Pilotprojekt Wolmirstedt wagt neue Ärzte-Wege
In Wolmirstedt wird ein Projekt gestartet, wie die medizinische Versorgung künftig aussehen kann. Neun Monate läuft es.
Wolmirstedt l Das Zauberwort lautet Port-Projekt. Port steht für Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung. Abgesehen von diesem sperrigen Begriff ist das Projekt bestens geeignet, Visionen für eine bessere medizinische Versorgung der Bevölkerung zu entwickeln und bestenfalls wahr werden zu lassen. Und zwar in Wolmirstedt. Es ist von acht Projekten, die die Robert-Bosch-Stiftung fördert, das einzige ostdeutsche.
Das Ziel ist nicht unbedingt, ein Ärztehaus zu erschaffen. Die Mediziner, die in einem solchen Haus eine Praxis eröffnen, sind in der Vergangenheit nicht gefunden worden. Deshalb soll nun nach anderen Wegen gesucht werden. Erste Denkanstöße gaben Dr. Jan Hülsemann, der Ärztliche Direktor des Magdeburger Uniklinikums, sowie Professor Markus Herrmann vom Institut für Allgemeinmedizin an der Otto-von-Guericke-Universität am Montagabend im Hauptausschuss.
„Medizin wird weiblicher“, machte Professor Markus Herrmann deutlich, „70 Prozent der Absolventinnen sind junge Frauen.“ Die wollen gern als Ärztin arbeiten, aber auch Kinder bekommen und für die Familie da sein. Eine eigene Praxis erscheine vielen dabei als zu große Belastung. Junge Ärztinnen lassen sich eher mit geregelten Arbeitszeiten oder gar Teilzeitstellen locken. Das ist ein Gedanke, der in das Konzept mit einfließen kann.
Eine andere Option ist die Telemedizin. „Patienten müssen nicht jeden Termin in einer Praxis wahrnehmen“, erklärt Dr. Jan Hülsemann. Manchmal genüge es, Daten zu übermitteln, einen Arzt am Bildschirm zu konsultieren oder dass Experten eine wöchentliche Sprechstunde anbieten.
Möglich sei auch, dass medizinische Aufgaben von einer qualifizierten Fachkraft wie einer Gemeindeschwester ausgeführt werden und somit dem Arzt mehr Zeit für die intensive Patientenbetreuung bleibt. Das erhöhe auch die Berufszufriedenheit der Mediziner, hat Dr. Jan Hülsemann beobachtet.
Auch Pflege- und Sozialdienste wie das Deutsche Rote Kreuz sollen in dieses Port-Zentrum eingebunden werden. So kann die medizinische Betreuung der Bürger auf viele Schultern verteilt werden.
Herauszufinden, wie dieses Gesundheitszentrum konkret organisiert werden kann, an welchen Orten es etabliert werden soll und wer Träger sein könnte, wird die Aufgabe der nächsten neun Monate sein. In mehreren Arbeitsgruppen werden Ärzte, kommunale Vertreter, die Kassenärztliche Vereinigung, das DRK oder die AOK ein Konzept für Wolmirstedt entwickeln. Die Robert-Bosch-Stiftung fördert diese Konzeptphase. Anschließend werden vier der acht Projekte für eine weitere Förderung ausgewählt.
Ein wichtiges Kriterium für den Erfolg ist die Bürgerbeteiligung. Es soll runde Tische und Bürgerforen geben, die Wohnungsgesellschaften, die evangelische Fachschule oder das Bodelschwingh-Haus werden in die Konzeptionsphase eingebunden.
Die Bedürfnisse der Bevölkerung sollen durch Befragungen ermittelt werden. „Wir wollen wissen, wo die besonderen Krankheitsbelastungen liegen“, sagt Dr. Jan Hülsemann, „sei es bei Diabetis oder Bluthochdruck.“
Die Uni-Klinik will Wolmirstedt bei diesem Projekt begleiten, gleichberechtigter Partner sein. Die Impulse müssen vor allem aus der Kommune kommen, macht Projektverantwortlicher Professor Herrmann deutlich. Wenn es gelingt, kann Wolmirstedt als Leuchtturm in die Region strahlen, als Modellprojekt für andere Städte gelten, aber auch Mediziner anlocken, die eigentlich niemals auf dem Land praktizieren wollten.
In der kommenden Woche werden die Projektinitiatoren und auch Bürgermeister Martin Stichnoth (CDU) nach Kanada fliegen. Dort gibt es regionale Gesundheitszentren, die anders als die herkömmlichen aufgestellt sind, also als Inspiration für Wolmirstedt dienen. Im Mai findet ein Arbeitsgruppentreffen im Wolmirstedter Rathaus statt.