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  7. Intel-Ansiedlung: Welche Chancen bringt es für Wolmirstedt? Arbeitgeberpräsident im Interview

Arbeitgeberpräsident im Interview Welchen Schwung bringt Intel für Wolmirstedt?

Marco Langhof ist IT-Unternehmer, Arbeitgeberpräsident Sachsen-Anhalts und Wolmirstedter. Er hat die Intel-Fabrik in den USA besucht und sieht gute Chancen für Wolmirstedt, von der Magdeburger Intel-Ansiedlung zu partizipieren. Welche Aufgaben und Chancen auf die Stadt warten, will Volksstimme-Reporterin Gudrun Billowie wissen.

Von Gudrun Billowie 30.07.2023, 18:00
Marco Langhof (l.) ist IT-Unternehmer, Arbeitgeberpräsident Sachsen-Anhalts und lebt in Wolmirstedt. Er reiste mit einer Delegation des Wirtschaftsministers Sven Schulze in die USA, um Intel kennenzulernen. Sie besichtigten auch ein Werk in Arizona.
Marco Langhof (l.) ist IT-Unternehmer, Arbeitgeberpräsident Sachsen-Anhalts und lebt in Wolmirstedt. Er reiste mit einer Delegation des Wirtschaftsministers Sven Schulze in die USA, um Intel kennenzulernen. Sie besichtigten auch ein Werk in Arizona. Foto: privat

Wolmirstedt - Herr Langhof, Sie haben zusammen mit Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze und anderen Intel in den USA besucht, haben die Dimensionen der Fabrik gesehen. Was schlussfolgern Sie aus diesen Eindrücken für die Zukunft der Region?

Marco Langhof: Intel wird sich in Magdeburg ansiedeln, die Zulieferer in der Börde. In der Bauphase der Fabriken und Zulieferbetriebe werden etwa 7000 Arbeitskräfte gebraucht, für die spätere Intel-Produktion 3000 Arbeitskräfte. Da stellt sich zunächst die Frage, wo wohnen die denn? Viele Arbeiter, die während der Bauphase kommen, werden hier nicht bleiben. Also macht es zunächst Sinn, in die Hotellerie zu investieren. Für Hoteliers bedeutet das zunächst, das Personal so auszubilden, dass es der englischen Sprache mächtig ist.

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Der Fachkräftemarkt ist ohnehin angespannt, es gibt Sorge, Intel könne die Arbeitskräfte von bestehenden Unternehmen „absaugen“. Sie sind Arbeitgeberpräsident, wie bewerten Sie die Situation?

Für die Produktion braucht Intel Produktionstechniker, die sich mit Mikroelektronik auskennen, Techniker für die Maschinen sowie Techniker für die Infrastruktur, dazu zählen die Netze für Wasser und Strom. Es werden etwa 70 Prozent Techniker, 25 Prozent Ingenieure und 5 Prozent Verwaltungsmitarbeiter dort arbeiten. Ich denke jedoch, es gibt andere Chancen, als die Mitarbeiter von den hiesigen Unternehmen abzuwerben.

Welche Chancen sehen Sie da?

Wir haben eine Uni, zu der viele Studierende von außerhalb kommen und leider wieder gehen. Im Zuge der Intel-Ansiedlung können sie bleiben. Wir haben eine fünfstellige Zahl von Pendlern, die vielleicht nicht mehr pendeln möchten. Wir haben viele Menschen, die sich woanders niedergelassen haben, aber vielleicht doch wieder nach Sachsen-Anhalt zurückkehren möchten, in ihre alte Heimat, zu ihren Familien. Und: Magdeburg war bisher kein Hightech-Standort, wird als solcher aber auf der Landkarte auftauchen. Das muss das Land und die Region für sich erkennen und selbstbewusst kommunizieren.

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Außerdem bin ich sicher: Intel wird keine Arbeitskräfte wegnehmen, sondern Aufträge bieten. Dafür brauchen wir eine technologische Willkommenskultur, das heißt, wir können nicht nur vom Kuchen etwas abhaben wollen, sondern müssen auch Tellerchen und Gabel bieten. Das heißt, wir müssen die technologischen Angebote wie künstliche Intelligenz auch annehmen und in den Unternehmen sowie in der Verwaltung einsetzen. Das braucht Offenheit.

Viele Gemeinden machen sich bereits Gedanken darüber, wie sie sich auf die Veränderung, die eine Intel-Ansiedlung mit sich bringt, einstellen können. In Wolmirstedt herrscht darüber eine große Ruhe. Was empfehlen Sie der Stadt?

Sachsen-Anhalt bekommt eine Frischzellenkur fürs Image, wir müssen auch sehen, dass potenzielle Arbeitskräfte auf die Region aufmerksam werden. Das hilft der gesamten Wirtschaft, denn jeder, der kommt, bringt jemanden mit.

Wolmirstedt ist nur einen Katzensprung von Intel entfernt. Ich würde also sofort einen Wirtschaftsförderer einstellen, der umtriebig ist und das Ohr an der Masse hat. Wenn Barleben eine Ansiedlung der Hochtechnologie-Firma „Sioux“ hinkriegt, kann Wolmirstedt das auch. Die Stadt hat ebenfalls alle Voraussetzungen.

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Wichtig wäre es auch, ein Wirtschafts- und Ansiedlungskonzept zu erstellen, zu fragen: Wen will ich hier eigentlich haben? Welche Flächen kann ich anbieten? Was kann sich beispielsweise in Elbeu hinterm Mittellandkanal ansiedeln, was können wir aus dem ehemaligen Landratsamt machen? So ein Konzept kann mit einem Slogan versehen und auf Messen und im Internet vermarktet werden.

Im Zuge der Bebauung des ehemaligen Krankenhausgeländes kann man schauen, wie leben diejenigen, die herkommen. Außerdem: Auch Verwaltungsmitarbeiter können Englischkurse machen.

Sie waren mit einer Delegation des sachsen-anhaltinischen Wirtschaftsministers Sven Schulze bei Intel, haben die Intel-Fabriken gesehen, den Intel-Chef Pat Gelsinger kennengelernt. Welche Eindrücke haben Sie mit nach Hause genommen?

Bei Intel in Amerika konnten bereits alle Magdeburg aussprechen, Sachsen-Anhalts Fahne war gehisst. Von dort aus betrachtet, zählt für die Intel-Ansiedlung auch das weitere Umfeld von Magdeburg: Porsche, Tesla, VW, Autobahnen und Wasserstraßen, dazu die Fläche, die saubere Luft. Von Amerika aus gilt Magdeburg eher als Vorort von Berlin.

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Pat Gelsinger zeigte sich sehr zugewandt, fand auf alle Fragen eine Antwort und machte deutlich: Das Engagement in Magdeburg rechnet sich nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten.

Sie sehen, dass Intel langfristig Menschen aus aller Welt nach Magdeburg, in die Börde und nach Wolmirstedt ziehen wird. Es wird also die gesamte Gesellschaft eine Strukturänderung erleben. Wie fühlt sich der Blick in die Zukunft an?

Wir profitieren als Gemeinschaft, wenn wir offen und durchlässig sind. Da kommen andere Menschen. Das ist weltweit völlig normal und da können sich auch die Wolmirstedter drauf freuen.