Luxemburgs Ex-Außenminister in Magdeburg „Den Westen gibt es nicht mehr“
In Magdeburg hält Luxemburgs langjähriger Außenminister Jean Asselborn ein Plädoyer für ein militärisch unabhängiges Europa. Zum Umgang mit Russland bleibt indes manche Frage ungeklärt.

Magdeburg - Die markantesten Worte von Jean Asselborn fallen früh an diesem Abend: „Heute – ich muss da klar sein – hat diese Trump-Regierung die Seiten gewechselt. Den Westen, wie wir ihn kennen, gibt es seit dem 20. Januar nicht mehr. Er ist eine Chimäre geworden. Das kann einem Angst machen“, sagt der 75-Jährige. Der langjährige Außenminister Luxemburgs und strikte Verfechter der europäischen Idee sagt das in dieser Woche bei einem Podium des Regionalkreises der Deutschen Atlantischen Gesellschaft in Magdeburg. Doch was folgt daraus für Deutschland, für Europa?
Hier bleibt auch bei der folgenden Diskussion mit Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) und Regionalkreisleiter Thomas Reitmann bei der Regiocom manches nur angeschnitten – und damit unscharf.
Wir müssen alles tun, damit die Waffen schweigen, ich glaube nicht, dass wir allein mit Waffen aus diesem Krieg herauskommen.
Jean Asselborn, langjähriger Außenminister von Luxemburg
So sagt Asselborn mit Blick auf den Ukraine-Krieg vor den rund 100 Gästen: „Wir wissen, dass Putin Europa hasst, weil er die Demokratie hasst.“ Der Krieg gegen die Ukraine sei daher auch einer gegen die liberale Lebensweise. Wenig später erklärt er aber auch: „Wir müssen alles tun, damit die Waffen schweigen, ich glaube nicht, dass wir allein mit Waffen aus diesem Krieg herauskommen.“
Asselborn: Nicht überzeugt, dass Putin in der Ukraine Waffenstillstand will
Wie aber soll sich Europa im Konflikt nun verhalten, zumal jetzt, da die USA als Unterstützer der Ukraine, ausfallen könnten? Eine klare Antwort darauf gibt es beim Podium nicht. Nur die Feststellung Asselborns: Putin ziehe die Verhandlungen über einen Waffenstillstand in die Länge. „Ich bin nicht überzeugt, dass er ihn will“, sagt er. Und selbst wenn es ihn gäbe: „Waffenstillstand heißt Demarkationslinie“, ergänzt Asselborn. Die wäre dann zu überwachen. Doch Russland hat erklärt, keine ausländischen Truppen in der Ukraine zu akzeptieren.
Waffenstillstand hieße Demarkationslinie, das wiederum hieße Überwachung
Gleichzeitig sei die Frage über das Mandat von Friedenstruppen ungeklärt. Wer soll sich beteiligen und sollen Friedenstruppen nur überwachen oder auch eingreifen dürfen? Der Unterschied für eine potenzielle Eskalation wäre im Zweifel enorm.
Europa muss nach Kehrtwende der USA militärisch unabhängig werden
Immerhin in einem Punkt herrscht Klarheit an diesem Abend: Nach den Ankündigungen der Trump-Administration müsse Europa im militärischen Bereich unabhängig von den USA werden, sagt Asselborn. Schon jetzt habe die Beistandsklausel der Nato erheblich an Glaubwürdigkeit verloren. „Es ist nur schwer vorstellbar, dass Trump noch eingreifen würde, wenn ein kleines europäisches Land von Russland angegriffen würde.“ Zur strategischen Autonomie der EU gehöre zum Beispiel Kampfflugzeuge woanders als in den USA einzukaufen. „Europa ist jetzt erwacht“, sagt Asselborn. Um eine Chance zu haben, müsse der Kontinent aber handeln wie ein Land. Es könne nicht sein, dass etwa der Ungar Viktor Orban den Kurs der EU ständig hintertreibe.
Innenministerin: Äußere und innere Sicherheit hängen eng zusammen
Orban ist auch die Brücke zum zweiten thematischen Teil des Abends. Denn eigentlich steht dieser unter der Frage: „Ist äußere und innere Sicherheit noch voneinander zu trennen?“ Innenministerin Zieschang räumt die Frage kurzerhand ab: „Die Antwort lautet Nein“, sagt sie. Und die Gegenfrage: „Wieso eigentlich ,noch’?“
Wenn andere Länder sehen, dass Deutschland die Grenze zumacht, tut der Nachbar das auch, bis wir an der EU-Außengrenze ankommen.
Landes-Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) zur Notwendigkeit von Grenzkontrollen in der EU
Die Argumentation der Ministerin: Innere und äußere Sicherheit waren schon immer eng verwoben. Beispiel: Syrienkrieg. Der habe nicht nur Hunderttausende auf den Weg nach Europa gebracht. Anschläge wie der vom Berliner Breitscheidplatz stünden im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kollaps in Nahost. Ähnliches gelte für den Afghanistan-Krieg nach dem 11. September 2001 oder das Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023.
Asselborn: Europa spielt mit Binnen-Grenzkontrollen mit dem Feuer
Die Schlussfolgerung der Ministerin ist auch ein Plädoyer für zumindest vorübergehende Kontrollen an den deutschen Grenzen. „Sie zeigen Wirkung“, sagt sie. Es gehe auch darum, einen Impuls zu setzen. „Wenn andere Länder sehen, dass Deutschland die Grenze zumacht, tut der Nachbar das auch, bis wir an der EU-Außengrenze ankommen.“ Asselborn, der schon in der Flüchtlingskrise 2016 mit der Aussage, Orban behandele Flüchtlinge wie Tiere, für Aufsehen gesorgt hatte, warnt vor solchen Ansätzen. „Ich weiß, dass Deutschland wegen der AfD in der Migrationsfrage reagieren muss“, sagt er. Gleichzeitig spiele man mit dem Feuer. „Fallen Freizügigkeit und Rechtsstaatlichkeit, fällt Europa.“