Wintersport Selbsttest im winterlichen Harz: So lief das erste Mal Skilanglauf
Endlich Winter im Harz. Als blutige Anfängerin wagt sich Volksstimme-Reporterin Ivonne Sielaff erstmals auf Langlaufskier. Ein Selbstversuch mit einigen Tücken.
Wernigerode - Ich bin am Boden. Schon wieder. Unsanft bin ich auf meinem Hintern gelandet. Autsch. Der Schnee ist hart. So hart wie meine Erkenntnis: Skifahren sieht einfach aus, ist aber verdammt schwer.
Dabei könnte es so schön sein: Beinahe schwerelos gleite ich durch die Langlauf-Loipe. Wusch, wusch, wusch. Kilometer für Kilometer. Die kühle Winterluft belebt meine Sinne. Es riecht nach Aufbruch, nach Abenteuer und nach Freiheit. In meiner Vorstellung zumindest.
Immer wieder hatte ich diese Bilder im Kopf. Sah mich auf Skiern durch die Harzer Wälder fahren, Natur und Landschaft genießen. Einfach herrlich. In einer düsteren Corona-Nacht im Dezember kam die Erleuchtung: Ich muss raus und rauf auf die zwei Bretter, die die Welt bedeuten. Nur die Skier fehlten mir noch.
Shopping im Internet
Nun kauft man Langlaufskier nicht wie Butter im Supermarkt. Es gibt einiges zu beachten. Die passende Skilänge zum Beispiel, die sich nach Größe, Gewicht und Erfahrungsgrad des Läufers richtet. Für Auswahl und Kauf sollte man sich ausreichend Zeit nehmen und unbedingt einen Fachmann zu Rate ziehen. Skier sind schließlich so etwas wie eine Wertanlage.
Bei mir musste es allerdings schnell gehen. Ich sparte mir den Weg ins Sportgeschäft und stöberte stattdessen im Internet. Drei, zwei, eins – meins: ein ganzes Set mit Skiern, Stöcken und Schuhen. Und jetzt ab in den Wald. Nichts konnte mich bremsen in meiner Euphorie – bis auf das Wetter. Denn der Schnee ließ noch einige Wochen auf sich warten.
Inzwischen hat der Winter auch den Harz erreicht. Es gibt kein Zurück. Aber wohin, wenn einen das Skifieber packt? Das Loipennetz rund um Schierke bietet Fahrvergnügen für jedermann. Von einfach bis anspruchsvoll geht es vom Schierker Parkhaus über Winterberg, Renneckenberg oder Königsberg – teilweise bis auf Höhen von 1000 Metern. Insgesamt 70 Kilometer – vorbei an schönen Aussichten, geologischen und botanischen Besonderheiten – wie die Touristinfo wirbt.
Wie war das noch mal, damals beim Eislaufen?
Einer inneren Eingebung folgend schiebe ich Winterberg und Königsberg erstmal beiseite. Als gebürtige Hallenserin gehen meine Wintersport-Erfahrungen nicht übers Schlittenfahren hinaus. Und nur zu gut erinnere ich mich an meine Eislaufversuche kurz nach der Eröffnung der Schierker Feuerstein-Arena vor vier Jahren, die böse in der Notaufnahme des Harz-Klinikums endeten.
Aber vielleicht bin ich ja ein unentdecktes Skitalent, würde es mit ein bisschen Übung noch verspätet ins Olympiateam schaffen? Wer weiß. Doch wie heißt es so schön? Schuster, bleib bei deinen Leisten. Die Übungsstrecke für Kinder auf der Hohnewiese bei Drei Annen Hohne tut es für den Anfang auch – auch wenn sie noch nicht präpariert ist.
Online-Tipps vom Experten
Natürlich lasse ich mich vorher schulen. Ich würde mich doch niemals völlig unbeleckt auf Skier stellen. Das Internet bietet ein Quell an nützlichen Informationen – auch für den Skilauf. Ich muss nicht lange suchen und stoße auf Urs, einen rüstigen Schweizer, der in einem Clip verspricht, in drei Minuten sogar blutigen Anfängern wie mir die Grundlagen des Skifahrens beizubringen. Perfekt! Diagonalschritt, Doppelstockeinsatz, Halbpflug, Notsturz – Urs macht es vor, seine Schüler machen es nach. Kinderleicht scheint es zu sein – sie lächeln sogar dabei.
Das Lächeln vergeht mir, als ich es dann selbst versuche. Schon der Einstieg in die Bindung bringt mich ins Schwitzen. Zweimal klemme ich mir die Finger unter dem Hebel, der Schuh will einfach nicht einrasten. Endlich klappt es. Puh! Ich bin noch nicht mal losgefahren und schon jetzt klitschnass.
Die nächste Herausforderung: Der Weg bis zur Hohnewiese geht leicht bergauf. Das reicht schon, um rückwärts ins Rutschen zu kommen. Komisch, darüber hat Urs in seinem Video kein Wort verloren. Mühsam kämpfe ich mich voran, Schritt für Schritt. Schwerelos gleiten? Schön wär’s.
Die Euphorie des Anfangs
Auf der Wiese angekommen, muss ich erstmal durchschnaufen. Auf ebener Strecke komme ich recht gut voran. Abstoßen, gleiten – und wieder abstoßen und gleiten. Es flutscht. Ein Hochgefühl überkommt mich. Sicher, aller Anfang ist schwer, aber das hier kann sich echt sehen lassen. Auf Skiern mache ich eine Bomben-Figur, bin ich von mir selbst begeistert. Okay, rasant ist was anderes. Aber ich schaffe es sogar manchmal, meinen Blick für ein paar Sekunden von den Skiern zu lösen und nach vorn zu schauen.
Bis es leicht abschüssig wird. Huch, so schnell will ich nicht. Wo war noch mal die Bremse? Strauchelnd rutsche auf einen Busch zu. Ausweichen müsste ich – aber wie? Ich bleibe im Busch hängen. Dornen bohren sich in mein Gesicht. Ich falle nach hinten. Aber wenigstens rutsche ich nicht mehr.
Ich rapple mich hoch und fahre weiter, bis es wieder abschüssig wird. Ein Holzpfahl kommt auf mich zugerast – oder ist es umgekehrt? Das wird wehtun. Ich höre es schon knirschen. Kurz vor dem unvermeidlichen Crash stürze ich, knalle mit dem Hinterkopf auf den Schnee. Noch mal Glück gehabt.
Aufgeben? Kommt nicht in Frage!
Fast eine dreiviertel Stunde brauche ich für die knapp 1000 Meter lange Strecke. Völlig abgekämpft erreiche ich das Ziel. Jeder Knochen, jeder Muskel tut mir weh. Ja, ich bin am Boden. Nicht am Boden zerstört – aber auf dem Boden der Tatsachen zurück. Schweiß und Blut, statt Freiheit und Abenteuer – das ist meine bittere Erkenntnis. Aber deshalb aufgeben? Auf keinen Fall. Ich habe Blut geleckt - im wahrsten Sinne des Wortes. Jetzt erst recht.