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Leseranwältin Niemand muss mit Hetze leben

17.02.2025, 07:00
Leseranwältin Heike Groll
Leseranwältin Heike Groll VS

Hass und Hetze haben weder in redaktionellen Artikeln noch auf der Leserbriefseite etwas zu suchen. Das stand mehrfach in dieser Kolumne, ebenso die Feststellung, dass Kritik drastisch formuliert sein darf. Aber wo genau verläuft die Grenze? Wenn, wie kürzlich berichtet, zahlreiche Prominente in einem offenen Brief vor der Wahl einer bestimmten Partei warnen und Kritik an deren Wählern üben, dann sei das auch eine Art Hetze, schrieb uns eine Leserin.

Journalisten müssen immer prüfen, inwieweit gegen andere Rechte verstoßen wird, die im konkreten Einzelfall schwerer wiegen als das Recht der Öffentlichkeit auf Information und Meinung. Im Wahlkampf wird mit harten Bandagen gekämpft. Letztlich fordert jeder Politiker das Publikum auf: Wählt mich, weil ich die bessere Politik machen werde, und nicht die anderen, weil diese die schlechtere Politik machen würden.

Das ist ihr gutes Recht, gedeckt durch das Grundgesetz, das die Meinungsfreiheit garantiert. Hetze wäre es, wenn er gehässig, verleumderisch oder feindselig formuliert bzw. wenn einzelne Menschen oder ganze Gruppen beschimpft, verächtlich gemacht und in ihrer Würde verletzt werden.

Was für Wahlkämpfer gilt, das gilt für alle Bürger, unabhängig von Beruf und Bekanntheit. Alle dürfen ihre Meinung öffentlich kundtun: Leserbriefe schreiben, in Internetforen kommentieren, Kampagnen starten, sogar – ein weiteres Grundrecht – demonstrieren. Kritik als solche ist keine Hetze, Hinweise auf solche finden sich auch in dem erwähnten Brief nicht.

Weil die Rechte für alle gelten, gilt auch für alle: Niemand muss mit Hetze leben, alle müssen Widerspruch ertragen. Wahlkämpfer müssen die (verbalen) Attacken des Gegners hinnehmen. Bürger müssen akzeptieren, wenn andere ihre Ansichten kritisieren.

Ob man als Adressat der diversen Botschaften Meinungen teilt oder Aufforderungen folgt, das wiederum ist und bleibt allein der eigenen Entscheidung überlassen.