1. Startseite
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesundheit
  6. >
  7. Ein gutes Leben trotz Multiple-Sklerose

Nervenkrankheit Ein gutes Leben trotz Multiple-Sklerose

Magdeburger Ärzte informieren im Telefonforum anlässlich des Multiple-Sklerose-Tages über die Nervenerkrankung.

29.05.2019, 23:01

Magdeburg l Am Donnerstag ist weltweiter Multiple-Sklerose-Tag. Im Volksstimme-Telefonforum haben sich zahlreiche Leser bei Magdeburger Fachärztzen über moderne Behandlungsmöglichkeiten erkundigt. Uwe Seidenfaden hat einige Fragen und Antworten zusammengestellt.

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems. Einen deutschen Namen gibt es für diese Erkrankung nicht. Auslöser sind Angriffe des Immunsystems auf bestimmte Zellen, die die Nervenbahnen umhüllen und für die Übertragung der elektrischen Signale von einer zur nächsten Nervenzelle sorgen. Man spricht deshalb von einer Autoimmunerkrankung.

Was bedeutet Multiple Sklerose? Gibt es dafür eine deutsche Bezeichnung?
Die Entzündungen treten zumeist in individuell unterschiedlich langen zeitlichen Abständen wiederkehrend (das heißt schubförmig) und in verschiedenen Regionen von Gehirn und Rückenmark auf. Langfristig kann das zu dauerhaften Nervenschäden (Sklerosen) führen. Sie können unter anderem zu Symptomen wie abnorme Müdigkeit und Niedergeschlagenheit (Fatique) sowie Schlafstörungen und körperlichen Einschränkungen der Beweglichkeit führen.

Ist die Multiple Sklerose ansteckend oder erblich?
Weder noch. Die MS ist keine Infektionskrankheit und ist auch nicht im eigentlichen Sinn des Wortes vererbbar. Allerdings wird an die Nachkommen von MS-Betroffenen ein geringfügig höheres Risiko, zu erkranken, weitergegeben. In den meisten Fällen beginnt diese Erkrankung im frühen Erwachsenenalter, etwa zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr. Frauen sind mehr als doppelt so oft betroffen wie Männer. Die Ursache ist unbekannt.

Ich bin 20 Jahre alt und sehe seit etwa einer Woche permanent Doppelbilder. Ich war schon beim Augenarzt, der jedoch keine Ursache gefunden hat. Außerdem habe ich durch die Sehstörungen Gangunsicherheiten. Auffällig ist seit einigen Wochen auch ein häufiger Harndrang. Kann es da Zusammenhänge geben?
Die von Ihnen berichteten neurologischen Symptome können auf eine chronische Entzündung im Nervensystem hinweisen, die man akut behandeln sollte, um Folgeschäden zu vermeiden. Sie können sich in der Notfallaufnahme des Uniklinikums vorstellen, wo man neurologisch die akuten Symptome genauer abklären wird und gegebenenfalls eine Cortison-Behandlung einleiten kann. Man wird in der Klinik ein MRT des Gehirns und eine Nervenwasserentnahme zur Absicherung der Diagnose durchführen.

Bei meiner Tochter, 19 Jahre, wurde kürzlich MS diagnostiziert. Sie hat bislang keine bleibenden Schäden. Wie häufig können Schübe auftreten und wie lange dauern sie? Wie sind ihre Aussichten?
Diese Frage lässt sich so leider nicht individuell beantworten. Gerade am Anfang der Erkrankung bilden sich die Symptome in der Regel fast vollständig wieder zurück. Ein Grund dafür ist, dass unser Gehirn Ausfälle vereinzelter Hirnareale relativ gut kompensieren kann. Die meisten Patienten erleiden weniger als einmal pro Jahr einen Schub. Normalerweise dauert es einige Wochen, bis die Symptome wieder vollständig abklingen.

Wie verläuft eine MS- Erkrankung?
Die Verlaufsformen der MS können sehr unterschiedlich sein. Statistisch betrachtet kann etwa ein Drittel der Betroffenen ohne wesentliche Behinderungen mit MS leben. Ein weiteres Drittel hat zwar gelegentlich körperliche Probleme, kann aber dennoch die meisten Aufgaben in Familie und Beruf erfüllen. Lediglich bei einem Drittel der Patienten führt die MS zu Berufsunfähigkeit und späterer Pflegebedürftigkeit.

Individuelle Langzeitprognosen zum künftigen Krankheitsverlauf sind unseriös. Sie sollten jedoch wissen, dass die allgemeine Lebenserwartung von MS-Patienten dank heutiger Therapien nur geringfügig unter der der Allgemeinbevölkerung liegt.

