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Gefahr Warum brechen Kühe im Harz immer wieder von ihrer Weide aus?

Unkontrolliert im Ilsenburger Ortsteil Drübeck herumstreunende Rinder haben Ordnungsamt und Polizei in Atem gehalten. Warum bleiben die Tiere nicht auf der Weide?

Von Jörg Niemann Aktualisiert: 14.09.2023, 19:49
In den frühen Morgenstunden des 8. September hielten sich die Tiere an der Bahnlinie nach Ilsenburg auf.
In den frühen Morgenstunden des 8. September hielten sich die Tiere an der Bahnlinie nach Ilsenburg auf. Foto: Bundespolizeiinspektion

Drübeck - Rinder-Alarm in Drübeck, hieß es in den vergangenen Wochen mehrfach. Meist verließen die Tiere ihre umzäunte Weide und waren dann auf der alten B 6 am Drübecker Ortsrand oder auch schon in den Gassen des Ortes unterwegs. Zuletzt mussten Beamte der Bundespolizei und Mitarbeiter des Ilsenburger Ordnungsamtes am 8. September die Rinder an der Bahnlinie zwischen Wernigerode und Ilsenburg einfangen. Die Notfallleitstelle der Bahn hatte, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, an alle Lokführer in diesem Bereich den Langsamfahrbefehl gegeben.

Warum die Rinder ihre Weide verlassen, darüber rätseln auch die Eigentümer, die Agrargenossenschaft Benzingerode-Silstedt.

Steffen Feick, seit einigen Monaten Vorsitzender der Genossenschaft, und Christian Trosien, Leiter der Tierproduktion des Unternehmens, glauben wie die meisten Drübecker dabei nicht an Zufälle. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit hängt das Ausbüxen der Rinder mit Aktivitäten von Menschen zusammen“, mutmaßt Steffen Feick. „Die Weide wird von uns wie jede andere vergleichbare Weide entsprechend der Vorschriften gesichert.

Zulauf zum Wasserbehälter war geschlossen

Dies geschieht vor allem durch einen elektrischen Weidezaun, der unter Strom steht, wenn sich die Tiere auf der umzäunten Fläche befinden“, sagt Feick. Und er weist darauf hin, dass die Genossenschaft darauf achtet, dass die Kühe gut versorgt sind. An Futter mangele es nicht, denn die Rinder werden nur dort geweidet, wo es genügend saftiges Gras gibt. Und für den Durst stehe stets ausreichend Wasser zur Verfügung – es sei denn, irgendjemand sabotiert dies.

In diesem Zusammenhang erwähnte Steffen Feick auch, dass es schon vorgekommen sei, dass der Zulauf vom Wasserbehälter zur Tränke bei einer Kontrolle geschlossen vorgefunden wurde. „Da hatte mit Sicherheit jemand nachgeholfen. Dies war bislang auch nur einmalig und vielleicht ein so genannter dummer Jungenstreich“, sucht Feick nach einer Erklärung.

Die momentane Weide der Rinder liegt in unmittelbarer Nähe eines beliebten Spazierweges von Hundebesitzern. Und da die Vierbeiner nicht selten unangeleint herumtollen, könne es durchaus zu Kontakten mit den grasenden Kühe kommen. Ein falscher Moment – und die Rinder werden ihrer Natur gehorchend zu Fluchttieren und lassen sich dann auch von einem Weidezaun nicht aufhalten. Christian Trosien berichtete in diesem Zusammenhang von einem Gespräch mit einer freundlichen und verständnisvollen Dame am Donnerstagvormittag, die ihren Hund unangeleint auf dem Weg herumlaufen ließ. Sie nahm das Tier nach den Hinweisen an die Leine.

Derzeit gilt keine Anleinpflicht

Dazu wäre sie derzeit aber nicht verpflichtet gewesen, denn aktuell, so bestätigte auch Ilsenburgs Ordnungsamtsleiter Henri Fischer, gibt es für diesen Bereich keine Anleinpflicht.

„Eine generelle Pflicht, Hunde an der Leine zu führen besteht ganzjährig innerhalb der Ortsbebauung sowie im Nationalpark Harz. Im Frühjahr gilt zudem eine zeitlich befristete generelle Anleinpflicht im öffentlichem Raum, um andere Tiere in denen Brut- und Setzzeit zu schützen“, so Fischer auf Volksstimme-Nachfrage.

Christian Trosien (links) und Steffen Feick suchen nach Lösungen, um die Rinderherde besser zu kontrollieren.
Christian Trosien (links) und Steffen Feick suchen nach Lösungen, um die Rinderherde besser zu kontrollieren.
Foto: Jörg Niemann

Hilfreich wäre es im Fall der grasenden Rinderherde allerdings von Seiten der Hundehalter, ihre Vierbeiner in der Nähe der Koppel kurzzeitig anzuleinen. Das wäre auch für die Rinder stressfreier.

Wildtiere als Ursache?

Dass Wildtiere zu den Verursachern der Ausbrüche zählen, halten Steffen Feick und Christian Trosien für möglich. „Ein Wolf, der ja schon mehrfach bei Drübeck entdeckt worden ist, würde sich kaum an die relativ großen Rinder wagen. Ein Luchs scheidet nach meinen Erkenntnissen generell aus, da es Aussagen von anderen Züchtern gibt, nach denen die Rinder nicht einmal auf einen Luchs reagieren würden und somit auch kein Fluchtreflex einsetzt“, so Christian Trosien.

„Konkrete Hinweise auf Wildtiere als Verursacher gibt es aktuell nicht, aber wer weiß, was sich auf Feld und Flur so alles abspielt – schließlich ist nicht ständig ein Mensch an der Weide“, ergänzt Steffen Feick.

Letzter Ausweg: Ganzjährig im Stall

Die beiden Führungskräfte der Agrargenossenschaft wissen dennoch um ihre Verantwortung um die allgemeine Sicherheit und auch das Wohl ihrer Tiere. Sie haben die Vorsichtsmaßnahmen durch verstärkte Kontrollen erhöht und warten die Sicherungstechnik noch intensiver. Zudem danken sie allen, die bislang durch Aufmerksamkeit und schnelles Reagieren halfen, das die Rinder unversehrt blieben.

„Festzustellen ist allerdings, dass die Herde generell sehr unruhig ist. Woran das liegt, wissen wir nicht, denn Rinder haben auch ihren eigenen Kopf. Sollten sich die Tiere aber weiterhin unkontrolliert auf Wanderschaft begeben und so zur Gefahr werden, dann wird uns nichts anderes übrig bleiben, als sie ganzjährig im Stall zu halten“, sind sich beide einig, hoffen aber, dass dies auch im Interesse der Rinder nicht nötig sein wird.