. Wie neugierige Kinder auf Entdeckungsreise durch die Wunder der Welt dürfen die Azubis Schwester Ingeburg löchern, um jegliche Unsicherheit zu beseitigen.
In welchen Bereichen die Lehrlinge letztlich geprüft werden, können sie sich wünschen. Anne Goeck (22) hat eine - im wahrsten Sinne - herzerwärmende Vorliebe: "Ich möchte auf die Kardiologie, da das Herz für mich das interessanteste Organ ist. Es steht für die Liebe, für Gefühle und beeinflusst die Seele."
Julia Stein (19) möchte sogar auf der kardiologischen Intensivstation ihre Prüfung ablegen. Sie schätze dort das nette Team, das sie immer unterstützt habe und findet es "erstaunlich, wie viel Patienten mitkriegen, die künstlich beatmet werden".
Antje Ebert (20) war bereits ein halbes Jahr in der Bauch- und Gefäßchirurgie. Sie könne gut Verbände wechseln und bereite Patienten gern auf Operationen vor. Weil ihr dort die Technik so gut gefallen habe, wird Susann Härtge (24) voraussichtlich auf der Chirurgischen ITS beurteilt. Und Caroline Bruns (19) fand es "überall schön", geprüft wird sie aber wahrscheinlich auf einer Station in der Inneren Klinik.
So unterschiedlich ihre Präferenzen auch sein mögen, haben sie doch alle eine Gemeinsamkeit: Sie wachsen an ihrer Ausbildung so stark und gleichzeitig noch so zerbrechlich wie frühe Primeln durch die Schneedecke.
Auf der Suche nach dem professionellen Abstand
Viele neue Situationen mussten sie meistern, schwere Schicksalsschläge mit ansehen. Auch in der Psychiatrie arbeitete jede der Azubis bereits. "Ich musste erst lernen, damit umzugehen, dass Alkoholkranke nach einem Entzug leider oft wieder rückfällig werden", gesteht Anne Goeck. "Es ist ganz wichtig, einen professionellen Abstand zu den Geschichten zu gewinnen", bestätigt auch Schwester Ingeburg. "Wenn ich merke, dass eine Auszubildende die Belastung nicht verkraftet, würde ich ihr von dem Beruf abraten."
Die Arbeit gänzlich hinter der Krankenhaustür zu lassen, ist aber kaum möglich, gibt es doch auch Erfahrungen, die prägen. Antje und Caroline erinnern sich: "Als wir auf der Kardiologie lernten, lag ein Ehepaar gemeinsam in einem Zimmer. Beide waren am Herz erkrankt. Die Frau starb und der Mann verbrachte die ganze Nacht an ihrem Bett - bis er am nächsten Morgen ebenfalls einschlief."
"Das erste Mal mit dem Tod konfrontiert zu werden, ist eine Herausforderung, schließlich gehört er in unserer Gesellschaft nicht zum Alltag", sagt Schwester Ingeburg. Doch die Auseinandersetzung damit stärkt die Selbstsicherheit. Genauso wie das gute Gefühl, Patienten bei der Genesung unterstützt zu haben.
Schwester Ingeburg sehe, dass die fünf jungen Talente "tolle Kollegen werden". Sie entwickeln ihre Persönlichkeit, haben Einfühlungsvermögen, Selbstbewusstsein und seien kritikfähig. Und das Wichtigste: Man sieht ihnen die Freude am Helfen an. Das seien die besten Voraussetzungen, um übernommen zu werden.
Angefangen haben die fünf Frauen im Ameos Klinikum alle während eines Freiwilligen Sozialen Jahres. Damals trugen sie noch brombeerfarbene Arbeitskleidung. In der Ausbildung tauschten sie die gegen eine weiße Hose und ein grünes Oberteil. Die "grüne Wolke" nennen sie sich deshalb gerne. Ihr Ziel sei es, ab September den weißen Kittel der ausgebildeten Krankenpfleger anzuziehen.
Deutschland steuert auf einen Pflegenotstand zu
"Aus dem letzten Jahrgang sind deutschlandweit alle untergekommen", sagt Schwester Ingeburg verheißungsvoll. Da wir in Deutschland ungebremst auf einen Pflegenotstand zusteuern, sind helfende Hände wie die von Anne, Julia, Antje, Susann und Caroline in einer überalternden Gesellschaft unverzichtbar. Deshalb hofft Schwester Ingeburg bis zum 28. Februar auf viele neue Bewerber - für einen Beruf von A bis Z: anspruchsvoll bis zukunftsträchtig.