Leseranwältin Was legal ist, muss nicht legitim sein
Traueranzeigen gehören nicht zu den redaktionellen Inhalten einer Zeitung, zu den am meisten gelesenen und persönlichsten jedoch allemal. Angehörige, Freunde und Arbeitgeber gedenken der Verstorbenen; Leserinnen und Leser erfahren vom Tod eines Menschen, den sie vielleicht selbst kannten. Mit der Traueranzeige sind so starke Signale und Emotionen verbunden, dass die reine Form auch zu anderen Zwecken benutzt wird, etwa um eine politische Entscheidung besonders plakativ zu kritisieren.
Das ist, unabhängig von Geschmacksfragen, legitim. Heikel wird es, wenn eine solcherart verwendete Annonce direkt neben Todesanzeigen für echte Menschen erscheint. So geschehen vor kurzem in einer Lokalausgabe der Volksstimme mit dem Nachruf auf eine zuvor geschlossene städtische Kindereinrichtung. Das geht gar nicht, fanden Leser, eine solche Platzierung verletze die Gefühle trauernder Menschen. In der Tat ist uns hier ein Fehler unterlaufen. Der für solche Anzeigen eigentlich festgelegte Standard-Prüfprozess hat leider nicht so funktioniert, wie er sollte.
Üblicherweise werden Traueranzeigen, wie andere Anzeigen auch, vor der Veröffentlichung geprüft. Inhalte und Motive dürfen schon isoliert betrachtet nicht gegen geltendes Recht verstoßen, also zum Beispiel nicht zu Hass und Hetze anstacheln – in dieser Hinsicht war der Nachruf zulässig.
Im nächsten Schritt ist dann aber zu prüfen, welche Wirkung die Anzeige im gewünschten oder geplanten Umfeld entfaltet. Hier spielt dann nicht allein der juristische Blickwinkel eine Rolle, was legal ist, muss nicht zwingend auch legitim sein. Gerade bei Familienanzeigen muss im Zweifelsfall der Respekt vor den Gefühlen anderer den Ausschlag geben.
Image-Anzeigen von Bestattern zum Beispiel sind auf Trauerseiten unbedenklich. Für Werbung und Willensbekundungen anderer Art gibt es ebenfalls Platz in der Zeitung – definitiv aber nicht dort, wo es um echte Todesfälle geht.