Leseranwältin Was die „Zeile“ alles leisten muss
Leseranwältin Heike Groll beschäftigt sich mit der Rolle von Überschriften in journalistischen Texten.
Magdeburg - Sie kann elegant oder nüchtern formuliert sein, eines muss jede gute journalistische Überschrift oder, in der Fachsprache, „Zeile“ leisten: neugierig machen und auf einen Blick erkennen lassen, was in dem Artikel darunter detailliert ausgeführt wird. Widersprechen sich die Kernaussage der Zeile und der Inhalt des Textes, dann ist das ein grober handwerklicher Fehler, der Leserinnen und Leser in die Irre führt.
Kritik an Überschrift nach Volksstimme-Beitrag
Wo aber verläuft die Grenze zwischen zulässiger Zuspitzung und sachlich falscher Aussage? Für einen Leser war sie jedenfalls in einem Volksstimme-Beitrag vom 13. Januar überschritten. Er sieht einen Widerspruch zwischen der Formulierung „Bund hilft Anschlags-Opfern“ in der Überschrift und dem Textanfang „Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass die Verletzten und Familien der Getöteten … finanzielle Unterstützung erhalten.“ Eine Willensbekundung allein, findet der Leser, sage gar nichts, noch helfe der Bund überhaupt nicht.
Zulässig oder nicht? Darüber gibt es auch innerhalb der Volksstimme-Redaktion unterschiedliche Ansichten. Das ist gar nicht ungewöhnlich; denn Journalismus folgt zwar Regeln, für ihre Anwendung gibt es jedoch zumeist einen gewissen Spielraum. Nur auf die Überschrift bezogen, so meint daher die eine Fraktion, stimme der Vorwurf. Hier aber werde die Schlagzeile wie bei anderen größeren Beiträgen üblich durch die Unterzeile „Wissing sagt Betroffenen Unterstützung zu“ ergänzt. In dieser Kombination werde die Aussage klar und eindeutig.
Die andere Fraktion, zu der die Leseranwältin gehört, findet, dass auch eine Zusage nicht zwingend bereits Vollzug derselben bedeutet; zumal aus dem weiteren Text hervorgeht, dass der Bundesjustizminister als Teil der Regierung zwar seine persönliche Unterstützung des Anliegens zusagen kann, für die Bewilligung der notwendigen Mittel aber das Parlament zuständig ist.
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