Was kann ich selbst tun, um möglichst ohne Schübe zu leben?
Lassen sie sich beim Neurologen beraten, ob eine frühzeitige Therapie erforderlich ist. Ansonsten ist eine gesunde, regelmäßige Lebensführung zu empfehlen. Dazu gehören eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung und Nichtrauchen. Wichtig ist ebenso ein erholsamer Schlaf. Sport zu treiben, ist bei MS sinnvoll, dadurch trainieren Sie Ihre Muskeln und halten sich fit. Es besteht kein Einwand gegen körperliche Anstrengung, so lange Sie sich dabei wohlfühlen.

Wirkt sich eine Schwangerschaft negativ auf den Verlauf dieser Erkrankung aus?
Prinzipiell nicht. In der Schwangerschaft ist eher eine Beruhigung der Erkrankung zu erwarten. Nach der Geburt kann es kurzfristig wieder zu einem Aufflackern der Krankheit kommen. Die Krankheitsschübe sind jedoch behandelbar. Das Stillen muss nicht unterbrochen werden. Vererbt wird die Multiple Sklerose ans Kind nicht im eigentlichen Sinne. Das Erkrankungsrisiko von Kindern eines von MS betroffenen Elternteils liegt bei zwei bis drei Prozent.

 

Ich habe von neuen Antikörper-Therapien gelesen. Werde ich künftig meine Interferon-Therapie umstellen müssen?
In jüngster Zeit wurde eine Vielzahl neuer Therapien entwickelt. Dazu zählen Medikamente, die als Tablette oder Spritze eingesetzt werden. Sie ergänzen das Therapie-Spektrum. Patienten können sich darüber von Neurologen beraten lassen.

Ist eine Therapie mit Vitamin D ähnlich erfolgreich wie Behandlungen mit Cortison und Interferon?
Vitamin D ist eine mögliche Ergänzung zu den immunmodulierenden Therapien (zum Beispiel Interferonen und Glatirameracetat), aber kein vollwertiger Ersatz.

Bei mir haben die Ärzte vor fünf Jahren eine schubförmige MS diagnostiziert. Am meisten leide ich unter schmerzhaften Muskelverkrampfungen. Die verordneten Medikamente vertrage ich nicht. Was halten Sie von Cannabis-Präparaten, die über das Internet angeboten werden?
Spastische Symptome können unbehandelt zu schmerzhaften Fehlstellungen und Immobilität führen. Um das zu vermeiden, ist eine regelmäßige Physiotherapie wichtig. Sie kann durch muskelspannungslösende Medikamenten unterstützt werden. Cannabinoide kann der Arzt verordnen. Von einer ärztlich unkontrollierten Einnahme von Medikamenten aus dem Internet möchten wir abraten.

Wie hilfreich ist bei einer MS der Verzicht auf tierische Produkte?
Ganz generell ist jedem Menschen zu einer ausgewogenen, vollwertigen Ernährung mit reichlich Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen zu raten. Bevorzugt werden sollten überwiegend pflanzliche Lebensmittel.

Mit einer vollwertigen Ernährung kann die allgemeine Gesundheit unterstützt werden. Zusätzliche Vitamin- und Fettsäurepräparate sollten nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt genommen werden.

Seit meiner Studentenzeit bin ich Blutspender. Nachdem bei mir eine MS festgestellt wurde, komme ich als Blutspender nicht mehr infrage. Gilt das auch für Organspenden? Ich habe bislang keine dauerhaften körperlichen Schäden durch die MS.
In der Tat schließt eine MS sowohl eine Blut- als auch eine Organspende aus. Ein Grund ist, dass MS-Patienten oftmals mit Medikamenten behandelt werden, die das körpereigene Immunsystem beeinflussen.

 

Ich kann nur noch sehr selten in der Nacht durchschlafen, weil meine Beine in Ruhe schmerzen und zucken. Wenn ich dann aufstehe und einige Schritte laufe, geht es mir wieder besser. Ich nehme Magnesium, aber es wird nicht besser. Was kann die Ursache der Muskelkrämpfe sein? Was kann ich dagegen tun?
Die beschriebenen Symptome sprechen für eine neuromuskuläre Erkrankung, die wir als Restless-Legs-Syndrom (RLS) bezeichnen. Diese Erkrankung lässt sich medizinisch gut behandeln. Sie sollten einen Neurologen aufsuchen.

Mein Neurologe hat mich auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente zu stellen. Ich bin 48 Jahre und würde gerne noch weiterarbeiten.
Die Möglichkeiten der weiteren Berufsfähigkeit können im Rahmen einer Rehabehandlung überprüft werden. Wenn gesundheitlich erforderlich, sind Veränderungen am Arbeitsplatz anzustreben. Sie können darüber mit Ihrem behandelnden Arzt, dem Betriebsarzt und gegebenenfalls mit Ihrem Arbeitgeber sprechen.