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Anschlag in Magdeburg Auch Zerbster erleben die Tat des Todesfahrers mit - der Schock sitzt tief

Zerbster schildern ihre Bilder von der Horrornacht. Die
Stadt gedenkt derweil der vielen Opfer des Anschlags.

Von Daniela Apel Aktualisiert: 22.12.2024, 11:51
Während in  der Zerbster Bartholomäikirche Orgelmusik erklang, zündeten die Menschen im gemeinsamen Gedenken an die Opfer des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt Kerzen an.
Während in der Zerbster Bartholomäikirche Orgelmusik erklang, zündeten die Menschen im gemeinsamen Gedenken an die Opfer des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt Kerzen an. Foto: Daniela Apel

Zerbst/Magdeburg - Dramatische Szenen spielten sich am Freitagabend auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ab. Ein schwarzer BMW-SUV raste mehrere hundert Meter durch die Menschenmenge. Mehrere Tote und mindestens 200 Verletzte, davon viele schwer, sind zu beklagen. Der Schock bei all jenen, die das unfassbare Geschehen miterlebten, sitzt tief.

Zu ihnen gehört der Zerbster Florian Janetzko. „Es ist unbegreiflich“, sagt der 26-Jährige. Mit zwei Freunden genoss er gerade die stimmungsvolle Atmosphäre, als der Täter sein Auto in hohem Tempo über den Markt steuerte und dabei unzählige Besucher erfasste.

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„Wir hatten Glück im Unglück“, schildert Florian Janetzko, dass sie kurz zuvor in eine Nebengasse gegangen waren, um dort einen Glühwein zu trinken. „Wir hörten das Aufheulen einen Motors“, erzählt der junge Mann.

Wenig später sahen sie, was geschehen war, sahen all die Menschen, die verletzt auf dem Boden lagen, spürten die verzweifelte Panik und konnten beobachten, wie die Polizei den Tatverdächtigen – einen 50-jährigen, aus Saudi-Arabien stammenden Arzt – festnahm.

Schreckliche Bilder prägen
sich tief ins Gedächtnis ein

Auch das Tatfahrzeug bekamen sie auf dem Weg zum Bahnhof zu Gesicht. Von der Wucht der Aufpralle sei das Auto komplett eingedellt gewesen, beschreibt Florian Janetzko. Nur wenige Minuten später, dann hätten sie ebenfalls in der Schneise gestanden, durch die der BMW gerast ist ... „Das ist schon fast wie ein zweiter Geburtstag“, versucht der 26-Jährige, die Bilder zu verarbeiten.

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Bilder, die Martin Zimmermann ebenfalls im Kopf hat. „Es war eine furchtbare Situation. Das nimmt einen mit und macht einen betroffen“, sagt der Zerbster Schlagersänger. Er war zusammen mit Florian Janetzko und einem weiteren Freund im Zug zum Magdeburger Weihnachtsmarkt gefahren.

Vor dem Zerbster Rathaus wehen die Fahnen seit Sonnabend auf Halbmast.
Vor dem Zerbster Rathaus wehen die Fahnen seit Sonnabend auf Halbmast.
Foto: Daniela Apel

„Auf einmal liefen und schrien die Menschen“, blickt er zurück und spricht von einer Dimension, die man sich nicht vorstellen kann: „Das war ein Anschlag, der auf Massen abgezielt war“.

Ein riesengroßes Dankeschön richtet er an die Rettungskräfte, die zügig vor Ort waren und sich um die Opfer des Anschlags kümmerten. „Sie waren schnell da“, bestätigt Florian Janetzko, der vorerst keine größeren Veranstaltungen mehr besuchen wird.

Zerbster zünden Kerzen für
die Opfer des Anschlags an

Martin Zimmermann hätte am gestrigen vierten Advent eigentlich einen Auftritt auf dem Dessauer Weihnachtsmarkt gehabt. Dieser hatte zwar unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen geöffnet, aber auf das Bühnenprogramm wurde verzichtet.

Bereits am Tag nach dem Anschlag in Magdeburg fanden sich in der Zerbster Bartholomöikirche Menschen ein, um den Opfern zu gedenken und nach der schrecklichen Tat innezuhalten.
Bereits am Tag nach dem Anschlag in Magdeburg fanden sich in der Zerbster Bartholomöikirche Menschen ein, um den Opfern zu gedenken und nach der schrecklichen Tat innezuhalten.
Foto: Daniela Apel

Die Entscheidung, sich vom Terror nicht den Alltag diktieren zu lassen und zugleich den Opfern und ihren Angehörigen Respekt zu zollen, konnte Martin Zimmermann nachvollziehen und mittragen, vor allem, nachdem er das Ganze hautnah miterlebt hatte. „Welche Weihnachtslieder soll man da singen?“, kann er die Frage selbst nicht wirklich beantworten.

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So lauschte Martin Zimmermann wie mehrere weitere Zerbster am Tag nach dem Anschlag bewegender Orgelmusik. Spontan war am Sonnabend zu einem gemeinsamen Gedenken zu 12 Uhr in die Bartholomäikirche eingeladen worden, während die Fahnen vorm Rathaus auf Halbmast wehten.

Nach dem Glockengeläut erklangen von der Empore herab mehrere berührende Musikstücke, die halfen, der Trauer, dem Erschrecken und Zorn in Anbetracht des schlimmen Geschehens zu begegnen. Pfarrer Albrecht Lindemann sprach ein Gebet und einzelne zündeten Kerzen an.

Stadt Zerbst lädt mit Kirchengemeinden zum gemeinsamen Gedenken

Zu einer griff Victoria Witte zusammen mit ihrer Tochter. „Es hätte jeden treffen können“, sagt sie mit Blick auf jene, die so sinnlos aus dem Leben gerissen wurden. „Es ist wirklich furchtbar“, sagt die Zerbsterin. Sie arbeitet in Magdeburg und hat Kollegen, die dort wohnen. „Dadurch ist das Ganze sehr nah“, versucht Victoria Witte, das Geschehen zu verarbeiten. Zumal sie selbst den Weihnachtsmarkt erst am Donnerstag noch besucht hatte.

Der 20. Dezember wird sich bei vielen als trauriges Datum einprägen. Auch der gestrige Adventsgottesdienst mit dem Friedenslicht stand in der Bartholomäikirche ganz im Zeichen des Gedenkens an den Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Die Kirchengemeinden und die Stadt hatten dazu eingeladen.

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„Verzweifelt suchen wir nach einem Motiv, um diese Wahnsinnstat irgendwie erfassen zu können. Sie zu verstehen, ist unmöglich“, wendet sich Bürgermeister Andreas Dittmann an die Gottesdienstbesucher. Nichts könne rechtfertigen, gezielt Familien anzugreifen und umbringen zu wollen. Ein solcher Terror mache traurig und auch zornig, es dürfe aber nicht blind machen.

„Menschen, die unsere offene Gesellschaft so angreifen, wollen, dass uns Hass und Misstrauen bestimmen“, warnt Dittmann. Gerade jetzt zu Weihnachten „müssen wir uns das in Erinnerung rufen, was uns ausmachen sollte: Zuwendung, Achtsamkeit für den anderen“, betont er.