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Kinderbetreuung In Berliner Kitas drohen ab 30. September lange Streiks

Der Konflikt über die Arbeitsbelastung in den städtischen Kitas in Berlin hat sich seit Monaten immer weiter zugespitzt. Jetzt droht die nächste Eskalationsstufe.

Von Fabian Nitschmann, dpa Aktualisiert: 20.09.2024, 13:41
Ab dem 30. September gehen viele Beschäftigte der städtischen Kitas in Berlin voraussichtlich erneut auf die Straße statt zur Arbeit. (Archivbild)
Ab dem 30. September gehen viele Beschäftigte der städtischen Kitas in Berlin voraussichtlich erneut auf die Straße statt zur Arbeit. (Archivbild) Fabian Sommer/dpa

Berlin - Die Eltern vieler Berliner Kita-Kinder müssen sich ab dem 30. September womöglich selbst um die Kinderbetreuung kümmern. In den städtischen Kitas der Hauptstadt droht ab dann ein unbefristeter Streik. In den knapp 300 Einrichtungen werden etwa 35.000 Kinder betreut - das sind etwa 20 Prozent der Berliner Kita-Kinder. 

Zu dem Erzwingungsstreik aufgerufen haben die Gewerkschaften Verdi und GEW. Bei den Urabstimmungen der beiden Gewerkschaften haben sich genügend Mitglieder für solche Arbeitskämpfe ausgesprochen, wie die beiden Arbeitnehmervertretungen mitteilten. Ziel der Gewerkschaften ist es, für die städtischen Kitas einen Tarifvertrag für bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. 

Bisher hatte der Senat solche Verhandlungen abgelehnt. Nach der Bekanntgabe der Urabstimmungsergebnisse trafen sich Finanzsenator Stefan Evers und Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (beide CDU) mit Gewerkschaftsvertretern zu einem Gespräch. Nach Verdi-Angaben hat das Land dabei Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Bis Mitte nächster Woche wollen beide Seiten erneut miteinander sprechen.

Verdi: Gibt auch Lösungen neben einem Tarifvertrag 

Der unbefristete Streik ab dem 30. September könne abgewendet werden, wenn der Senat „mit uns eine Vereinbarung trifft, wie wir in Verhandlungen kommen und das mit fixen Terminen hinterlegt“, sagte Benjamin Roscher, stellvertretender Verdi-Landesbezirksleiter für Berlin und Brandenburg.

Der Berliner Senat will einen sogenannten Entlastungstarifvertrag nicht aushandeln, weil er davon ausgeht, dass Berlin dann aus der Tarifgemeinschaft der Länder geworfen wird. „Wir werden nicht in Tarifverhandlungen gehen“, sagte kürzlich der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Aus Sicht von Verdi ist ein Tarifvertrag die gewünschte, aber nicht die einzige Lösung. „Es geht uns darum, dass wir eine rechtssichere, verbindliche Vereinbarung haben, die nachher auch individuell einklagbar ist“, sagte Roscher. 

In Niedersachsen gibt es derzeit einen ähnlichen Fall, Verdi will dort die Entlastung von Angestellten der Medizinischen Hochschule Hannover erreichen. Das Land hat sich dort inzwischen zu Verhandlungen bereiterklärt, das Ergebnis wird am Ende aber rechtlich betrachtet wohl kein Tarifvertrag, sondern ein anderes Vertragswerk sein.

Günther-Wünsch: Streiks haben Maß und Mitte verloren

Vom Streik in Berlin betroffen wären die knapp 300 städtischen Kitas. Insgesamt gibt es in Berlin laut Bildungsverwaltung rund 2.900 Kitas, in denen fast 170.000 Kinder betreut werden. Die meisten werden von freien Trägern betrieben. 

„Leider haben die Streiks in den vergangenen Monaten zunehmend an Maß und Mitte verloren. Für uns bedeutet dies, dass wir nun gemeinsam mit den Kita-Eigenbetrieben alles daransetzen müssen, die Betreuung unserer Kinder zu gewährleisten“, sagte Familiensenatorin Günther-Wünsch zur Streikandrohung. „Eltern müssen sich auf eine zuverlässige Funktion der Kitas verlassen können, insbesondere in der sensiblen Eingewöhnungszeit neuer Kitakinder.“

Stellvertretende Kita-Leiterin: „Wir haben die Nase voll“

Genau das sei schon wegen der Arbeitsbedingungen gar nicht möglich, kritisiert Verdi. „Immer wieder müssen pädagogische Fachkräfte mit viel zu vielen Kindern arbeiten. Der Personalschlüssel wird einfach nicht eingehalten“ sagte Martina Breitmann, stellvertretende Leiterin eines Kita-Eigenbetriebs. Direkt nach der Sommerpause habe eine Krankheitswelle die Kitas erreicht, Eingewöhnungen hätten verschoben, Gruppen aufgeteilt werden müssen. Breitmann ist Mitglied der Verdi-Tarifkommission. „Wir haben die Nase voll.“ 

Gewerkschaft fordert unter anderem Personalschlüssel von eins zu drei bei kleinen Kindern

Für mehr Entlastung fordert Verdi unter anderem, dass eine Fachkraft maximal drei Kinder im Alter von ein bis drei Jahren betreuen muss. Zudem sollen für die Kita-Beschäftigten sieben Wochenstunden für Vor- und Nachbereitung und Elterngespräche eingeplant werden. Um einen solchen Personalschlüssel einhalten zu können, hält Verdi einen „trägerübergreifenden, betrieblichen Notfallrahmenplan“ für zentral. 

Dieser soll zum Beispiel die Verkürzung von Betreuungszeiten oder die Einschränkung von Öffnungszeiten beinhalten. „Falls die Fachkraft-Kind-Relation nicht eingehalten werden kann, fordert die Verdi-Tarifkommission einen Belastungsausgleich für die Beschäftigten“, teilte die Gewerkschaft mit.